50 DeS Spielman
als ob er, seinem Gange nach zu urtheilen, den Bauern Lektio-
nen geben wollte im Laufgräben-Ziehen. Alles kam ihm heute
so gar verkehrt und verdreht vor, daß er sich gar nicht zurecht
finden konnte, und dachte, daß ihm unser lieber Herrgott dies-
mal gewiß einen Posien spielen wolle, weil er seine Sternlein
gar so unruhig an der Himmelsdecke hin und herflattern und
fackeln ließ, und dort — nun, nun! — dort waren gar zwei
Monde! — zwei auf einmal, das mußte sicherlich nicht mit
rechten Dingen zugehen!
Auf solche Weise hatte der Fiedler die Erle erreicht, wo
der Moorgrund anfängt, und sich eine ganze Stunde lang hin-
über erstreckt bis nach Föhrenbach, und war blos ein einzigmal
auf dem Wege bis hieher gefalle», aber ganz gemächlich wieder
aufgestanden, um kein Glied am Leibe zu verrenken. Mühsam
ließ er seine schlaftrunkenen Augen über die weite Fläche hinweg-
glciten, blieb aber wie angebannt stehen, als er auf einmal, ganz
nahe in dem Gestände linker Hand hin ein großes Feuer erblickte,
umgeben von einer Menge Männer und Weiber, die da jubelten
und tanzten, sangen und sprangen, daß es eine Freude war.
„Glück auf!" jubelte Krispin, „da gibt's für dich einen
guten Trunk. Haft einen ganz heidenmäßigen Durst, und Durst
und Meister Krispin, der Fiedler von Weiher, sind nicht ertra
gute Kameraden; mag einer den andern nicht." Eilig nahm er
Stock und Schnappsack und wanderte über den feuchten, schwamm-
artig unter seinen schweren Tritten nachgebenden Moorgrund,
um Augenschein von dem nächtlichen Treiben der tollen Ge-
sellen zu nehme». Die führten nun freilich ein Leben wie im
Himmel, und speisten und zechten, daß es eine Luft und Freude
war, ihnen nur zuzuschauen; aber was tranken sie, etwa Bier
oder Fusel? — Prosit die Mahlzeit nein! Rheinwein, Bur-
gunder, Malaga, Champagner und andere edle Weine aus aller
Herren Landen, stoffen schäumend in die funkelnden Becher; da-
neben prangten auf reichgedeckter Tafel in goldenen Schüffeln
Fasanen, Gänse, Kapaunen, Torten, Bratwürste und sonstige
kostbare Speisen, die der staunende Krispin gar nicht zu be-
namsen wußte. Lustige Dirnen in leichten seidenen fast durch-
sichtigen Nöcklein, mit langen, fliegenden Haaren, hüpften lachend
und muthwillig um das Feuer, oder tanzten mit jungen Bürsch-
lein, die aussahen wie Milch und Blut, indeffen andere in gro-
ßen Kannen alten runzeligen Knaben mit stlbergrauen Haaren
den Wein kredenzten. Unter diesen Zechern zeichnete sich be-
sonders einer aus, der um einen ganzen Kopf länger war als
die andern, und ein grünes Hütlein mit einer nach hinten zu ge-
bogenen Hahnenfeder aushatte. Er lächelte überaus freund-
lich und ermunterte die lustigen Tänzer und Zecher zu noch tol-
lerer Lustigkeit; allem Anscheine nach mochte er der Herr der
Gesellschaft sein, oder doch der Höchste darunter.
Sonderbar, daß sie keine Musik haben, dachte der Fiedler,
nachdem er dem tollen Treiben eine Weile zugeschaut hatte —
trat ganz nahe unter die Gesellschaft und sprach : „ Gut Freund
allhie! seh ich da eine lustige Gesellschaft und keine Spielleute
dabei, das muß einen Spielmann ärgern bis in sein blutiges
Herz hinein! — Nichts für ungut und mit Verlaub!" Mit
ns Heimkehr.
diesen Worten zog er seine Geige heraus und fiedelte zur Probe
von seiner Geschicklichkeit die Melodie:
O du lieber Augustin,
'S Geld ist hin, 's Mädl ist hin,
Alles ist hin!
und heißa juhei! wie tanzten und flogen, hüpften und drehten
sich da die Gesellen mit ihren Dirnen, daß sie kaum den Boden
berührten und: „schneller!" riefs, „schneller, Fiedler, schneller!"
Da geigte der Spielmann, was gibst, was hast, daß ihm der
Schweiß über die Nasen tropfte und die Finger wehe thaten,
aber kein Pärchen wollte müde werden, Niemand schrie: aus-
gehalten ! Die Graubärte lachten, klatschten und lärmten ärger
als die Jungen, und der mit dem grünen Hütlein und der Fe-
der drauf ärger als alle, bis der Fiedler gänzlich ermattet Arme
und Geige sinken ließ.
