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Trinklied.

So pünktlich zur Sekunde
Trifft keine Uhr wohl ein,

Als ich zur Abendstunde
Beim edlen Gerstenwein.

Da Wink ich lang und paff»

Nicht auf ein Zifferblatt,

Ich hör'S am leeren Fasse:

Wie viel's geschlagen hat.

Geh NachtS ich vom Gelage,

Mit frohem Sang nach Haus,

So kenn' ich ohne Frage
Mich in der Zeit doch auS.

Man kennt'- an meinem Gange,

Am Gange krumm und grad,

Man kennt eS am Gesänge,

Wie viel's geschlagen hat.

Seh' ich ein Haus von Weiten,

Wo ein lieb' Madel ttäumt,

Sing' ich zu allen Zeiten
Ein Lied ihr ungesäumt.

Und wird's im Zimmer helle,

War es auch noch so spat,

So weiß ich auf der Stelle,

Wie viel's geschlagen hat.

O. v. Reichert.

Die fllbernen Beine. *)

En avant, marchons!

Marseillaise.

Mynheer van Wadenblock, der reichste Kaufmann Rotter-
dam's, hatte das Unglück, beide Beine so zu zerfallen, daß fie
abgenvmmen werden mußten, und um den Mangel derselben zu
ersetzen, schickte er nach Meister Ezechiel Turningvoort, dem
berühmten Mechaniker.

Dieser erschien mit bescheidener Miene in den Gemächern
des reichen Bürgers, und Mynheer van Wadenblvck rief ihm aus i
seinem Bette zu: „Turningvoort, Ihr werdet schon von meinem
Unglück gehört haben — um mir dasselbe einigermaßen erträg-
lich zu machen, bitte ich Euch, mir ein Paar künstliche, beweg-
liche Bein«, die besten, die Ihr liefern könnt, zu machen."

Turningvoort verbeugte sich.

„Eure Holz- und Leder-Dinger", fuhr Wadenblock fort, „kann
ich nicht leiden, — ein Paar silberne Beine will ich haben!"

Turningvoort verbeugte sich auf's Neue.

„Laßt für den Beginn der Arbeit diese beiden Barren ab-
holen; braucht Ihr mehr, so fordert ungenirt, auf den Preis
kommt es mir nicht an!"

Turningvoort machte eine sehr tiefe Verbeugung, versicherte, j
die Bestellung aufs Schnellste auszuführen, und ein Paar ele-
gante , unermüdliche Beinchen liefern zu wollen.

An einem schönen Abend erschien der Künstler mit seiner
sorgfältig eingepackten Arbeit vor Herrn van Wadenblock, und
am nächsten Morgen wanderte der reiche Bürger mit gleichmäßi-
gen, sichern Schritten aus seinem Hause die Straße entlang, die
Mechanik und den Künstler, der so vollkommene Beine geliefert,
preisend. So kam er fröhlich und wohlgemuth bis zum Stadthause.

Hier ttaf er seinen alten Freund Mynheer Filips van
Maaneflauwe van der Ounevertintelekerkdoorbumblere, der am
Fuß der Treppe, die zum Haupteingange führt, stehen blieb, um
den Daherschrcitenden glückwünschend zu begrüßen. Dan Waden-
block streckte ihm schon von Weitem fröhlich die Hand entgegen, j

*1 Dem verehrlichen Verfasser verbindlichen Dank für diese und
die übrige» uns übersandten vortreffliche» Spenden.. Der größere
Theil ist nun druckreif und wird in bunter Reihe folgen. An die uns
ausgesprochenen fteundlichen Wünsche knüpfen wir unsrerseits die Herz-
liche Bitte, den fliegenden Blättern auch ferner wohl zugethau zu
bleiben. Die Redaction der Flieg. Blätter.
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