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66

Ein Bild

Man schied. Er führte
Das schöne Fürstenkind herab die Treppen
Und hob sie in den Schlitten; selbst ergriff
Er dann die Zügel, grüßte noch zurück
Und schwang die Peitsche. Und die muth'gen Rappen
Von Silberschellen klingend, flogen rasch
Die breite hart gefrorne Straße hin..

Sie saßen Beide schweigend da. Er schaute
Still vor sich ans den Weg und aus die Eb'ne,

Die weiß verschneit sich unabsehbar dehnte.

Und d'rauf zum Himmel, wo durch Schneegewölk
Rur dann und wann ein Strahl der Sonne floß.

Sein Herz war schwer — er liebte — ach, sein Glück
War ihm so nah und war ihm doch so fern.

Er träumte vor sich hin, sie sei sein Weib,

Und fahre jetzt der lieben Heimath zu
Und sie mit ihm, er malte sinnend sich
Ein selig Leben aus an ihrer Seite:

Nach dem geschäft'gen Tag das frohe Mahl,

Gewürzt mit heiterm Scherz und Wein und Liebe,

Die trauten Abendstunden am Kamin,

Und dann die Nacht — er dacht' es nicht zu Ende,

Denn plötzlich fuhr's ihm wieder durch den Sinn:
Marina sei des reichsten Fürsten Kind,

Sein einzig ^iind, und so verwöhnt als hold.

So stolz als gütig und so kühl als stolz;

Da zuckten ihm die Brauen; zürnend drückte er
Zurück den Seufzer in's gepreßte Herz,

Und zog die schlaffen Zügel straffer an.

Und Sie? — Auch sie war stumm; ihr schwärmten noch
Zurück zum Ball von gestern die Gedanken;

Sie hörte die Musik, sie sah den Saal,

Von Spiegeln und von Lampen prächtig schimmernd;

Sie dacht' an ihren Schmuck — doch lieber noch
Gedachte sie an Graf Wasilis Auge,

Das fragend und verwirrend auf ihr ruhte.

Als zu Masurka die Hoboc ries.

Und da sie's dachte, stieg das ros'.gc Blut
Ihr in die Wangen, und ihr Antlitz glühte
Hervor aus ihres Mantels Hermelin,

Wie eine Ros' aus frisch gefall nein Schnee.

So fuhren sie dahin, zwei heiße Herzen,

Allein beisammen aus der weiten Haide,

In die Gebilde ihrer inner'n Welt
Versunken Beide. — Sie bemerkten's kaum.

Daß finst'rer stets mit lastendem Gewölk
Ter Himmel sich umzog, daß langsam erst
Mit leisem Schweben, dichter dann und hest'ger
Die Flocken fielen. Erst als sie im Wirbel,

Vom angcschwoü'nen Sturm daher geführt.

Hernieder tanzten aus der trüben Lust:

Als fast im Schnee der Straße Spur verschwand.

s Rußland.

Riß sich Wasil aus seinem Sipnen los.

Und trieb die Rosse wild zu rascherm Lauf.

Es schneite- fort und fort — der Schlitten flog —

Die Dämm'rung kam — kaum war ein Pfad zu seh'n.
Allein die Richtung war dem Grafen längst
Bekannt; und auf der Thiere Klugheit trauend.

Hielt er die Richtung, wo der Weg verschwand.

Marina seufzte: Wären wir zu Hause!

Welch' schrecklich Wetter! — Seid getrost, Prinzessin,
Bald sind wir da, ein kurzes Stündchen noch.

Der warme Trank, das freundlich helle Zimmer
Wird doppelt Euch nach solcher Fahrt erquicken.

Getrost! schon seh' ich dort den Hügel ragen
Mit seinen Föhren; von der Höh' erblickt man
Dann schon den Wald und Eures Vaters Schloß.

Sie schwieg beschwichtigt. Durch den hohen Schnee
Trieb er die Rosse fort, die Fläch' entlang.

Die weite Fläch' und dann hinan den Hügel.

Jetzt ist die Höh' erreicht. Marina schickt
Die Blicke freudig spähend aus. O Gott!

Da ist kein Schloß zu seh'n, kein Weg am Wald —
Rings nichts als Schnee und Tann', und wieder Schnee
Und drüberhin der Himmel immer tiefer
Und tiefer dunkelnd.

Weh, wir sind verirrt
Vom rechten Wege und die Nacht bricht ein!

O welche Angst, Wasil!

Verzeiht, verzeiht.

Daß ich in solche Sorgen Euch gebracht!

Das ist es, was mich quält. Allein verlieret nicht
Den Muth. Ich seh's wir kamen zu weit rechts.

Wir müffen links uns halten. Dorthin geht's.

Er lenkte links. Sie kamen in den Forst:

Ein Wind von Ost zerblies das Schneegestöber,

Und kalt vom tiefen Himmel funkelte

Der Sterne Licht. — „Hier geht ein Weg hinein!

Gottlob, er bringt uns auf die große Straße,

Die uns dann mühelos zum Schlosse führt.

Frisch auf, ihr Pferde, frisch!" So rief Wasil,

Das bange Mädchen und sich selbst ermuth'gcnd.

Und schwang die Peitsche knallend.

Aber horch.

Das war kein Echo! Seitwärts aus den Büschen
Erscholl ein dumpfer, lang gezog'ner Ton,

Erst leis', dann immer lauter, schauerlicher.

Wie eines Rnublhiers, das vor Hunger schreit:

Und drüben stimmt ein and'rer heulend ein,-

Und wieder einer.

Gott, barmherz'ger Gott!

Erbarm' Dich! das sind Wölfe!
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