„ Brav Spielmann, brav!" schrie Alles, und die Jungen
brachten ihm Wein von allen Farben, die Dirnen warfen ihn
mit Bratwürsten, Torten und Fasanenschenkeln, und zwickten
ihm schäckernd die Backen. Der Geiger aß und trank, jubelte
mit seinem Bierbaffe drein, daß Alles dröhnte, wobei er nicht
vergaß die lustigen Dirnen zu herzen und zu küffen, als ob er
sein Liesl im Arm hätte.
„Spiel auf!" hieß es wieder, und er spielte auf seiner
Cremoneserin der Reihe nach alle Melodien, die er im Kopf
hatte, taktfest daher, daß es eine Freude war ihm zuzuhören und
zuzuschauen, wie er den Takt mit dem Kopf nickte und mit
dem Fuß stampfte. Wir möchten unfern freundlichen Lesern
nicht wünschen, daß sie die grimmigen Weisen des unverdroffe-
nen Spielmannes mit angehört hätten; aber die lustigen Gesel-
len mit den muntern Dirnen kümmerten sich darob nicht, und
tanzten wie besessen um's Feuer und um den Fiedler herum,
schlugen Räder und Schnippchen, schnalzten mit Finger und
Zunge und pfiffen dazu, ohne müde zu werden. Wenn dann
der erschöpfte Musikant Arm und Geige sinken ließ, wurde er
wieder mit Speise und Trank geworfen und überschüttet, geküßt
und gedrückt, daß es ihm schier auf die Dauer nicht mehr recht
behagen wollte; denn er glaubte, sie sollten nun auch einmal
mit klingender Münze bezahlen, der guten Speisen und Ge-
tränke hätte er nun bald genug. Allein auch darauf sollte er
nicht lange mehr warten, denn als er wieder einen ewig langen
Walzer beendet hatte, flogen Gold- und Silbermünzen um ihn
herum und auf ihn, wie ein Mairegen, daß er nicht schnell
genug einsammeln konnte. Sein Ränzlein wurde bald so dick
und bauchigt, daß es die blinkenden Vögelein nicht mehr fassen
konnte; die Taschen waren auch bald gefüllt, die Tänzer aber
warfen noch immer mehr her, so daß er endlich voll freudiger
Verzweiflung ausrief: „Genug, meine Herren und Damen, mehr
als genug für einen armen Fiedler! Gottlob und Dank, daß
ich einmal zu etwas gekommen bin!" Kaum waren indeß
diese Worte gesprochen, so verschwand Knall und Fall Alt und
Jung, Wein und Braten, das Feuer sammt allem Andern, und
der Fiedler fand sich allein im Dunkeln. Er vernahm ein Rau-
schen, wie wenn der Herbstwind über Stoppelfelder streicht,
als ob er, seinem Gange nach zu urtheilen, den Bauern Lektio-
nen geben wollte im Laufgräben-Ziehen. Alles kam ihm heute
so gar verkehrt und verdreht vor, daß er sich gar nicht zurecht
finden konnte, und dachte, daß ihm unser lieber Herrgott dies-
mal gewiß einen Posien spielen wolle, weil er seine Sternlein
gar so unruhig an der Himmelsdecke hin und herflattern und
fackeln ließ, und dort — nun, nun! — dort waren gar zwei
Monde! — zwei auf einmal, das mußte sicherlich nicht mit
rechten Dingen zugehen!
Auf solche Weise hatte der Fiedler die Erle erreicht, wo
der Moorgrund anfängt, und sich eine ganze Stunde lang hin-
über erstreckt bis nach Föhrenbach, und war blos ein einzigmal
auf dem Wege bis hieher gefalle», aber ganz gemächlich wieder
aufgestanden, um kein Glied am Leibe zu verrenken. Mühsam
ließ er seine schlaftrunkenen Augen über die weite Fläche hinweg-
glciten, blieb aber wie angebannt stehen, als er auf einmal, ganz
nahe in dem Gestände linker Hand hin ein großes Feuer erblickte,
umgeben von einer Menge Männer und Weiber, die da jubelten
und tanzten, sangen und sprangen, daß es eine Freude war.
„Glück auf!" jubelte Krispin, „da gibt's für dich einen
guten Trunk. Haft einen ganz heidenmäßigen Durst, und Durst
und Meister Krispin, der Fiedler von Weiher, sind nicht ertra
gute Kameraden; mag einer den andern nicht." Eilig nahm er
Stock und Schnappsack und wanderte über den feuchten, schwamm-
artig unter seinen schweren Tritten nachgebenden Moorgrund,
um Augenschein von dem nächtlichen Treiben der tollen Ge-
sellen zu nehme». Die führten nun freilich ein Leben wie im
Himmel, und speisten und zechten, daß es eine Luft und Freude
war, ihnen nur zuzuschauen; aber was tranken sie, etwa Bier
oder Fusel? — Prosit die Mahlzeit nein! Rheinwein, Bur-
gunder, Malaga, Champagner und andere edle Weine aus aller
Herren Landen, stoffen schäumend in die funkelnden Becher; da-
neben prangten auf reichgedeckter Tafel in goldenen Schüffeln
Fasanen, Gänse, Kapaunen, Torten, Bratwürste und sonstige
kostbare Speisen, die der staunende Krispin gar nicht zu be-
namsen wußte. Lustige Dirnen in leichten seidenen fast durch-
sichtigen Nöcklein, mit langen, fliegenden Haaren, hüpften lachend
und muthwillig um das Feuer, oder tanzten mit jungen Bürsch-
lein, die aussahen wie Milch und Blut, indeffen andere in gro-
ßen Kannen alten runzeligen Knaben mit stlbergrauen Haaren
den Wein kredenzten. Unter diesen Zechern zeichnete sich be-
sonders einer aus, der um einen ganzen Kopf länger war als
die andern, und ein grünes Hütlein mit einer nach hinten zu ge-
bogenen Hahnenfeder aushatte. Er lächelte überaus freund-
lich und ermunterte die lustigen Tänzer und Zecher zu noch tol-
lerer Lustigkeit; allem Anscheine nach mochte er der Herr der
Gesellschaft sein, oder doch der Höchste darunter.
Sonderbar, daß sie keine Musik haben, dachte der Fiedler,
nachdem er dem tollen Treiben eine Weile zugeschaut hatte —
trat ganz nahe unter die Gesellschaft und sprach : „ Gut Freund
allhie! seh ich da eine lustige Gesellschaft und keine Spielleute
dabei, das muß einen Spielmann ärgern bis in sein blutiges
Herz hinein! — Nichts für ungut und mit Verlaub!" Mit
ns Heimkehr.
diesen Worten zog er seine Geige heraus und fiedelte zur Probe
von seiner Geschicklichkeit die Melodie:
O du lieber Augustin,
'S Geld ist hin, 's Mädl ist hin,
Alles ist hin!
und heißa juhei! wie tanzten und flogen, hüpften und drehten
sich da die Gesellen mit ihren Dirnen, daß sie kaum den Boden
berührten und: „schneller!" riefs, „schneller, Fiedler, schneller!"
Da geigte der Spielmann, was gibst, was hast, daß ihm der
Schweiß über die Nasen tropfte und die Finger wehe thaten,
aber kein Pärchen wollte müde werden, Niemand schrie: aus-
gehalten ! Die Graubärte lachten, klatschten und lärmten ärger
als die Jungen, und der mit dem grünen Hütlein und der Fe-
der drauf ärger als alle, bis der Fiedler gänzlich ermattet Arme
und Geige sinken ließ.
„ Brav Spielmann, brav!" schrie Alles, und die Jungen
brachten ihm Wein von allen Farben, die Dirnen warfen ihn
mit Bratwürsten, Torten und Fasanenschenkeln, und zwickten
ihm schäckernd die Backen. Der Geiger aß und trank, jubelte
mit seinem Bierbaffe drein, daß Alles dröhnte, wobei er nicht
vergaß die lustigen Dirnen zu herzen und zu küffen, als ob er
sein Liesl im Arm hätte.
„Spiel auf!" hieß es wieder, und er spielte auf seiner
Cremoneserin der Reihe nach alle Melodien, die er im Kopf
hatte, taktfest daher, daß es eine Freude war ihm zuzuhören und
zuzuschauen, wie er den Takt mit dem Kopf nickte und mit
dem Fuß stampfte. Wir möchten unfern freundlichen Lesern
nicht wünschen, daß sie die grimmigen Weisen des unverdroffe-
nen Spielmannes mit angehört hätten; aber die lustigen Gesel-
len mit den muntern Dirnen kümmerten sich darob nicht, und
tanzten wie besessen um's Feuer und um den Fiedler herum,
schlugen Räder und Schnippchen, schnalzten mit Finger und
Zunge und pfiffen dazu, ohne müde zu werden. Wenn dann
der erschöpfte Musikant Arm und Geige sinken ließ, wurde er
wieder mit Speise und Trank geworfen und überschüttet, geküßt
und gedrückt, daß es ihm schier auf die Dauer nicht mehr recht
behagen wollte; denn er glaubte, sie sollten nun auch einmal
mit klingender Münze bezahlen, der guten Speisen und Ge-
tränke hätte er nun bald genug. Allein auch darauf sollte er
nicht lange mehr warten, denn als er wieder einen ewig langen
Walzer beendet hatte, flogen Gold- und Silbermünzen um ihn
herum und auf ihn, wie ein Mairegen, daß er nicht schnell
genug einsammeln konnte. Sein Ränzlein wurde bald so dick
und bauchigt, daß es die blinkenden Vögelein nicht mehr fassen
konnte; die Taschen waren auch bald gefüllt, die Tänzer aber
warfen noch immer mehr her, so daß er endlich voll freudiger
Verzweiflung ausrief: „Genug, meine Herren und Damen, mehr
als genug für einen armen Fiedler! Gottlob und Dank, daß
ich einmal zu etwas gekommen bin!" Kaum waren indeß
diese Worte gesprochen, so verschwand Knall und Fall Alt und
Jung, Wein und Braten, das Feuer sammt allem Andern, und
der Fiedler fand sich allein im Dunkeln. Er vernahm ein Rau-
schen, wie wenn der Herbstwind über Stoppelfelder streicht,