Fliegende Blätter (3.1846 (Nr. 49-72))

38 Grauröckleins Gäste.

I schlafenden Landsknechten und sprach lächelnd: „Heute über
50 Jahr seid ihr Alle wieder hier, wenn auch in anderer
Gestalt. Mögt euch untcrdeß zerstreuen in der Welt nach
Lust und Behagen. Auf Wiedersehen!" Mit diesen Worten
huschte er mit seinem Lichte zur Thüre hinaus, ohne daß
seine Gestalt einen Schatten hinter sich warf.

Als am andern Morgen die Landsknechte erwachten und
um sich schauten, konnten fie sich kaum erinnern an das, was
gestern vorgefallcn, und sie rieben sich Augen und Stirnen,
als ob sie etwas Unheimliches aus ihrem Gedächtnisse wischen
j wollten, und doch wußte keiner was ; als sie aber einander an-
schauten, erschrack einer über des andern bleiches, todtenähnliches
Aussehen, und jeder schob die Schuld auf das nächtliche Gelage.

Das wird sich bald verlieren, meinte der schwarze Wolf-
gang ; man must Wein haben, und er ergriff eine von den
Lanzen, die im Winkel lehnten, und schlug mit dem Schafte
etliche Mal über den Tisch, daß es krachend im Gewölbe
wiederhalltc; aber es kam Niemand, er schritt die Treppe
hinaus, die Kameraden mit ihm; fie polterten und tobten
wie böse Geister, aber umsonst; es kam Niemand. Nun mach-
. ten sie sich über die Fässer her, aber wo sie anklopften, klang
j cs hohl und leer, und wo sie den Hahn umdrehten, floß
| lein Tropfen trotz Fluchen und Schelten.

„Und wenn der leidige Satan im Hause ist." schrieen
; fie, „der Graurock muß her," und durchsuchten das Gebäude,
fanden aber nichts als Schutt und Trümmer, und am Ende
kam ihnen die öde Burg ganz unheimlich vor, besonders da
da sich der eine oder andere nach und nach, wenn auch dun-
: kel, an des Graurocks Erzählung erinnerte. Kein Traum
konnte es doch nicht sein, meinten sie, wie kämen sie sonst
in diese unbekannte Gegend, und wahr — wie konnte es
wahr sein? Die ganze Geschichte ist ja zum Tollwerden un-
sinnig. Da fiel ihnen das Handgeld ein, sie griffen in die
Taschen, und statt der Goldstücke brachten fie dürres Laub
heraus. Zuletzt zogen sie mißmuthig und fluchend denselben
Weg, den sie gestern gekommen, zurück, und lagerten sich
hungrig und müde am selben Platz, wo sie das Grauröcklein
! getroffen, und jeder hatte den Wunsch in seinem Herzen, daß
' er heute wieder erscheinen möchte, damit sie, nicht mit ihm
ziehen, sondern ihn für den ihnen gespielten Possen tüchtig
durchbläuen könnten; aber der kam nicht; zuletzt zogen sie
weiter ihren Weg und fanden nach langem Hin- und Her-
ziehen im Lande endlich einen Herrn für ihre Lanzen.

Noch heut zu Tage steht die Burg im Walde, und ist
geheißen Waldreith, wird aber gewöhnlich vom Volke des
. Teufels Lustschloß genannt, weil schon mancher, der sich nächt-
licher Weile verirrt und dahingekommen, das Zechen und
Leiern mit angesehen und angehört hat, ohne sich dieß auf
' natürliche Weise erklären zu können. Von den Landsknech-
ten aber ist bekannt, daß keiner eines natürlichen Todes ge-
storben, sondern es sind die einen in Schlachten, die andern
am Galgen umgekommen, und der schwarze Wolfgang, der
es noch am längsten getrieben, ist gerade 49 Jahr nach die-
ser Begebenheit in einem Graben ertrunken, worin er berauscht
bei nächtlicher Weile gestürzt. I. h.

Sprüchwörter.

Wenn dem Kalb nachlauft die Kuh,

So scheint mirs, gehts nicht richtig zu.

Zu große Mildigkeit sollst du meiden,
Willst du nicht selber Armuth leiden.

Zieht Eines Wist, das Andre Hott,
So bleibt der Wagen stecken im Koth.