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ThürmerS Töchterlein.

aussGefimS kömmt; o heiliger Onuphri! Und gestern hat er mir
gar einen Kuß zug'worfen — bei dem geh' in d'Lehr, du abscheu-
licher Gesell mit deinen glänzenden Augen und deinem 'krausten
Haar, deinem schwarzen! Geh nur zu, ich brauch dich nicht!"
Flüchtig sah fie nach der Ecke, um welche Heinrich eben bog —
die Wangen deS Mädchens waren dabei wie im Blitz aufgeglüht.—

»Und nicht einmal um schaut er!" sagte ste hvldzornig,
»jetzt schaut mir nur den bissigen, groben Bub'n an!" Rasch
wandte fie sich.

DaS Alles geschah an St. Onuphri Haus, nächst dem
Raththurm zu München im Wonnemonat, da man zählte 1632,
und eS im deutschen Reich grausam drunter und drüber ging ob
verschiedener Meinung und wohl auch irdischem Gewinn.

Darüber hätten fie aber wohl nicht gestritten, ob es weit
und breit eine schönere Jungfrau gäbe, als Hinneriz, des Thür-
merS zu St. Peter, Töchterlein, Elsbeth, die Morgens mit
Erbsen, Bohnen, Blumen und so niehr, unter St. Onuphri
gelobter Gestalt zu Markt saß. Der konnte Keiner was nach-
sagen, aber angeschaut hätte fie Jeder gerne stundenlang, denn
die Rosenflur ihrer Wangen und der Schalk in. den kastanien-
braunen Augen erlustigten alt' und junge Herzen, und wenn
fie muthwillig die Bohnen und Erbsen oder Blumen schalt, falls
lange keine Hausftau oder Dirne zu Kauf und Verschleiß kam,
so hätt Einer auch seine Lebzeit keine schönere Melodie verlangt,
als den Schmelz ihrer Stimme. Deßhalb gingen die RathS-
herren gern an Elsbeth vorüber, blieben auch gelegentlich wie
im Streit begriffen stehen, um hinüber zu blinzen, der Zeit der
Muthigste fich ein Maibüschlein oder eine Rose kaufte. Aber
auch die andern Bürger und Herren hatten offene Augen, und
machte fich gar Mancher weiß, es sei der nächste Weg zum
Sendlinger Thor, wenn er thalwärts an St. Onuphrius vor-
beischritt — mußt' er dann gleichwohl um die halbe Stadt
gehen, um an sein Ziel zu gelangen.

Die Verliebtesten waren fteilich der Kreuzer Heinrich —
und der ältere, ihr sonst unbekannte Herr am Raththurmfenster.
Aber was die Bescheidenheit des Letzter« betraf, war Elsbeth
im Jrrthum, denn da lag was ganz Anderes zu Grund. Eines
inneren Rathes Akmario, Herrn Hieronimo Wurzel stand nem-
lich ein entsetzliches LiebeShinderniß im Wege, und dies war
kein anderes, als die Donnerwetter gebärende Ehe mit der Frau
Sibille, durch die er sein Amt erworben, und leichter hätte er
unternonimen, etwelche Lindwürmer zu bekämpfen, als vor seine
Ehehälfte zu tteten mit schuldbeladenem Gewissen.

Doch gerade an diesem Tage war seine Geduld zu Ende.

; Denn Elsbeth hatte gar zu fteundlich heraufgelächelt, seine Frau
j ihm hingegen verboten, künftig mehr in die Bürgertrinkstube am
' Fischbrunnen zu gehen, wo er fich in letzter Zeit durch seinen
Geifer gegen Gustav Adolph als einen äußerst muthigen Mann
| erwiesen hatte, wenn er auch zu Hause unter dem Pantoffel
seufzte. Eben war Heinrich von Elsbeth geschieden, als Herr
! Hieronimus vom Schreibtisch auffprang und die Feder hin-
! schleuderte. Lange konnte er keine Worte finden, so grpße
Wuch hatte ihn ergriffen; dafür ttvmmelte er aber auf dem

Tische, dann auf dem nächststehenden Kasten herum, fuhr fich
in die Haare und schlug fich mehrmals heftig vor die Stirne.
Endlich brach das Gewitter loS.

