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42 Die Sch

kann, und nun bei Vater Simon auf einen Labetrunk einsprechen
und der Mutter Veronika Neuigkeiten zu erzählen wissen.

Es war vor mehreren Jahren, als einige Wochen vor
Weihnachten ein Holzhacker daselbst neben dem knisternden Ofen
bei einer Kanne Weißbier saß, und finster und mißmuthig
vor sich hinschaute. Er hieß Jakob Wild, ein ehrlicher, red-
licher Mann und hatte heute im untern Walde eine ziemliche
! Anzahl Stämme in Klafterholz gespaltet, und es war ihm
' gegangen wie jenem Bäuerlein, von dem es im Liede heißt:

„Ein Sauriern fällte die knorrige Eiche,

Und seufzte und murrte bei jeglichem Streiche."

Als es nach seiner Rechnung. — eine Uhr hatte der gute
! Mann nicht, — gegen Mittag ging, setzte er sich auf einen
! Baumstumpf und verzehrte sein trockenes Brod und netzte es
mit einigen Schlucken aus seiner Flasche; aber der Branntwein
wollte ihm heute nicht niunden und das Brod nicht schmecken.
Er dachte an Weib und Kind, an den Apotheker, der ihm auf
Weihnachten den ellenlangen Conto in's Haus schicken werde
für seine Anna, die den ganzen Sommer durch das Bett ge-
hütet hatte; der älteste Bube hätte ein Röcklein brauchen kön-
nen, denn aus dem alten abgeschabten war er schon vor einem
Jahre hinausgewachsen gewesen, und er selber, o du lieber
Himmel, er selber konnte schon seit lange nicht mehr am Sonn-
j tag in die Kirche gehen, weil er keine Kleider hatte. Dann
war das Strohdach ganz schadhaft und der Regen sickerte durch,
die Kinder brauchten wollene Decken für ihre Laubsäcke, und
so gab es noch viel andere Bedürfnisse im Hauswesen. Das
wurmte nun den ehrlichen Hans schon lange im Gemüthe,
und er zerriß und zerspliß sich den Kopf, wie zu helfen wäre;
aber bis jetzt hatte er noch kein Mittel gefunden. Freilich,
wenn er Geld gehabt hätte, wäre der ganze Kummer wie
Rauch davon geflogen, aber das hatte er nicht, und wußte
auch nicht, woher eines zu bekommen.

Wie er nun so dasaß auf dem Klotz und mit kummervollen
Mienen in die Zukunft schaute, begann es zu rieseln und zu
schneien; der Himmel zog seinen Wolkenmantel an und machte
ein stürmisches Gesicht, gleich als wollte er den armen Holz-
hacker bis auf die Haut durchnässen. Darob ärgerlich, hängte
er sein Brodsäcklein und die Flasche über den Rücken, nahm die
Axt unter den Arm, und wanderte tiefer in den Hochwald, wo
er unter den breitästigen Tannen ziemlichen Schutz fand. Aber
die großen Tropfen, die auf ihn herabtröpselten, und der Wind,
der durch seine zwilchene Kleidung pfiff, machten es so arg, daß
er, trotzdeni daß er von Zeit zu Zeit die Flasche an den Mund
nahm, vor Kälte am ganzen Leibe zitterte, und zu den Melodien,
welche er der Langeweile wegen pfiff, mit den Zähnen klapperte.
Als nun gar noch nachgerade der Branntwein in der Flasche
- auf die Neige ging, warf er einen grimmigen Blick durch die
tröpfelnden Tannenäste nach dem Himmel; aber der hatte eine
; noch viel grimmigere Miene angenommen, und nun blieb ihm
! nichts anders zu thun übrig, als bei Pater Simon sich neben
einem Trunk Bier zu wärmen. Ta saß er also, wie schon ge-
sagt worden, neben dem Ofen und sprach kein Wort, und merkte

tzgräber.

