Die Macht der Musik. 37
Neuestes Nachtstück vcn Eugen Sue.
Wir blicken in eine Dachkammer; ein Kreuzcrlicht flackert
ängstlich auf einem alterthumsmuftumreifen Tische; cs schämt
sich, besser zu brennen, denn es ist noch nicht bezahlt . . .
Am Tische, das hohle Haupt in die Hand gestützt, sitzt
in düsterem Schweigen ein Mann; ihm gegenüber schweigt
noch düsterer ein Weib — ein schweigendes Weib! — Leser,
hast Du das schon erlebt? und Du zitterst nicht vor dem Ent-
setzlichen , das da seinen Schreckensthron ausgeschlagen! —
Nein, das hast Du noch nicht erlebt, sonst lebtest Du selbst
nicht mehr! — Ein schweigendes Weib! Das erträgt kein
Staubgcborcncr . . .
Neben einem tobten Sessel liegt eine kranke Geige auf
dem Bode».
Plötzlich.fährt der Mann wild empor; dabei bricht sei»
Schweigen in der Mitte wurz ab und er murmelt dumpf:
„Weib!"
DaS Weib schweigt noch.
„Du Weib, hörst!"
Das Weib schweigt nocher.
Er schmettert die Faust aus den Tisch: „Weib, in Di-
norah's Namen, hörst's Du?!"
Da wirft sic einen schmerzlichen Blick über ten Tstch
hinüber aus den Mann Und fragt: „Was gibt's?"
Seine Brust hebt sich krampfhaft — etwas Ungeheures
will sich von seinen Lippen wälzen — er stöhnt dumpf:
„Weib, ich Hab' einen Eselshunger!"
„So iß was!" — „Ja, hast was?" — „Ich nicht,
sonst hätt' ich's selber gegessen." — „Gar nichts nicht?" —
„Doch, secks rohe Eier." — „Gut, her damit!"
Er springt auf, holt die Eier aus der einzigen Schub-
lade, nimmt das einzige Kochgeschirr und schlägt sie alle hin-
ein; „so, jetzt mach' mir eingerührte Eier!"
„Ja, mit was? Ich Hab' kein Schmalz, oder soll ich
Dein letztes Stück Colofonium dazu nehmen? Iß sie roh,
das ist gut für die Stimme."
„Gans! bin ick ein Iltis?"
„So mach' was Du willst!" und sie beginnt wieder
nachdrücklich zu schweigen.
Wie der Mann sic wieder schweigen hört, packt ihn eine
grenzenlose Wuth; er springt rasend empor, packt — die
Geige und beginnt zu fantasircn; die Raserei unbändiger Lei-
denschaft strömt in glühenden Bächen von den Saiten, bis die
Ermattung linderndes Del auf die Wogen gießt und im
schmelzenden Adagio seine Seele ausathmet in sanft getrösteter
Ohnmacht —
Er endet — Alles schweigt — das Weib schweigt am
nochstcn.
Er erwacht aus seiner Verzückung — ermattet legt er
die Geige auf de» Tisch; sein Blick fällt auf das Geschirr
— da war ciü Wunder geschehen — die Eier waren gerührt
worden durch sei» herrliches Spiel — die Speise war fertig.
Neuestes Nachtstück vcn Eugen Sue.
Wir blicken in eine Dachkammer; ein Kreuzcrlicht flackert
ängstlich auf einem alterthumsmuftumreifen Tische; cs schämt
sich, besser zu brennen, denn es ist noch nicht bezahlt . . .
Am Tische, das hohle Haupt in die Hand gestützt, sitzt
in düsterem Schweigen ein Mann; ihm gegenüber schweigt
noch düsterer ein Weib — ein schweigendes Weib! — Leser,
hast Du das schon erlebt? und Du zitterst nicht vor dem Ent-
setzlichen , das da seinen Schreckensthron ausgeschlagen! —
Nein, das hast Du noch nicht erlebt, sonst lebtest Du selbst
nicht mehr! — Ein schweigendes Weib! Das erträgt kein
Staubgcborcncr . . .
Neben einem tobten Sessel liegt eine kranke Geige auf
dem Bode».
Plötzlich.fährt der Mann wild empor; dabei bricht sei»
Schweigen in der Mitte wurz ab und er murmelt dumpf:
„Weib!"
DaS Weib schweigt noch.
„Du Weib, hörst!"
Das Weib schweigt nocher.
Er schmettert die Faust aus den Tisch: „Weib, in Di-
norah's Namen, hörst's Du?!"
Da wirft sic einen schmerzlichen Blick über ten Tstch
hinüber aus den Mann Und fragt: „Was gibt's?"
Seine Brust hebt sich krampfhaft — etwas Ungeheures
will sich von seinen Lippen wälzen — er stöhnt dumpf:
„Weib, ich Hab' einen Eselshunger!"
„So iß was!" — „Ja, hast was?" — „Ich nicht,
sonst hätt' ich's selber gegessen." — „Gar nichts nicht?" —
„Doch, secks rohe Eier." — „Gut, her damit!"
Er springt auf, holt die Eier aus der einzigen Schub-
lade, nimmt das einzige Kochgeschirr und schlägt sie alle hin-
ein; „so, jetzt mach' mir eingerührte Eier!"
„Ja, mit was? Ich Hab' kein Schmalz, oder soll ich
Dein letztes Stück Colofonium dazu nehmen? Iß sie roh,
das ist gut für die Stimme."
„Gans! bin ick ein Iltis?"
„So mach' was Du willst!" und sie beginnt wieder
nachdrücklich zu schweigen.
Wie der Mann sic wieder schweigen hört, packt ihn eine
grenzenlose Wuth; er springt rasend empor, packt — die
Geige und beginnt zu fantasircn; die Raserei unbändiger Lei-
denschaft strömt in glühenden Bächen von den Saiten, bis die
Ermattung linderndes Del auf die Wogen gießt und im
schmelzenden Adagio seine Seele ausathmet in sanft getrösteter
Ohnmacht —
Er endet — Alles schweigt — das Weib schweigt am
nochstcn.
Er erwacht aus seiner Verzückung — ermattet legt er
die Geige auf de» Tisch; sein Blick fällt auf das Geschirr
— da war ciü Wunder geschehen — die Eier waren gerührt
worden durch sei» herrliches Spiel — die Speise war fertig.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Macht der Musik"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 33.1860, Nr. 787, S. 37
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg