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Die beiden Kaufleute.

„Ich habe eine Lieferung von Viermalhunderttausend Häringen
binnen einem Monat zu machen; können Sie mir diese Waare
in drei Wochen verschaffen?"

„Zu wie viel?"

„Zu zehn Gulden das Tausend."

„Zehn Gulden! Gut, ich nehme es an."

„Wohlan, gehen wir nun zu Tische, denn ich sterbe vor
Hunger. Bei dem Esten wollen wir dann von einem andern
Geschäfte sprechen."

Woerden lenkte das Gespräch auf die Heirath seines Sohnes
und aus die Mitgift der künftigen Gemahlin. Van Elburg wollte
die zugesagte Summe auch nicht um einen Stüber erhöhen. Doch
wurde beschloss. !, die Hochzeitsfeier in acht Tagen vorzunehmen.

Den andern Tag kehrte Wilhelm mit seinem Vater nach
Amsterdam zurück. Kaum hatten sie Broeck verkästen, als der
junge Mann die Frage an seinen Vater richtete:

„Sie sind anderer Meinung geworden, Vater?"

„Wie so das?"

„Haben Sie nicht die Mitgis. von Meister Van Elburg
angenommen?"

„Wilhelm, für wen hältst du mich? Laß mich nur machen
und frage mich nicht, denn du verstehst nichts. Der Handel ist
sehr ernsthaft, zehn Gulden das Tausend Häringe, das ist viel
Geld. Ich bin nun für viertausend Gulden engagirt, da ist
mein ganzes Nachdenken erforderlich."

Als der Tag der Vermählung herangekommen war, kehrten
Woerden und sein Sohn nach Broeck zurück. Eine große Anzahl
Freunde und Verwandte waren in dem Gescllschaftssaal ver-
sammelt. Der Hausherr empfing die Gäste, allein mit so .bleichem
und entstelltem Gesicht, daß Wilhelm glaubte, eine schlimme
Nachricht hören zu müssen. Der alte Woerden theilte keineswegs
seine Besorgnisse, denn der schlaue Fuchs kannte am Besten
die Ursache der Betrübniß seines Kollegen.

„Meister Van Elburg," sagte er zu ihm mit geheucheltem
Lächeln, „was haben Sie denn? Sie sind ganz verändert."

„Ach Freund, ich bin in einer großen Verlegenheit. Ich
muß Sie sprechen."

„Was haben Sie denn? Ist Ihnen die Heirath nicht recht?
Sagen Sie es nur gerade heraus; Sie können noch zurück."

„Es handelt sich nicht davon."

„So laßt uns die Trauung zuerst vornehmen; ich ändere
niemals meinen Geschäftsgang; ich bin gekommen, der Heirath
meines Sohnes beizuwohnen; so fangen wir damit an; dann
stehe ich Ihnen für das Weitere zu Diensten."

Man trat also den Weg in die Kirche an und einen Augen-
blick darauf war das junge Paar eingesegnet. Kaum war man
nach Hause gekommen, so sagte Van Elburg: „Sie haben ver-
sprochen, mich nun anzuhören; gehen wir in mein Kabinet."

„Ich folge Ihnen."

„Mein Koll ge," sagte der Erstere, nachdem er die Thüre
sorgfältig hinter sich verschlossen, „laut meinem Versprechen habe
ich Ihnen viermalhunderttausend Stück Häringe in vierzehn Tagen
zu liefert"; ich hole aber noch nicht einen Einzigen bekommen
können, sie sind olle verkauft."

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„Ich glaub' es wohl," antwortete lächelnd Meister Woer-
den, „ich habe sie alle aufgekauft."

Bei diesen Worten war van Elburg wie versteinert.

„Was soll aber aus meinem Versprechen werden?"

„Es wird dennoch erfüllt werden. Hören Sie, Van Elburg :
Sie werden einst Ihrer Tochter ein glänzendes Verniögen hinter-
lassen ; ich hintcrlasse meinem Sohne wenigstens eben so viel;
es ist also unnöthig, diese beiden künftigen Vortheile in Anschlag
zu bringen. Was die gegenwärtigen Vorrheilc betrifft, so stehen
die Sachen anders. Ich trete nächstens meinem Sohn mein
Handelsgeschäft ab; Sie geben Ihrer Tochter blos viertausend
Dukaten mit in die Ehe; dieses Opfer wird offenbar durch das
meinige ausgewogen. Ich habe zwar der Neigung der jungen
Leute nicht entgegcntreten wollen, allein ich habe mir vorgenom-
men, das Gleichgewicht wiederherzustellen und Sie zu zwingen,
Ihren Rang zu behaupten. Zu diesem Ende habe ich Folgendes
gethan: Sie haben sich verpflichtet, mir viermalhunderttausend
Häringe zu lieiern zu zehn Gulden das Tausend, allein ich habe
diese Häringe in Händen. Um Ihrer Verpflichtung Ehre zu machen,
bleibt Ihnen also nichts übrig, als mir sie abzukaufen. Nun ver-
kaufe ich sie Ihnen zu fünfzig Gulden das Tausend; Sie haben
mir also sechzehntausend Gulden herauszugeben und wir sind quitt."

Während dieser kaufmännischen Deduction hatte Van El-
burg seine gewohnte Geistesruhe wieder angenommen.

„Ganz recht," sagte er zu Meister Woerden, „Sie sind
ein schlauer Kaufmann; ich bin in ein feines Netz gegangen
und werde mich also darein fügen."

Hierauf empfahl sich Van Elburg seinem Kollegen ehrer-
bietig und beide begaben sich wieder in das Gesellschaftszimmer.

Obgleich das Verfahren von Meister Woerden zum Wenigsten
sonderbar war, so hütete sich Van Elburg wohl, seinen Aerger
laut werden zu lassen; er hatte dafür zu viel Erfahrung; er
zeigte sich im Gegentheil heiter und guter Dinge und es war nur
mehr von dem Fest die Rede, das die Vermählung schließen sollte.

Acht Tage daraus war der Kaufmann von Broeck nach Amster-
dam gereist, unter dem Vorwand, seine Tochter zu besuchen,
welche mit ihrem Gemahl dahin gezogen war. Jetzt waren die
Rollen gewechselt. Meister Woerden war diesmal in Bestürzung.

„Ach Meister," rief er aus, sobald er seinen Kollegen er-
blickte, „ich bin ganz in Verzweiflung. Die Fischer brachten
mir alle meine Häringe zurück; sie konnten sich kein einziges
Faß verschaffen. Die ganze Lieferung geht zu Grund I"

„Das finde ich ganz natürlich," antwortete trocken Van
Elburg. „Sie haben alle meine Häringe gekauft und ich alle
Ihre Fässer. Ich könnte sie Ihnen sehr theuer abtreten, da
es mir aber blos darum zu thun ist, nicht mehr als die vier-
tausend Dukaten als Mitgift zu geben, so schlage ich sie Ihnen
um die Summe los, die Sie mir so fein abzulocken gewußt
haben. Sie haben viel Verstand in Amsterdam, allein in
Broeck hat man mehr Genie."

„Gleichviel," antwortete stolz Meister Wocrden, „ich war
es doch, der Ihnen dazu den Gedanken gegeben hat."

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