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Herrn Grass Rheinreisetagebuch.

Erst sbäter erfuhren wir die Aufklärung, daß die zwei
rotheu Herrens blos die römischen Bortigchs waren und daß
wir also sie verkannt hatten, wie wir sie als englische Abge-
sandte hielten. Als Rath von Frankfurt würde ich aber auch
zu diese Anstellung kinftig nur Leite mit gans fuchsfeierrothen
Haaren nehmen, damit die Siametrie in das Ganse nicht ge-
stört wird. Es ist auch schon besser in bolitischcr Hinsicht, denn
wenn der Eine schwarze und der Andere Iveiße Haare trägt,
so kann man dieses als eine Hinneigung zu die preißischen
Landesfarben auslegen.

Daß man nach so große körperlichte und geistliche An-
strengung auch sich nach Nahrungsmittel und Getränken sehnt,
dieses wird jeder Mensch voll Mitgefihl emfinden. Wir eilten
deshalb auch mit Sehnsucht nach der Tafeltod, die uns in
unser Hohtcll Landsberg erwarten that. Man muß es aber
freilich den Herrn Frankfurtern lassen, daß sic durch ihre Kvch-
kinstlichkeit alle Leiden und Entbehrungen dieses Lebens über-
winden, denn der Magen lvird hier nicht stiesmitterlich be-
handelt, sondern aber als eine Hanbtbersohn des menschlichten
Körpers betrachtet, welches auch gans in der Ordnung ist.

Es ist aber nicht blos allein die zubereitetc Schmackhaf-
tigkeit der Sbeisen, sondern auch durch die gans ungläubige
Flinkigkeit wird man in Erstaunen gesetzt, womit hier ein
baar hundert Gäste auf einmal zugleich ihre Befriedigung des
Magens und Durstes erhalten. Man muß immer glauben,
daß die Herren Kellner fliegen können, wenn man sie in ihre
Geschäftlichkeit sieht. Manche davon leisten aber auch Sachen,
welche Niemand glauben kann, obgleich sie mir ein gans acht-
barer Herr bei Tisch erzählt hat. Tie erste Uebung als Kellner
ist nämlich, daß Einer muß mit einem Teller voll Suppe über
eine Tafel sbringen können, ohne daß er ein Trebfchen ver-
gießt. Dann muß Einer es verstehen, von den dritten Stock-
werkfenster herab bis unten in den Hof ein Gläschen Wein
einzugießen und nichts dabei zu verschitten oder so ein Kellner
muß auch können mit verbundenen Augen ans den Köbfe zu
stehen und dann noch dabei einen Braten zu drangschiren. Welches
Alles für einen Frankfurter Kellner blos Kleinigkeiten sind

und dennoch Jeden, der so etwas noch nicht gesehen hat, in
die erstaunlichste Stimmung versetzt.

Nach das Vorbild von andere große Städte hat man
auch in Frankfurt einen zoalogischen Garten oder auf deutsch
eine sogenannte Gartenmenaschirie angelegt, wo man die sel-
tensten Ecksembclare aus das Thierreich sammelt und welches
für den Zuschauer nicht blos etwas Belecrendcs sondern auch
Erquickliches enthält, tveil man hier kann mitten zwischen die
rohen Bestigcn in Ruhe ein gutes Glas Bier und Wein trinken.
Auch sagt man, daß die Herren Besitzer bei ihre Stiftungs-
feste sich allemal lassen einen Löwen oder Diger braten, wo-
davon ich aber doch dankbar sein müßte, da zugleich auch die
Natur von das genossene wilde Fleisch in den Körper soll
übergehen.

Am meisten Aufmerksamkeit verwendeten wir ans ein
Thier, welches hier in Frankfurt ohne jede Baßkarte oder
andere Legedimazion angekommen ist, tveshalb man auch gar
nicht weiß, tvie man es richtig nennen soll. Das Gesicht hat
sehr viel Familichenähnlichkeit mit einen Ochse», während der
Unterleib an den Ziegenbock erinnert; von hinten aber kann
es Jeder für einen Schimmel halten. ES ist dieses wie gesagt
ein naturgeschichtliches Räthsel und soll das Ganse gewöhnlich
als Roßschweif ans den Suldan seinen Tirkenturwahne be-
nutzt werden.

Ans einer andern gänslich unbekannten Wcltgcgcnd sind
auch Katzen ohne Schwänze da. Man scheint sich dort diese
Thiergattung zum Englisiren einzurichten und vielleicht zum
Reiten benutzen zu wollen. Neben das Gcfligel an Hihner
und Tauben, welche wahrscheinlich dem Herrn Gastwirth und
zur Sbcisekarte gehören, weil sic mehr Abeditliches als Natur-
geschichtliches an sich haben, giebt es auch sehr viele wilde
Raubvögel, tvie Eilen, Adler, Lämmergeier, Bleidegeier und
s. w., die man so in das gewöhnliche Leben gar nicht zu
sehen bekommt.

Ter Aufenthalt zwischen diesen wilden Bestichen ist sehr
angenehm, am Angenehmsten aber in die meiste Gegenden
blos bei Schnubfen, weshalb viele Leite auch besonders in die
nasse Jahreszeit sich hier aboniren. Der Herr an der Kasse
fragte uns sogar, ob wir nicht wollten als Mitglieder in
den zoalogischen Garten ausgenommen sein, welches mir
aber doch eine rechte Grobheit schien, ivarum ich ihn fragte,
ob er denn hier auch etwa als eine Naturerscheinung oder
Bestiche sitzen thätc. Da lächelte aber der Herr gans un-
gcbändigt, und sagte, daß die Herrn Frankfurter mehr-
stentheils Mitglieder von der Menaschirie wären, welches
; Vorrecht man sich durch eine Akzie kaufen könnte. Nun
! verstand ich ihn freilich erst deitlicher, tveil aber als Di-
fidende blos die hier gebornen Jungen, als tvie junge
Löwen, Hiänen, Schlangen, Bären u. s.w. vcrtheilt werden,
so bedankte ich mich für diese ranbthierische Sbekulaziou.

Wenn man sich vorne von die Babegeier und Kacka-
dnse links wieder hinein nach der Stadt wendet, so erreicht
man in kurzer Zeit die Eschenheimer Gasse, auf welcher
der Blick von gans Deutschland beruht, tveil sich hier der
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Herrn Grafs Rheinreisetagebuch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Arbeitstempo
Geschicklichkeit
Karikatur
Kellner
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Tischgesellschaft <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 33.1860, Nr. 800, S. 138
 
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