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Die Schatzgräber.

Scheu und Ehrfurcht zu empfinden, und wenn er gerade in
seinem Garten steht und mit blinzelndem Auge die untergehende
Sonne betrachtete, so rückt gewiß jedes Bäuerlein seinen Hut,
und jeder Söldner, der eine Kuh im Stalle hat, seine Mütze,
und wünscht ihm einen glückseligen Abend. Sie thun dies aber
nicht aus Ehrfurcht oder aus Respekt vor ihm, sondern aus
Furcht, ihn nicht zu beleidigen, denn es ist allbekannt, daß
er den Kühen die Milch aus dem Stall wegzaubern kann,
und in seinen Melkkübel, oder daß sie rothe Milch geben.
Aufrichtig gesagt, ist der Mann ein großer Wohlthäter für
die ganze Gegend; steht ein Bich krank im Stalle und hängt
den Kopf und will nicht fressen, holt man den Wundermann
und der räuchert den Stall aus und liest aus einem schmutzigen
Büchlein mit geschnörkelten Buchstaben und Kreuzlein, die selbst
kein Doktor hätte besser schreiben können, unverständliche Worte
dazwischen; dann wird das arme Stück Vieh so lange geprügelt,
geschlagen und gestoßen, bis es die Zunge herausstreckt nach dem
Futter, und nun ist die Hexe aus dein Stall, und alle Thür-
pfosten werden mit Drudenfüßen verschanzt, damit sie nicht
mehr herein kann, und ein Birkenreis wird oben in die Dielen
gesteckt als eine Drohung, falls die Hexe sich wieder zeigen
sollte, ihr es das nächstemal zehnmal ärger zu machen. Hat ein
junger Hund die Sucht und liegt in den letzten Zügen auf dem
Stroh, er kann ihm helfen; hat Jemand Zahnweh, er hilft mit
seinem Segen, und einem Nagel, mit dem man das Zahnfleisch
um den wehen Zahn blutig ritzen muß, und dann wischt er das
am Nagel klebende Blut an ein leinenes Fleckchen, steckt dieses
in die Rinde eines Baumes, Kastanienbaumrinde soll hiezu am
besten sein, und es ist geholfen; hast du Warzen an der Hand,
sein Zaubersegen vertreibt sie mittelst eines Zwirnfadens; ob er
aber auch die an den Nasen vertreiben kann, das weiß ich bygost
nicht; doch glaube ich, er muß es nicht können, denn an seiner
leibeigenen und ludeigenen Nase sitzt eine Warze, man dürfte
sie ihrer Größe wegen keck eine Mutterwarze nennen.

Man sagt von ihm, daß er an hohen Festtagen nie in
i eine Kirche gehe, und manche wollen ihn schon gesehen haben,
wie er am heiligen Frohnleichnamstag, den man anderwo auch
Antlas nennt, während der feierlichen Prozession, so oft man
zum Segen läutet und die Böller krachen läßt, in seinem Stalle
den Kühen mit dem Hüftknochen eines am Galgen Gestorbenen
unter abenteuerlichen und gräßlichen Ceremonien seinen
Segen gibt; während der heiligen Weihnachtsnacht kniee er
auf einem Stühlchen von siebenerlei Holz, auf dem am Vor-
mittag noch die Vögel' gesungen, und dann sieht er alle
Hexen aus der Umgegend weit und breit. Das Wetter weiß
er ganze Monate vorher zu bestimmen, und er soll sogar Ge-
witter und Strichregen machen können, was man daran er-
kennen will, daß eine lange Stange während eines solchen Re-
gens bei seinem Schornsteine hinausguckt. Das Rasenstechen,
Sieblaufen, Bannen, den Dieb zwingen, daß er gestohlene
Sachen wieder zurückbringt, kann schon jeder Schäfer mit
seinem Christophelgebet, wenn der Dieb nicht rückwärts da-
von gelaufen ist, und daß er, der Meister aller Zauberkünste,
diese von Grund aus los hat. versteht sich von selber. Ja ich




könnte Beispiele aufzählen von ihm, daß manchem die Haare zu
Berge ständen, und jeder sagen müßte, der Mann verdient mit
Recht seinen Titel, was in unfern Tagen, wo die Titel so wohl-
feil sind, schon viel sagen will; doch möge einstweilen dieses
wenige einen kleinen Begriff von seinen edlen Künsten geben.

