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Herrn Grass Rh

frihcrcn Bolizeimasregeln. Sbätcr aber bat sich der gansc
Orden von wegen Mangel an Beschäftigung aufgelöst.

Sehr wunderbar sind in Wilhclmshöhc die Wasserkinst-
lichkeitcn, welche in alle mögliche Forminazionen überall ver-
theilt sind und durch Bumbwerke in Bewegen gesetzt werden.
Vor die große Fondäne bleiben Einen bei einer solchen schwin-
delhaftigcn Höhe aus Erstaunlichkcit Augen, Mund und Nase
weit ausstehen, weshalb cs immer auch angcrathcn wird, daß
man sich als Zuschauer auf eine Seite stelle, von woher der
Wind kommt. Eben so heftig wird man durch die kohloffalcn
Wasscrfcllc überrascht. Das ganSc Wasser versammelt sich
zuletzt unten an das Schloß in einem großen Deich, wo cs
aber schon durch den hcisigtcn Gebrauch sehr schmutzig gewor-
den ist, weßhalb man auch den Deich lieber mit die franzö-
sische Sprache als Lack bezeichnet.

Vor alte Zeiten haben sich sogar auch Chinesen hier auf
die Wilhelmohöhe aufgchalten, aber gar nicht lange Zeit. Es
klingt dieses zwar ganz unglaublicht, allein es hat mir ein
Mann die Geschickte haarklcinlich auseinander gesetzt. Es muß
nämlich einmal vor viele Jahre in China auch recht schlecht
und mühschrawel hcrgcgangen sein, denn an einen schönen
Morgen schrieben viele Chinesen Briefe nach Hessen und frag-
ten an, ob sic sich dürften vielleicht nach jene Gegend wenden und
in Wilhelmshöhe ihren Wohnsitz aufschlagen. Sic erhielten
die hohe obrigkcitlichtc Erlaubniß auch dazu und nun dauerte
eS nicht lange, so kamen sie wirklich an und ließen sich mit
hohe Verwilligung nieder, wozu sic sich das sogenannte chine-
sische Dörfchen ausgcbaut hatten. Nun wird man aber gewiß
fragen: warum daß denn tiefe Chinesen eichcntlich ihr Vater-
land den Ricken gekehrt hatten und ausgewandcrt waren, wel-
ches doch sonst in die dortige Gegend gar nicht Mode ist.
Aber dieses hatte seinen guten Grund, denn es war in China
auf einmal ein Gesetz erschienen: daß sich jeder Chinese sollte
seinen Zopf absckncitcn. Dieses war Vielen aber doch ein
Bischen gar zu arg, weil sie alle mit die größte Liebe an ihre
Zöbfe sich hängen und seit Jugendzeit anhalten thaten. Nun
hatten aber die Chineser erfahre», daß man sich durfte in
Hessen den Zobf so lang wachsen lassen, als wie man es
! wollte, weshalb sie beschlossen, alle dorthin auszuwandern, doch

eiurc isetagebuch.

zuerst blos eine kleine Debutazion hinzuschickcn, welche den
Aufenthalt in Augenschein nehmen sollte. Diese Debutazion
wendete sich also wie gesagt nach Wilhclmshöhc, wo sic sich
häuslich, oder vielmehr hüttlich nicdcrlasscn thate, denn ihre
beschränkten Hilfsmittel erlaubten ihnen nicht, daß sic sich
große Balästcr bauen konnten. Aber diese armen Chineser be-
reuten ihren -Endschluß sehr bald, denn sie merkten schon nach
kurze Zeit, daß man sich zwar dürfte in Hessen die Zöbfe so
lang wachsen lassen, als wie man wollte, und wenn es an
zwanzig Ellen wären, aber dafür war das Uebrigte doch wie-
der viel besser in China gewesen, woran sic nun nur noch
mit Thränen denken konnten. Nach wenige Wochen beschlossen
sic sich darum, auch dieses für sie neue Vaterland wieder zu
verlassen und sich mit andere eingcbornc Rciscliebhabcr eine
neue Heimath in Amerika zu suchen.

Seit jener Zeit sind auch keine Chinesen nicht wieder
nach Kassel oder Wilhclmshöhc ciugcwandert und das chine-
sische Dörfchen wird von dem Zeitenzahn bald gans ausgc-
zehrt sein.

Auf einen sehr hohen Berg in dem Hintergründe der
Wilhelmshöhe erblickt mau ein von Wind und Wetter er-
grautes Gcbcidc, welches keinen Zweck nicht weiter hat, als
daß cs blos zeigt, bis zu welchem Grade von Anstrengung es
die menschlichte Kraft zum Verguigen von andere Leute brin-
gen kann, wenn cs sein muß. Mit unaussprechbarer Mih-
scligkcit ist man blos im Stande, diese steilen Berghöhcn hinan
zu glimmen, wobei man immer von seine eichenen Schwciscs-
wellcn umsbielt wird, welches gans an ein russisches Dambf-
bad erinnert. Aber nun braucht man cs sick blos zu bedenken,
wie in frühere Zeiten bei Erbauung dieses Wunderwerkes erst
muß damals das ganse Land geschwitzt haben, ehe sic diese
Riesenarbeit in den Stand bringen konnten! Bei solche ge-
schichtliche Erinnerungen leist cs Einen gans kalt über den
Ricken hinab, so daß man also auch selbst beim größten
Schweiße sich wieder ein Abkihlungsmittcl ohne besondere Un-
kosten weiter verschaffen kann.

Wenn man mehrere tausend Fiße hoch sich immer an den
Wasscrgaskadcn hat in die Höhe gearbeitet, so erreicht man
aus die Bcrgspitze das sogenannte Oktijohn, ein sehr großes
Gebcide, welches blos dazu dient, daß cs von unten aus ge-
sehen einen angenehmen dramatischen Hintergrund bildet, denn
cs wohnt außer einige Krähen, Eilen und Sbcrlinge kein le-
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Herrn Grafs Rheinreisetagebuch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Polizeiverordnung
Fremdbild
Statue
Polizeibeamter
Zopf
Löwe <Motiv>
Landesherr
Flucht
Karikatur
Ritter <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Kassel-Wilhelmshöhe / Schloss <Motiv>
Chinesen <Motiv>
Thema/Bildinhalt (normiert)
Erhängter <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 33.1860, Nr. 794, S. 94

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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