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Herzog Christoph's Wurf und Sprung.

j sten Streitroffe, als wäre es Wachs; wo wir's in der Hirschau
nennen, da riß er mit einem einzigen Griffe Birken und Tannen
aus; wenn's zum Ringen kam, warf er ganze Reihen zugleich
darnieder; die reißende Isar schwamm er aufwärts, als wär'
da stehendes Waffer; das wildeste Pferd bändigte er, daß
demselben der Angstschweiß herabströmte, und vom Schwindel
wußte er so wenig, daß er auf dem Geländer des Peters-
thurmes gar häufig spazieren ging. Auch heißt es, nicht
selten sei's gewesen, daß er ein paar grimmige Bären im
Forste packte und weiten Weges mit ihnen zur Burg geschritten
kam; wenn die Brüder auf die Jagd gingen und an einem
breiten Bach standen, da sah er nicht nach Steg und Brücke;
er nahm zwei auf die Schultern, in einem Hui waren sie
drüben und die anderen Beiden durften auch nicht lange
warten; die Thore hätten sie ihm jederzeit vergeblich zuge-
sperrt, denn als er einst in später Nacht an die Stadtmauer
kam, setzte er nur die Faust an und die Schlösser fuhren aus
den Schrauben, daß das Thor aufflog, als wär' der Teufel
mit im Spiel; da sie eine Glocke nach Menzing fuhren, trug
er sie auf der Schneide im Gleichgewicht auf den Thurm und
hing sie auf; und was er Kraft in der Ferse hatte, kann Je-
dermann unterm Chor zu unsrer lieben Frau wahrnehmen ; denn
als Herzog Sigmund beschloß, die große Frauenkirche zu bauen,
rief Christophe „Mit dem Geld wird der Herr Bruder nicht
hinaussehen, aber recht hat er!" und stampfte mit einem
Fuße auf den Boden, daß man die ganze Sohle im Quader
sah, drob sich männiglich verwunderte, und hat man denselben
Stein wohl bewahrt, bis es im Dom zum Pflastern kam,
drauf man ihn an die Stelle setzte, wo man kein Fenster
findet und aus selbigem Bau nicht hinausschauen kann —
unbestritten, was andere Leute glauben, daß es des Teufels
Fußtritt sei, was ich aber nicht vertheidigen möchte.

Nun hätte Herzog Christoph Allem widerstehen mögen, so
>veit Gras wächst, Wasser läuft, und Gottes blauer Himmel
prangt, sollte man doch meinen, in einem Punkt sei er erlegen,
in der Liebe. Aber nein. Vielmehr hatte er sich zuge-
schworen , so viel er auch Fürsten- und Königstöchter säh',
niemals mit einer Jungfrau den Brautring zu wechseln.

Da er nun in den bittersüßen Apfel heiliger Ehe gar
nicht beißen wollte, hat sich hinwieder der böse Feind desto
mehr bemüht, ihm seine Sinne zum Liebesfrevel anzureizen.
So war es sicher nur sein Werk, daß dem Herzog einstmals
im Traum eine Jungfrau vorkam, so wunderschön, daß sein
Herz hätte von Marmor sein müffen, wär' cs nicht dennoch
von heftiger Gluth ergriffen worden, und ich brauche wohl
nicht zu sagen, daß ihr der böse Feind eine ganz andere
andere Tracht gegeben, als die der Frauen und Jungfrauen
zu Dachau, so schon dazumal an die zwanzig Ellen ober den
Knieen pampeln ließen und gern noch mehr umgehängt hätten,
wär's nicht zu schwer geworden und zu theuer wohl auch.

Herzog Christoph däucht' es, er sähe die liebliche Erscheinung
durch einen schönen Rosengarten wandeln, dabei sie ihm vonZeit zu
Zeit holdselig zuivinkte. Sein Widerstand wurde mit einemmale fe-
derleicht, und es zog ihn große Sehnsucht, nachzuschleichen, um das

schöne Kind so lang als möglich zu sehen, und so viel auch, als
er nur könne, erschauen und erlügen. Und als er so immer
folgte, war er bis zu einem schönen, grünen Hain gekommen,
und fühlte urplötzlich einen solchen Uebermuth, daß er sich nichts
Geringeres vornahm, als das reizende Bild seiner Sinne gefan-
gen zu nehmen und einen heißen Kuß zu erobern. Er machte
in seinem Traum nicht wenig große Schritte und streckte schon
die Arme aus, sah aber mit einemmal einen Abgrund vor sich,
das Ziel seiner Wünsche war jenseits und winkte mild-
spottend hinüber.

Ta wurde Herzog Christoph sehr zornig über den Riß in
der Erde, und dachte daran, wie er sonst allerwegen über die
Bäche und Waldwässer gesetzt. Er machte also gleich einen
Satz, als wollte Einer von uns aus in die neue Welt hinüber-
springen. Aber er fühlte, daß er nicht hinüberkäine, weßhalb
er sich einen verzweifelten Schwung geben wollte, drüber er
aus dem Schlaf emporfuhr und kerzengerade aus seinem Lager
saß, sein fürstliches Antlitz gen den rothseideuen Betthimmel
gekehrt und die Hände zu beiden Seiten fest angestemmt.

Lange saß er so da und fuhr einigemal über die Augen, um
zu erfahren, ob er in seinem Bette in Ludwig des Strengen Hof-
burg oder in bewußtem Abgrund befindlich. Da er sich aber
genugsam überzeugt, daß ihm kein Leids widerfahren, schlug er
grimmig auf die damastene Decke und rief: „Da hat man es,
sogar im Traume halten sie die Männer zum Besten! O ihr ver-
wünschten Weibsen, mit euch gibt's nichts als Noth und Gefahr
und große Schwachheit! O Christoph, was für ein geringer Held
bist du gewesen heute Nacht! Gib Gott heißen Dank, daß es
Keiner weiß, wie du in die Falle gegangen und daß du dabei
eine gute Lehr' empfangen. Nehm' ich's mit Hand und Fuß
mit der ganzen Welt auf, sollte mein Herz schwächer sein? O
mit nichten! Und tag ich draußen unter den Bäumen bei Men-
zing, und käm', noch lockerer gewandet, die heidnische Göttin Ve-
nus selber des Weges daher, die sollte mir wohl nichts anhaben."

Drauf schlug er noch einmal auf die Decke und legte sich wie-
der auf's Ohr, Jute er gethan, da er schlafen gegangen, und da er des
anderen Tages erwachte, warerderbestenVorsätze voll und bannte
den Traum aus seinen Sinnen, so viel er nur konnte. Die schönen
Jungfrauen und Frauen am Hofe seiner fürstlichen Brüder be-
kamen hinfür gar keinen Blick mehr, und grämte sich manche sehr,
daß die Sonne seiner Huld gar nicht mehr leuchten wolle.

2.

Es war nicht lange nach dem Traum, daß Herzog Chri-
stoph eines schönen Maitags durch den Bogen schritt, der
vom Rathhausthurm zu St. Peter führt, nahebei wo die
wohlweisen Herren auf und ab stolzirten, wenn sie oben im
wohlgetäfclten Saale wichtige und noch wichtigere Sachen zu
besprechen und zu schlichten hatten.

Als Herzog Christoph um die Ecke bog, wär' er bald
mit Herrn Florian Hupstnsland zusammengestoßen, der in ge-
ziemender Wichtigkeit seiner persönlichen- und Amtsmajestät
die Treppe herabgekommen war, nachdem er oben einen großen
Vortrag gehalten, und Antrag gestellt hatte, daß dem Bild-
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