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Farbige Stereoskop-B ilder aus Wien.

Irene: „Ja, Papa, wir verstehen Dich, Du sollst au

uns gehorsame Töchter finden."

Schwindel (umarmt Euphemia und Irene): „O,

was seid Ihr für brave und verständige Mädchen!"

Justina: „Gehen wir gleich aus, Schwestern, damit

wir vielleicht fertige, einfache Kattunkleider finden, und sonst
noch den Kram dazu einkaufen."

Schwindel: „Auf Eines, Kinder, muß ich Euch noch
aufmerksam machen, auf Etwas, was im vorliegenden Falle
von großen: Effekte sein dürfte —"

Ernestine: „O sprich, Papa, wir sind ganz Ohr."

Schwindel: „Ihr müßt Euch Strickzeng anschaffen!

! Niemals darf sich Eine von Euch ohne Strickst rümpf
vor der Tante sehen lassen! Es gehört zur guten Erziehung nach
j den Begriffen der Zopfzeit, und steht, wie Ihr wohl wißt, in
! Beziehung zur Lebensgeschichte der guten Tante aus Schwaben."

Euphrosine: „Das ist richtig, Papa, aber —"

Irene: „Ja, sie hat recht, aber —"

Schwindel (auffahrend): „Ja, aber, was gibt's denn
\ da für ein Aber?"

Ernestine: „Das ist sehr einfach, bester Papa! Keine
v on uns nämlich hat eine blasseJdee v om Stricken!"

Schwindel (schlägt verzweifelnd die Hände zusammen):

! „Das kann meine ganze herrliche Idee zu Schanden machen!
. . . O, ich kenne diese Weiber vom alten Schnitte! . ."

Justina (seufzend): „Ich begreife die Sache recht

gut.... es ist wirklich sehr fatal!"

Schwindel (ärgerlich auf-und abgehend): „Jetzt habe
ich euch Clavierspielen lehren lassen, und französisch plappern,
und tanzen, und deklamiren, und auf's Stricken haben wir
Alle vergessen!..."

Irene: „Und jetzt wäre dieses dumme Zeug wirklich
sehr nützlich!"

Schwindel (bleibt finster grübelnd stehen): „Der

Haupteffekt ist beim Teufel!!!..."

Justina: „Wie wär's, wenn wir uns bei unserer

Nachbarin, der armen Wittwe, welcher armer Leute Kinder
unterrichtet, die nöthige Anzahl an gefangen er Strickstrümpfe
ausleihen würden? Wir fuchteln dann mit den Nadeln
hin und her — und die alte Tante wird nichts inerken. . . ."

Schwindel: „Justina, Du bist mehr als Colnmbus!"

Irene, „Weiß Gott, Justine ist gescheidter, als sie
aussieht."

Schwindel: „Kinder, rasch an's Werk! Verschafft Euch
die Strickzeuge, und besorgt Euer Costüme."

(Die Mädchen, bis auf Beatrix, kleiden sich rasch zum
Ausgehen an.)

Schwindel (zu Beatrix): „Was? Und Du willst Dich
ausschließen? Mußt Du denn immer anders sein, wie die
Andern! Vorwärts, Beatrix! (Leise zu ihr) Ich sage Dir,
Du hast gerade die meiste Hoffnung: Dein läppisches Wesen
paßt am meisten zur Sache.... Na, na, nur keine Ziererei!
Wo es gilt, wenigstens Eine von meinen geliebten Töchtern
los zu werden, da kann ich zum Tiger werden."

(Er setzt Beatrix den Hut auf, und gibt ihr die Mantille um.)

„Na, ich bitte mir diesmal alle Geschichten ans,
Beatrix, sonst bei meiner Ehre, so nachsichtig ich sonst bin,
ich zwicke Dich braun und blau, wenn du nicht parirst! . . ."

(Alle ab.)

IV.

Ein Brief des Arthur Mögele an seinen Vater
in Württemberg.

„Liebster, bester Vater!

Seit 8 Tagen befinden wir uns hier in Wien. Meinem
Versprechen gemäß theile ich Ihnen flüchtig einige von den
Eindrücken mit, die ich hier empfangen. Vor Allem scheint
mir die Manie der Wiener, sich über die „Schwaben" zu
moquiren, von welcher uns die gute Mutter oft lächelnd zu
erzählen Pflegte, total verschwunden zu seii:. Sie sollen nur
hören, wie man hier unseren Landsleuten zu Ehren Alles
trieb! Daß sie nicht zu Tode umarmt wurden, haben sie
nur der Derbheit ihrer Naturen zu verdanken. Wenn unsere
Landsleute sich nicht gewehrt hätten, so hätte man hier
den ganzen Württemberger Zug endlich ansgestopft und für
alle Zeiten im Museum anfbewahrt.

Wie sich aber in allen Großstädten die Kontraste be-
rühren, so findet sich hier neben der modernen Schwaben-
Verherrlichnng manche übrig gebliebene Erinnerung an das
gerade Gegcntheil! Dahin zähle ich das Schild eines viel-
besuchten Gasthauses „zu den si eb en S chw ab en," womit
auf jene lügenhafte Mythe angespielt wird, die durchaus nicht
dazu angethan ist, unserem vaterländischen Geiste besondere
Ehre zu erweisen! — Aber wie gesagt, Wien ist die Stadt,
wo sich die Extreme fortwährend Rippenstöße versetzen. Findet
man hier an öffentlichen Orten sehr viele Leute, die sich
gerne allein an ein Tischchen setzen, und kein Wort 'rauslassen,
so sind dafür wieder genug andere da, welche Ivie ein Tropfen
Wasser in einer anderen Flüssigkeit, in jeder Gesellschaft sogleich
aufgehen, und so viel reden, daß man oft vor lauter Rede
kein Wort begreift. Und so geht dieses Schwanken zwi-
schen Kontrast und Kontrast für den Fremden ununter-
brochen fort. Das kommt von dem noch nicht ausge-
kämpften Kampf zwischen Alten: und Neuem. Selbst in:
Kreise unserer lieben, theuren Vertoandten beobachtete ich diese
Doppelnatnr des Wiener Lebens. Onkel Schwindel ist
ein durch und durch biederer Charakter, und doch hat er
manchmal Momente, ivo er mir wieder zu — „Allem fähig"
scheint. Seine Töchter, meine liebenswürdigen Cousinen,
zeichnen sich durch eine in Wien ziemlich rare Einfachheit
und Anspruchslosigkeit, ich möchte fast sagen Zimperlichkeit
aus, und doch glänzen ihnen die Angen, wenn von irgend
einer der Wiener Lustbarkeiten die Rede ist. Sie scheinen
blutwenig Umgang mit den Männern zu haben, und doch
wurden sie nur auf eine m unserer Spaziergänge durch die
Jägerzeile von wenigstens einen: halben Dutzend Civilisten,
und niehr als einem Dutzend Offizieren, versteht sich sehr
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