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130 Die Schwester

wo dann auch Pfarrhof und Schule, Handwerkerwohnungen und
vor Allem das Wirthshaus Zeugniß geben für die vorschreitende
Kultur der friedlichen Eroberung der Kirchenfürsten. Zu innerst
dieser Niederlassung, gerade im erwähnten Gränzwinkel vor dem
Anstiege zum Plöckenstein, lagern sich wieder eine Anzahl von
Wohnstätten auf der gerodeten, zu Wiesen verwandelten Abdach-
ung des Hochwaldes, dort heißt man es bei den „Lackenhäusern."
Mitten unter den zerstreuten Hütten steht das stattliche Kauf-
und Tafernhaus „zum Rosenberger," allen denen eine erfreuliche
Erinnerung, die einmal in diesem abseits gelegenen Waldstrich
in seinen Hellen, traulichen Stuben herbergten und sich an den
trefflichen Spenden aus Küche und Keller labten. Die Gegend
nun um das einsame, stolze Roscnbergergehöft und den kleinen,
niedern Lackenhäusern ist von je der Schauplatz für jene bedau-
erliche Thätigkeit gewesen, der sich Gränzbewohner mit Vorliebe
hingeben, für den Schleichhandel. Die fleißigsten, schlauesten
und verwegensten Schwärzer des ganzen Passauerwaldes waren
jederzeit die Lackenhüusler. Sie trieben das Gewerbe im Großen,
nicht Einzelne, die ganze Bevölkerung gehörte zu der kecken Schaar,
die allem Zoll- und Mauthzwang den Krieg erklärt hatte. Deß-
halb fruchteten auch alle Widerstandsmittel, alle Verfolgungen
einzelner Fälle, alle gesetzliche Strenge wenig oder nichts und
führte nur zu gewandter und trotziger unternommenen neuen
Angriffen auf die verhaßten Gesetze, zu einem vollkommen aus-
gebildeten, mit größter Sicherheit ins Werk gesetzten Pascherun-
wesen, dem neben dem Gewinn die kühne Art der Handhabung
den größten Reiz verlieh für ein kräftiges, leichtblüliges und
frohmüthiges Völklein, wie diese Waldansiedler sind.

Vor mehreren Jahren war es, wo dieser Schmuggler-Klein-
krieg zu einer solchen Heftigkeit sich steigerte, daß man den
Gränzjägern und Mauthbeamten selbst eine militärische Verstär-
kung zuschickte und sodann die Angriffe auf die streitfertigen
Züge der Schwärzer mit doppeltem Ernste vornahm. Zur selben
Zeit kam ein junger Lackenhäusler, „am Gsenget" daheim, der
als Soldat bei den „Gelben" in Passau eingereiht war, in Ur-
laub zu den Seinen. Man erzählte ihm von den neuen, in
hestigster Weise von beiden Seiten geführten Feindseligkeiten
zwischen den unkultivirten Freihandelsfreunden seiner Nachbar-
schaft und den Zöllnern. Die Erzähler waren von der Partei
der erstern, seine Vettern, Spielgefährten, alte Kameraden, mit
denen er selbst, ehe er in des Königs blauen Rock geschlüpft
war, manchen schönen Spaziergang um Mitternacht seithalb der
Schwarzenberger- und Klafferstraßzollbäume gemacht hatte, bei
weitem mehr der Ehre halber auch als ein kuraschirter Bube zu
gelten, denn um die etlichen Zwanziger Lohn. Damals war
das aber noch Kinderspiel gegen eine solche Partie in der Zeit,
da er wieder hörte von der unerträglichen Anmaßung und dem
unchristlichen Neide, mit welchen die schuftigen Mauthner und
Grünspechte ehrlichen Leuten das Brod vom Munde wegnehmen
und ihnen den sauren Verdienst bis aufs Blut verkümmern
wollten. Wer jemals in den Lackenhäuseln einen Pack am Rücken
und eine Büchse in der Hand die Grünze paffirt hatte, mußte
da zusammenhalten und nach Kräften beihelfen, daß solch ein
Uebermuth und schreiendes Unrecht nicht zur Geltung komme.

des Schwärzers.