Es war am Morgen an einem Freitag, gerade ein Un-
glückstag, an dem der Schuhflicker nicht aus dem Hause durfte,
wenn nicht alles verkehrt und zu seinem Nachtheile ausfallen
sollte, was er anfing: da saß er auf seinem schüsselförmigen
Stuhle unter einer Masse von alten Schuhen und Stiefeln, und
verpichte und vernietete einen morschen Stiefelabsatz, als es an
seiner Thür pochte. Er schob den Riegel weg, und herein traten
der Holzhacker Hans und der Mann mit dem Raritätenkasten,
doch ohne denselben; den hatte er im grünen Baum zur Aufbe-
wahrung zurückgelassen, was mir jedoch ganz überflüssig gewesen
zu sein scheint, denn kein Narr, auch der allerhirnverwirrteste,
hätte ihm denselben davongeschleppt. Wie nun der Wundermann
nach ihrem Begehren fragte, vertrauten sie ihm unter dem Siegel
der Verschwiegenheit ihren Plan, und ersuchten ihn um seinen
Beistand, mit dem Versprechen, ihm den dritten Theil des
Schatzes abzutreten. Kaum hatte er vernommen, daß von
einem Schatz die Rede wäre, riß er vor Freude die hornum-
gebene Brille von der Nase, und machte eine sprungartige
Bewegung, die seiner Würde fast hätte nachtheilig werden
können, wenn nicht alles unter strengster Verschwiegenheit vor
sich gegangen wäre.

Das Hab ich mir schon lange gedacht, sprach er freudig; es
muß etwas in der Gegend sein; doch da könnte man uns belauschen,
und er schaute ängstlich durchs Schlüffelloch, schob den Riegel vor,
und führte dann die seinem Rath Entgegenschmachtenden in ein
enges stockfinsteres Gemach, verriegelte und verschloß die Thüre,
und nun begann er nach dem Schatze zu fragen, bemerkte aber
bald, daß er in der Eile die Lampe anzuzünden vergessen hatte,
und half diesem Uebelstande so bald als möglich ad. Als aber
die Lampe ihren spärlichen Schimmer durch die kleine Kammer
warf, wurde den beiden Klienten fast unheimlich zu Muthe, und
es kam jedem der Gedanke, wär ich doch wieder unter Menschen;
denn da sah es gräßlich aus, und nur bei einem großen welt-
berühmten Doktor mag man etwas Aehnliches finden können.
An den Wänden hin standen auf eigens dazu angebrachten
Brettern der Reihe nach Todtengerippe groß und klein, von
Menschen und Thiercn, und blickten gar hohl und düster aus
den weiten leeren Augenhöhlen; dazwischen lagen Wurzeln
unv Kräuter, und an langen Schnüren hingen vertrocknete
warzige Kröten und Unken mit ihren gelbfleckigen Bäuchen;
Phiolen dickbauchig und langhalsig; Gläser, Tiegel, Kessel und
Röhren lagen durch einander, und in gläsernen Flaschen mit
Waffer gefüllt sah man lebende Frösche und Krebse.

Ohne den Rathbedürftigen Zeit zu lassen, sein Aller-
heiligstes zu betrachten, begann er: Sprecht, 'meine Männer,
wo vermuthet ihr den Schatz? — Am Burkerberge, sagte
der Holzhacker mit gedämpfter Stimme, wo das Brühlloch
ist, das ihr schon oft werdet gesehen haben!

Wohl! wohl! und woher wißt ihr das? he?
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