„Ha," rief er, »mir das, der ich meinem Verstand gemäß
Bürgermeister sein soll, der ich weit bessere Reime mache, als
Hans Sachs, der ich dem Gustavus mehr schade, als die ganze
kaiserliche Armee?! Ich nicht mehr in die Trinkstube gehen?
Ha nimmermehr!" Dabei machte er einen Satz linkSum, daß
er einen ganzen Stoß Akten zu Boden warf. Jetzt gerieth
Herr Hieronimus erst recht in Wuth. „Was?!" rief er, „Ihr
wollt mich auch noch ärgern —* zugleich packte er einen Akt
nach dem andern und warf ihn wieder hin, daß es knallte und
schallte — „ihr verdammten Kopfverdreher von grauem Papier
mit Euerem GripS Graps, daß Einem das Aug»licht vergeht!
Ihr seid schuld, für Euch bin ich um meine goldene Freiheit
gekommen! Ihr kommt mir gerade recht, Ihr Teufel! —" mit
beiden Füße» sprang er auf die unschuldigen Akten und trat
aus Leibeskräften darauf herum — „jetzt gerade geh ich recht
ftüh in die Trinkstub' und halt eine Red' und werfe Reimlein
auS, jetzt gerade fang' ich mit der Maid da unteir an, weil'S
dich ärgert, du Hauskreuz, du — du Eheteufel — ein Tyrann will
ich sein, ein Barbar— wart, du sollst mich kennen lernen!—"

ES läutete Mittag. Herr Hieronimus hielt ein.

„Was —? Mittag ist's?" rief er — schnell schichtete er
die Akten auf — „nun daS gäb' wieder einen Lärmen, wenn
ich zu spät käm'!" Hinaus flog er.

2.

Wer aber doch Wort hielt, das war Herr Hieronimus
Wurzel. Gewalttg spektakulirte er Abends, und da die rechte
Zeit gekommen war, stieg er auf einen Tisch, daselbst er eine
heftige Rede gegen Gustav Adolph hielt. Der Beifall erhitzte
ihn immer mehr, bis er zuletzt herausfuhr:

„Also ist's und nicht anders! An uns soll der schwedische
Haifisch sein Lorbeerreis nicht vermehren! Nichts ist sein Sieg,
als ein aufgeblasenes Meer, dem der Steuermann nicht zu viel
Wauen mag, fintemalen ihm leicht der Sturm ein großes Loch
in sein Schiff reißt. Der Tilly ist todt? Ja todt ist er, aber
von Ingolstadt ist abgezogen der Herr Gustavus, und alle Zeit
ist er verloren, so männiglich drein haut und sticht und keinerlei
Quartier gibt, bis den Hunden von Finnen und Lappen der
Schreck in die Knochen fährt, als säß ihnen der leibhaftige
Teufel im Nacken! Wart, was du für Augen mackst, du Sekti-
rer, du Länderüberrumpler, du Heidenkönig, du Gelblederkönig
mit deiner schmutzigen Montur! Wart nur, wann die zwölf
Apostel zu pfeifen anfangen, das metallene Schwein im schwe-
dischen Blut bad't und der Huißa mit den Kettenkugeln scherzt!
Aber da wirst machen, daß 'd heimgehst! Da schau her, wirst
sagen, die haben das rechte Zeug bei der Hand, da mag ich nichts
mehr wissen, zuletzt kämen ste mir gar noch über's Wasser in'S
Schwedische 'nüber und verbrennten mir mein'Stadt! Gelt, das
Magdeburg brennt dir vor den Augen und das Merseburg haben
wir dir weggeschnappt; ha, ha, ha, fahr zu, Glück aus die Reis;
hast 'n Landarzt, daß er dir die blauen Fleck verweibt?!"
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