Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
146

Eine Drückendäugeschichte.

läge?" — Schmiedel, so hieß der NathSmaurcrmeister, war
ein vernünftiger und pflichteifriger Mann und hatte oft im
Stillen den Kopf bedenklich darüber geschüttelt, daß seine
obere Behörde nicht schon längst Befehl ertheilt habe, den
Pfeilerbau in Angriff zu nehmen, der in seinem gebrechlichen
Zustande jetzt aller Augen blos gestellt war, und konnte
daher auch den Spöttern nicht ganz unrecht geben. Um
aber, so viel an ihm lag, dazu beizutragcn, daß hier bald
Hülse gebracht würde, ging er am Morgen des andern Ta-
ges zu seinem Vorgesetzten, dem Stadtbauinspector Roller
und stellte demselben vor, wie jetzt bei niederem Wasserstande
der Grundbau des mit Einsturz bedrohten Brückenpfeilers
sich um so leichter bewerkstelligen ließe und der Aufwand
jetzt höchstens 800—1000 Thaler betrage, während, wenn
man die so günstige Zeit ungenützt vorüber gehen ließe, die
Brücke dadurch von Gefahr bedroht würde und dann ein
Wasserbau der schwierigsten Art entstehen und der Stadt
viele Tausende kosten könnte.

Der Stadtbauinspector, der in Prellers Kaffeehause, wo
er täglich seinen Skat spielte, den Abend vorher von seinen
besten Freunden hatte hören müssen, „daß die ganze städtische
Baubehörde wahrscheinlich blind sei, denn sonst würde man
den bedrohten Pfeiler, der jeden Tag zusammenzubrechen
drohe, nicht länger auf eine tüchtige Reparatur warten
lassen, da es jetzt noch möglich sei, größerem Uebel vor-
zubcugen," und der aus Aerger über diese Raisonnements
ein eichelnes Solo mit vier Matadoren verloren hatte, war
eben nicht in der besten Laune, und rief ärgerlich, als der
Maurermeister geendet:

„Ach, was, Schmiedel kommen Sie auch noch mit die-
! sein verdammten Pfeilerbau. Es ist, als wenn die Leute
über nichts Anderes zu sprechen wüßten. Ich kann den
Stadtrath nicht dazu zwingen und wissen muß die Behörde
j cs so gut wie der Stadtbandirector, daß Gefahr hier vor-
j Händen ist."

„Na, na, Herr Bauinspector, mir soll's recht sein, und
I wenn die ganze Brücke pfutsch geht, ich habe meine Pflicht
> gethan," entgegnete brummend der Stadtmaurermcister und
I entfernte sich.

Roller aber, welcher täglich mehrere Male über die
Brücke ging und jedesmal an dem Bogen des unterwühlten
Pfeilers eine Menge Menschen stehen sah, die alle neugierig
sich über das Geländer beugten, um den Schauplatz der Ver-
wüstung genauer zu betrachten, mußte eine Stunde später
hören, wie ein Bürger bei seinem Vorübergehen ausrief:

„Nein, cs ist doch eine Schande, daß hier nichts ge-
schieht!"

Worauf ein Arbeiter lachend entgegnete:

„Vielleicht fällt ein Rathsherr mit hinunter, wenn der
Pfeiler einstürzt, denn eher wird doch nichts gethan!"

„Unverschämter Kerl!" grollte der Stadtbauinspector
'und ließ sich bald darauf in einem Kahne nach dem beschä-
digten Pfeiler rudern, und hier gewahrte er denn nicht ohne
Bestürzung, daß der Schaden seit einigen Tagen ärger

geworden sei, als er sich gedacht und ohne eine tüchtige
Ausbesserung des Unterbaues ein Zusammenbrechen des Pfei-
lers, wenn auch nicht jetzt, doch beim nächsten Hochwasser
unvermeidlich sei. Er begab sich daher sofort zum Stadt-
baudirector, welchem er auf das Ernsteste mittheilte, wie be-
denklich es um den mittelsten Brückenpfeiler stehe und wie
leicht ein Unglück geschehen könne, welches Menschenleben ge-
fährden und die Communikation zwischen zwei Stadttheilen
auf lange Zeit hemmen und erschweren würde, wenn nicht
schleunigst Befehl ertheilt würde, den Pfeilerbau zu beginnen.

Der Stadtbandirector, ein großer stattlicher Herr, wel-
cher mit communlichen Baugeschäften überhäuft war und
schon länger als drei Monate die Risse zu einem neuen
Schulgebäude zur Prüfung vor sich liegen hatte, ohne zu
derselben gelangt zu sein, da eben jetzt der Bau einer Villa
auf seinem Gartengrundstücke seine ganze Aufmerksamkeit
und Zeit in Anspruch nahm, betrachtete staunend den Jn-
spector vom Scheitel bis zum Fuße, nahm dann seine Brille

ab, deren Gläser er sorgfältig mit einem seidenen Taschen-
tuche abwischtc, und dann wieder aufsetztc, um wahrscheinlich
sich genauer zu überzeugen, ob der, welcher eben so freimü-
thig mit ihm gesprochen, auch wirklich sein Bauinspector sei,
räusperte sich dann und entgegnete mit eisiger Kälte:

„Mein Herr Bauinspector, Sie werfen also der Stadt-
baudirection vor, cs kümmere sich dieselbe nicht ernstlich ge-
nug um die städtischen Bauwerke, und lasse diese in so de-
fectem Zustande, daß dadurch Gefahr und Schaden für die
Stadt herbeigeführt werden müsse! — Lassen Sic sich daher
gesagt sein, daß man höhern Orts diesen Brückenpfeiler und
dessen Hinfälligkeit genügend kennt, und daß ohne die ängst-
liche Besorgniß unpassender Mahner rechtzeitig das Nöthigc
geschehcn wird!"
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine Brückenbaugeschichte"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mitteilung
Morgenkleidung
Plan
Staunen <Motiv>
Brille <Motiv>
Bauinspektor
Brückenpfeiler
Baufälligkeit
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Stadtbauinspektor

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 40.1864, Nr. 983, S. 146

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen