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Fata Morgan« vom

Berliner, welche bisher von der Existenz derselben nicht die j
mindeste Ahnung zu haben schienen, steckten sich allmählig ihre
kleinen Bergkrpstallgläser in das Auge und forschten neugierig
in den sonnverbrannten bärtigen Gesichtern ihrer Tischgenoffen.
Einige absonderliche Phrasen, welche sie von Zeit zu Zeit in
das Gespräch warfen, bewirkten, daß die Unterhaltung allge-
meiner, und zuletzt natürlicher Weise lebhafter wurde. Sie
beschränkte sich am Ende blos auf erlebte Reiseabentheuer, an
welchen die Berliner überreich zu sein schienen. — Allgemein
bedauerte man den Verlust des sonst so prachtvollen Sonnen-
unterganges, so wie nicht minder, daß nicht gerade Vollmond
eingetreten war. Der Erste der fashionablen Reisenden rückte
mit einem Male unruhig auf seinem Stuhle und rief aus:
„Jottvoller Jedanke der mir befällt! det wäre man was für
unsere Jaskompagnie!" Auf die Frage wie so? meinte er:
„Seh'n se, det is man janz eenfach. Es bedarf nischt, als eene
eiserne Stange von 60 Fuß Höhe, unjefähr einen Fuß dick,
oben einen Arm herüber, so daß es beiläufig die Form hat,
wie een Jalgen. An das äußerste Ende dieser Querstange wird
eine Jlaskugel ohnjefähr 20 Fuß im Durchmesier aufjehängt,
und mit brennbarem Jase jesüllt. Auch bei dem dichtesten
Jebirgsnebel würde das die Stelle der Sonne am Tage, und
die des Mondes bei Nacht vertreten! Det würde eene Erleuch-
tung sind, wie sie nie in diese wilde Jebirge kommen wird! —
Na nu! was sagen Sie hiezu, meine Herren?" — Er ent-
warf sogleich auch die Zeichnung der ganzen Maschine, welche
zu Anfang unsers Berichtes abgebildet ist.

Nach verschiedenen Bemerkungen über die Anwendbarkeit
dieser Maschine wurde unter andern auch der Einwurf gemacht,
daß das Gaslicht nicht in die Schluchten und Thälcr zu dringen
vermöge; so z. B. das am Fuße des Berges gelegene Bad
nichts desto weniger im Dunkel bleiben würde. — „Ach Je!
Schweigen Sie man von Ihrem Bad. Da sind wir schön an-
jekommen. Wir jlobten eene jroße Jesellschafl zu treffen, und
zogen deßhalb im jrößten Eifer janz neue Handschuhe an, um
nicht wie Wilde aus dem Postwagen zu steigen — alleene,
denken Sie man, die janze Anwesenheit bestand aus eener Magd
und ihrem Adjunkten dem Hausknecht! Ne! det soll uns nich
wieder paffiren, daß wir in den wilden Jebirgsjegenden als
Civilisirte auftreten, da Niemand da ist, die Cioilisation anzu-
erkennen!" — „Na hören se," fiel der Zweite ein, „det is alles
noch nischt! Auf der letzten Poststation in W. jings uns noch
schlimmer. Denken se sich, wir wollten über Augsburg nach
Hause reisen. Wie wir fragen, wenn der Augsburger Wagen
abjehe — wat meenen se, daß man antwortete, he? — Nu der
Kondukteur sagt janz ruhig: „Det will ich ihnen janz jenau
sagen: Wenn er halt kommt! Aber det weeß ich nicht!" —
Was sagen Sie dazu? — Det is man doch zu stark! So was
kann nur bei so wilden Bergvölkern vorfallen, in dem jebildeten
Norden abersch nie nich!" — Die beiden bärtigen Reisenden
gähnten sehr unverholen, und da nichts ansteckender wirft als
das Gähnen, so empfahl man sich bald gegenseitig, angenehme
Ruhe wünschend, und die Reisenden schliefen in den weichen

Hohen-Peißenberg.

Betten des freundlichen Hospizes so angenehm und erquicklich,
wie mitten im Schooße der Cioilisation.

Sehr ftühe am andern Morgen wurden die Reisenden ge-
weckt, um den Sonnenaufgang, der sehr schön zu werden ver-
sprach, anzuschauen. Die tiefe Ruhe vor demselben wurde nur
unterbrochen durch den heiseren Schrei eines Vogels, in welchem
sogleich einer der Berliner das Alphuhn erkannte, welches wir
später auch wirklich zu Gesichte bekamen, und die auffallende
Aehnlichkcit mit unserm Haushahn (gallua gallinacaens Linn.)
bewunderten. Dasselbe schien in dem benachbarten Wirthshause
zu nisten.

Nachdem die beiden Nordländer eine Zeitlang stumm und
staunend das prachtvolle Schauspiel der ausgehenden Sonne an-
gesehen, wandte sich einer derselben zur übrigen Gesellschaft, mit
den Worten: „Uf Ehre meine Herren, jenau so wie die Scene
auf dem Rütli im Tcll, im Berliner Opernhaus. Schöneres
als det können se man nich sehen!" — Da Niemand einen
Zweifel dagegen äußerte, fuhr der Redner fort: „Allens is dort
so natürlich, daß nur die Jemsen fehlen, um Leben in die
Landschaft zu bringen. Na nu, wir haben ooch Jemsen gesehen,
det macht uns nich so leicht eener unserer Landsleute nach." —
„Sehen se man mal dort am Walde sind wieder Jemsen, ganz
ferne zwar, aber man kann sie zählen. Ich jlobe es sind sechs
Stücke." Höchst überrascht und neugierig suchten aller Blicke
die Jemsen, 'fanden aber mit den uncivilisirten Augen nichts
als die Kühe des Wirthes. Man wollte aber den entzückten
Berliner nicht aus seiner Täuschung reißen, zumal er bereits
in seinem Skizzenbuche die Gruppe zu zeichnen angefangen
hatte. Nach vollendeter Zeichnung schienen es freilich weder
Jemsen noch Kühe, aber in Berlin wird man es doch „jottvoll"
finden*). — Freund Zeichner war nicht sehr karg mit seinen

Skizzen, und wir erblickten auch das Conterfei einer Sennerin,
welche in weitbauschigen Inoxprssüdlss die Kühe molk. Dies
gab ihm Gelegenheit, sich eines Weiteren über die Sennerinnen
auszusprechen. „Det sind man janz verdeibelteJeschöpfe. Denken
se man, wat det is, so lange immer janz alleene und dazu so

•) Wir sind so glücklich, den verehrl. Lesern eine genaue Copie
dicse« Kunstwerks mittheilen zu können.
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Fata Morgana vom Hohen-Peißenberg"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Stier <Motiv>
Kuh <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 4.1846, Nr. 87, S. 114

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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