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Cosi fan tutti.

Säckclchen anzusprechcn, da cr ihr erst kürzlich Dieses oder
Jenes gekauft, kurz sich ihr gefällig bewiesen hatte. So war
der Herbst dahingcgangcu und der Winter mit seinen Kar-
nevalsfreuden war herangekommen. Unter den öffentlichen
Bällen der Residenz, die sich vor den andern rühmlich aus-
zeichncten, war der sogenannte Bürgcrball, als dessen Unter-
nehmer die Spitzen der Bürgerschaft sungirten, einer der her-
vorragendsten.

Was die Hauptstadt vom tos etat Elegantes aufzu-
weisen hatte, war gewöhnlich auf diesen Bällen versammelt.
Die junge Frau hatte in der kleinen Landstadt, in der sie
geboren und erzogen worden war, nie Gelegenheit gehabt,
einen auch nur halbwegs glänzenden Ball zu besuchen, wird
es daher der geneigte Leser nicht ganz natürlich finden, daß
der zärtliche Herr Landrath seiner jungen Gemahlin diesmal
eine Ucberraschung zu bereiten gesonnen war?

Acht Tage vor dem für den Ball anberaumten Tag
händigte der Landrath seiner Frau eine Karte ein, aus der
in zierlichen Lettern lithographirt war: Für den Bürgcrball am
20. Jänner 1859 und auf der Rückseite stand geschrieben:
Giltig für den Herrn Landrath Lcberccht und seine Frau Gemahlin.
Aufsprang die junge Frau von ihrem ArbcitStischchen und
ihrem Manne an den Hals und herzte ihn, daß es kein Ende
nehmen wollte. Und als cs endlich dem Landrath gelungen
war, sich den leidenschaftlichen Dankcsknndgebungcn seiner
Frau zu entziehen, da hielt er sic auf Armeslänge von sich,
blickte ihr lange ins blaue feuchte Auge, küßte sic dann aus
Stirne und Wange und war glücklich.

„Und nun mein liebes Lottchen denk' an Deine Ball-
toilcttc und hicmit Gott besohlen!" und mit diesen Worten
schlüpfte der Landrath in sein Arbeitszimmer.

Und wie cs nun bei Frauen einmal ist, so nahm wirk-
lich die Sorge für die Toilette die ganze nun folgende Woche
in Anspruch. Da erschien der sehnlichst erwartete Tag — der
Abend kam heran und die Frau Landräthin strahlte in all
dem Reize jugendlicher Anmuth, gehoben von der Kunst einer
gewählten Toilette, und der Landrath war glücklich, denn er
nannte dieses schöne Weib sein eigen. Der heurige Bürgcr-
ball war glänzender und reicher als irgend einer seiner Vor-
gänger. Ein herrlicher und strahlender Damenkranz wogte in
dem prächtig erleuchteten Saale auf und nieder und versetzte
die anwesende Männerwelt in stummes bewunderndes Entzücken.

Der Landrath tanzte nicht mehr, — cr hielt es für an-
gemessen, diese Rolle jüngern Männern, als er war, zu über-
lassen. Es währte nicht lange, so nahten junge Männer und
baten die Frau Landräthin um ein Tänzchen. Sie warf einen
fragenden Blick aus ihren Gatten und dieser nickte bejahend.
Mittlerweile hatte sich der Landrath an eine Säule gelehnt
und blickte auf die bunte Menge, die gleich MccreSwellcn vor
seinen Augen ans und abwogte. Und an der zunächst stehenden
Säule stand ebenfalls ein großer stattlicher Mann und schaute
vor sich hin auf die tanzenden Paare, wie sic vorbciflogen in
wirbelnden Kreisen.

ES währte nicht lange, so zog dieser eine hell blinkende

Dose mit reichem Email hervor, öffnete sie bedächtig, nahm
eine Prise und ließ dann spielend den Nasenkrautbchältcr
langsam aus einer Hand in die andere gleiten, indcß seine
Blicke fortsuhren, sich au der bunten Scene vor ihm zu weiden.

Da wandte sich der Landrath zufällig nach der Seite des
Nachbars und als sein Blick auf die Dose in dessen Hand
fiel, da malten sich Erstaunen und Verwunderung in seinen
Blicken. In diesem Augenblicke erklangen die letzten Akkorde des
Galopps vom Orchester und die Landräthin kehrte an der
Seite ihres Tänzers zu ihrem Gemahl zurück. Der Erstere
verbeugte sich und verschwand in der Menge. Da lenkte der
Landrath die Aufmerksamkeit seiner Gattin auf die Dose in
des Fremden Hand. Sie folgte der Richtung seiner Augen
und eine leichte Blässe flog wie eine Wolke über ihr in Folge
der Tanzcrrcgung hochgeröthetes Antlitz. Der Landrath, der
ein Unwohlsein auf Seite seiner Frau vermuthete, fragte sic
thcilnchmcnd, ob sie sich unwohl fühle; doch sie fuhr mit der
Hand über die Augen und meinte, cs werde wohl vorüber-
gehcn, sie fühle sich bereits besser. Der Fremde, der zum
Theil wohl bemerkt haben mochte, welche Aufmerksamkeit seine
Dose bei dem Nachbar errege, schrieb sic dem Umstande zu,
daß vielleicht der Letztere ein Schnupfer sei, etwa die eigene
Dose vergessen habe, und sich nach einer erquickenden Prise
sehne. Ein solches sympathisches Gefühl wußte cr, da er selbst
von Hause aus Schnupfer war, gehörig zu würdigen. Er trat
daher an unfern Landrath heran und bot ihm mit den Wor-
ten: „Ist es vielleicht gefällig?" eine Prise. Der Landrath
entsprach der Aufforderung, indcß seine Blicke mehr als vor-
her auf die ominöse Dose stierten; doch diese Spannung währte
nicht lange, sic schien vorbei, als cr au den Unbekannten die
folgenden Worte richtete: „Mein Herr, die Tabaticre, die

Sic da in der Hand haben, gehörte noch vor Kurzem mir,
und ich bin fest überzeugt, daß es dieselbe ist, die ich seit
einigen Wochen vermisse und fruchtlos überall gesucht habe.
Sic müssen mir Rechenschaft ablegen, auf welche Art Sie in j
den Besitz dieser Dose gekommen sind."

Bei diesen Worten des Landraths spielte um den Mund |
des Unbekannten, der übrigens ganz ruhig blieb, ein eigen- !
thümlichcr ironischer Zug. „Hier ist", so sprach cr, „weder
Zeit noch Ort, die fragliche Angelegenheit in Ordnung zu
bringen, doch daß ich ein unbestrittenes Recht aus die Dose
habe, darauf können Sic sich verlassen, sonst würde ich sic an
einem öffentlichen Orte, wie dieser ist, nicht so offen zur
Schau tragen, — wollen Sie mich übrigens dieser Tage'mit
Ihrem Besuche beehren, so erbiete ich mich, das Gesagte zu
beweisen." Und mit diesen Worten händigte er dem Lanbrath !
seine Karte ein, während sein Blick für einen Augenblick
stechend aus der Frau Landräthin ruhte, welche bleich und
zitternd sich an ihren Gatten schmiegte und denselben zu be-
schwichtigen suchte. Bald war der Unbekannte in der hin- und
. her wogenden Menschenmenge verschwunden. Der Landrath
blickte aus die Karte in seiner Hand und las:

„Moritz Sparingcr,. Pfandvcrlcihcr, Neugasse Nr. 100,
im 3. Stock, Thür Nr. >4."
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