Darüber hatte der Gsengeter-Martin nicht den leisesten Zweifel,
im Gegentheile verlangte es ihn sehr, seinen Landsleuten und
Genossen beweisen zu können, daß ihn das Stadt- und Kasernen-
leben nicht so verderbt habe, als daß er nicht einsehe, was ihm
unter solchen Umständen als ehrlichen Lackenhäusler - Buben zu
thun gezieme. Ein bald darauf unternommener wichtiger Zug
über die Gränze und wieder mit ausländischen Maaren zurück
stellte ihn in die Reihen der scharfsinnigsten und rauflustigsten
Schwärzer. Wie zum voraus vermuthet, kam es am Rückzuge
zum hitzigen Gefecht mit den zahlreichen Zollsoldaten, dennoch
wurde die Contrebande glücklich in Sicherheit gebracht, dagegen
lagen zwei Mauthner und ein Schmuggler todt am Platze, von
den Erstern lagen mehrere, von letztern unser Martin verwundet.
Wohl hatte er sich heimzuschleppen vermocht, Mutter und Schwester
sorgten für Verband und Wundmittel, indessen war leider die
Verletzung der Art, daß die Künste heilverständiger Weiber nicht
ausreichten, Schmerzen und Gefahr wuchsen, man mußte nach
dem Wundarzt schicken. Diesem ward zwar erzählt, bei einem,
nächtlicher Weile versuchten Schüsse nach einem diebischen Marder
habe sich der Bube selbst so verletzt, aber der Bader wußte auch
von dem jüngsten Pascherzuge und seine erst kürzlich verschärfte
Instruktion belehrte ihn hier Verdächtiges zu erkennen und nicht,
wie üblich, die Sache zn vertuschen, wollte er nicht für sich selbst
Unangenehmes besorgen. Er machte dem Gerichte seine Anzeige,
Gensdarmen erschienen am Gsenget und Martin ward in'sGe-
fängniß nach Wolfstein abgeführt. Die eingeleitete Untersuchung
nahm anfänglich kein allzugefährliches Aussehen an. Das Mähr-
lein vom Marder und dem ungeschickt losgegangenen Gewehr
ward mit aller Sicherheit vorgetragen; Vater und Mutter be-
haupteten, ste wüßten um nichts, hätten in der fraglichen Nacht
längst geschlafen bis sie der verwundete Sohn zur Hilfleistung
aufgeweckt habe. Aehnliches sagte die Schwester aus — doch
wollte sie nie mit ganzer Bestimmtheit versichern, Martin habe
an jenem Abende das älterliche Haus nicht verlassen. Wochen
verstrichen, die Heilung in der Haft ging langsam vor sich, die
Besorgniß vor langjähriger Zuchthausstrafe zerrte sichtlich in der
Kraft des jungen Schmugglers. Da schien der forschende Eifer
des Richters wirklich die bedrohlichste Wendung der Sache für
Martin herbeizuführen. Man hatte sich erinnert, daß gegen
ihn früher schon Verdachtsgründe wegen Theilnahme an dem
Paschergewerbe seiner Nachbarn Vorlagen, von den der Zollwache
beigcgebenen Soldaten — Leute aus seinem Regiment — wollte
ihn einer an der Stimme erkannt haben, als er militärisch be-
tonend ein „Rechts um!" den Rückzüglern zurief, und gerade
an der Stelle der Begegnung siel einer der sichergetroffenen
Mauthner. Martin aber stand unter den Scharfschützen seines
Bataillons. Nur ein festhergestellter Beweis, daß er in der
Nacht seine Wohnung nicht verlassen habe, konnte ihn von aller
Gefahr befreien.

In den Tagen, wo dem Gsengeter-Martin der schlimmste
Ausgang seiner Angelegenheit bevorstund, meldete bei dem Haupt-
manne der Compagnie, bei welcher jener in Passau eingereiht
war, der Fvurirschütze eine bäurische Dirne, die den gnädigen
Herrn zu sprechen begehre.
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