auf Niemand und es merkte auf ihn auch Niemand; denn
das wilde Wetter hatte heute noch manchen Gast in Vater
Simons gastliche Stube getrieben und des Geplauders am
»ordern Tische war gar kein Ende. Dort saß der alte Schäfer
vom Tyrolerhof, der schwarze Veit, ein umherziehender Pfan-
nenflicker, und ein Mann mit einem schönen feuerrothen Barte,
wie die Maler den Judas hinzupinseln pflegen. Der Mann
mußte weit gereist sein, man konnte es an seinen Reden merken,
und an dem Eifer, mit dem er Alles über den Haufen warf,
was die andern sagten, indeß er von seinen eigenen Worten
keine Silbe wegstreiten ließ. Er hatte einen großen schweren
Kasten bei sich voll ausländischer Muscheln, Schnecken und
Steine, die er sich mit vielen Unkösten und Lebensgefahren
in allen sechs Welttheilen herum zusammengeklaubt und ge-
sammelt hatte; ja selbst bis ans Meer war er gekommen,
und hatte dort Schiffe gesehen, Schiffe, von denen man ins
kleinste die ganze Domkirche von Augsburg hineinstellen könnte.
Früher hatte er auch einen Kittel gehabt, den man gar nicht
verbrennen konnte; er nannte das Zeug, aus dem er gemacht
war, Asbest, und wollte ihn um 6000 fl. auf der Messe zu
Tinlbuktu gekauft haben; das Timbuktu sei eine Stadt in Asien,
von wo eine Brücke nach Afrika hinüberginge zwei Tag-
reisen lang, nicht weit von der Quelle des Niagarafluffes,
der tief aus der Erde herausströmt und ganz siedend heiß,
so breit wie die Donau hinter Pest und Ofen. Wie der
Mann nun so fortplauderte ohne Ende wie ein Garnhaspel,
unterbrach ihn der graubartige Hüter der Schafe und sprach:

Aber Mann, ihr müßt ja ein heidenmäßig Geld haben,
wenn ihr einen Kittel um 6000 fl. kaufen könnt? mich kostet
da der meine baare acht Gulden, und das ist schon ein
schönes Stück Geld!

Was? fuhr der Weitgereiste rasch auf und schlug sich mit
der flachen Hand vor die Stirne, Hab ich gesagt 6000 fl., da
Hab ich gelogen; 7000 fl. 73 kr. nach beduinischem Gelde,
welches nach deutschem Münzfuß macht etwa 10,000 fl. Ich
habe vorher nur vergessen den Schneiderconto hinzuzurechnen,
wenn ich gesagt habe 6000 fl., und denkt nur, meine lieben
Leute, der Rock ist mir gestohlen worden, als ich beim Kaiser
von Madeira zu Mittag speiste; da war es so stark eingeheizt,
und deshalb Hab ich ihn während dem Essen ausgezogen,
und wie ich nachher nach dem Kittel schaue, ritsch, ist er
weg. Der Kaiser von Maroeco hat mir zwar 20,000 Ster-
linge als Entschädigung geben wollen; aber was, ich hatte
dort noch Geld wie Stroh und habe nichts angenommen.
Uebrigens hat mir der Rock auch nicht mehr gefallen.

Aber, fragte der braune Pfannenverbesserer mit pfiffigem
Gesicht, indem ein ungläubiges Lächeln um seine Mundwinkel
spielte: wenn ihr einen so theuern Kittel kaufen könnt, so däucht
mir fast, ihr thätet nicht klug, daß ihr den alten Kasten da, der
fast einen Centner wiegen muß, auf dem Buckel durch die Welt
schleppt; da würde ich mir lieber ein Pferd kaufen und ein
leichtes Wägelein dazu, oder den ganzen Kram wegschmeißen:
s'ist doch Alles zusammen keinen Schoppen Schnaps werth.

So! erwiderte spöttisch der Conchiliensammler; es sagt ein
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