Die Olivencrnte in Spanien.
(Anekdote aus dem Leben.)
Der alte Obersteiger Rcttig in Franzensberg,
welcher als junger Mann mehrere Jahre in Spanien
gelebt hatte, hatte es mit seinen Erzählungen aus Spa- '
nicn im Casino so weit gebracht, daß, wenn er anfing:
„Alsich noch in Spanien war!" alle mit ihm am Tische
sitzende Gäste lachend ausriefen: „Jetzt will er uns
wieder ansohlen!" Darüber ärgerlich, hatte Rettig
mehrere Abende das Wort nicht ergriffen und verharrte
schmollend in seinem Schweigen.
Als aber sein vertrautester Freund, der Apotheker,
eines Abends im Monat März sich zu ihm wendete
und sprach: „Rcttig, heute habe ich die ersten Staare
in meinem Garten pfeifen hören," da blinzelte der
alte Obersteiger lächelnd mit den Augen und rief:
„Ja, die deutschen Staare, das sind närrische Käuze!"
„Nun", frugen mehrere Stimmen zugleich: „Her-
aus, Obersteiger, was habt Ihr auf dem Herzen?"
„Ach was, Euch sollte ich gar nichts mehr er-
zählen, Ihr glaubt mir doch nicht."
„Höre, Freund," cntgcgnetc der Apotheker, „cs ist
immer besser, Du bindest uns eine Deiner Schnacken
auf, als daß Du stumm für'Dich hin paffst, denn
lange hältst Du das Schmollen doch nicht aus, und
wir auch nicht. Aber über Spanien, das kannst Du
doch nicht leugnen, hast Du uns oft gräulich belogen!"
„Weil Ihr dies Wunderland nicht kennt!" schalt
der Obersteiger, „und wenn ich jetzt Euch wollte er-
zählen, wozu man die deutschen Staare in Spanien
benützt, Ihr würdet wieder glauben, ich hätte Euch
etwas aufgcbundcn, und doch kann jeder spanische
Bauer Euch sagen, daß cs Thatsachc ist."
„Nun, so erzählt!"
„Ihr wißt doch wohl" — begann jetzt der Ober-
steiger, dessen ernstes Gesicht sich wieder geglättet,
„daß unsere Staare nicht über das mittelländische
Meer ziehen, sondern in Unteritalicn und Spanien
bleiben, und dort kommen sie gerade zu der Zeit an,
j wo die Oliven zu reifen beginnen. In den stunden-
langen Olivcnwaldungen, durch welche sich mehrere
Straßen ziehen, sind nun hin und wieder Baraken auf-
gebaut, in welchen die Waldhüter wohnen, die nebenbei
auch an die Reisenden Schnapps, Wein, Knoblauchwurst
und Olla potrida verkaufen, und um deren Wohnungen
stets eine Anzahl deutscher Pappeln zu finden ist, den»
in diesen Bäumen haben die Staare, die sich den Tag
über in den Olivcnwaldungen aufgehaltcn, ihr Nacht-
lager. Wenn nun die Oliven die gehörige Reife erlangt
haben, so geht der Waldhüter Abends mit einer alten
Flinte nach den Pappeln, wo die Staare sich im ersten
Schlafe befinden, und schießt die blindgeladene Flinte
ab. So wie der Kerl nun loögeknallt hat, da regnet
es aus den Pappeln, wo auf jeder oft mehr als
10,000 Staare sitzen, ungeheure Massen von Oliven
herab, denn jeder Staar nimmt sich für die Nacht
eine Olive im Schnabel mit aus seine Pappel, und
die läßt er dann, durch den Schuß erschreckt, fallen.
Der Waldhüter aber hat dann weiter nichts zu thun,
als die heruntergefallcuen Oliven zusammen zu kehren
und in Körben aufzubcwahren, und wiederholt dies Manöver jeden
der darauf folgenden Abende so lange, bis die Staare wieder nach
Deutschland ziehen, das ist so um die jetzige Zeit, und bis dahin
hat er so ziemlich die ganze Ernte herein, und darum stehen auch
die deutschen Pappeln m den spanischen Olivenwäldern weil die
Spanier zur Erntearbcit zu faul sind, und diese den Staaren
überlassen."
Die Anwesenden brachen in lautes Gelächter aus und rieten -
„Rein, Obersteiger, das ist zu stark!"
„Euch kommt alles spanisch vor, waS Ihr nicht mit Euren
Philister!"^ Sflnben ^isen könnt, Ihr deutschen
(Anekdote aus dem Leben.)
Der alte Obersteiger Rcttig in Franzensberg,
welcher als junger Mann mehrere Jahre in Spanien
gelebt hatte, hatte es mit seinen Erzählungen aus Spa- '
nicn im Casino so weit gebracht, daß, wenn er anfing:
„Alsich noch in Spanien war!" alle mit ihm am Tische
sitzende Gäste lachend ausriefen: „Jetzt will er uns
wieder ansohlen!" Darüber ärgerlich, hatte Rettig
mehrere Abende das Wort nicht ergriffen und verharrte
schmollend in seinem Schweigen.
Als aber sein vertrautester Freund, der Apotheker,
eines Abends im Monat März sich zu ihm wendete
und sprach: „Rcttig, heute habe ich die ersten Staare
in meinem Garten pfeifen hören," da blinzelte der
alte Obersteiger lächelnd mit den Augen und rief:
„Ja, die deutschen Staare, das sind närrische Käuze!"
„Nun", frugen mehrere Stimmen zugleich: „Her-
aus, Obersteiger, was habt Ihr auf dem Herzen?"
„Ach was, Euch sollte ich gar nichts mehr er-
zählen, Ihr glaubt mir doch nicht."
„Höre, Freund," cntgcgnetc der Apotheker, „cs ist
immer besser, Du bindest uns eine Deiner Schnacken
auf, als daß Du stumm für'Dich hin paffst, denn
lange hältst Du das Schmollen doch nicht aus, und
wir auch nicht. Aber über Spanien, das kannst Du
doch nicht leugnen, hast Du uns oft gräulich belogen!"
„Weil Ihr dies Wunderland nicht kennt!" schalt
der Obersteiger, „und wenn ich jetzt Euch wollte er-
zählen, wozu man die deutschen Staare in Spanien
benützt, Ihr würdet wieder glauben, ich hätte Euch
etwas aufgcbundcn, und doch kann jeder spanische
Bauer Euch sagen, daß cs Thatsachc ist."
„Nun, so erzählt!"
„Ihr wißt doch wohl" — begann jetzt der Ober-
steiger, dessen ernstes Gesicht sich wieder geglättet,
„daß unsere Staare nicht über das mittelländische
Meer ziehen, sondern in Unteritalicn und Spanien
bleiben, und dort kommen sie gerade zu der Zeit an,
j wo die Oliven zu reifen beginnen. In den stunden-
langen Olivcnwaldungen, durch welche sich mehrere
Straßen ziehen, sind nun hin und wieder Baraken auf-
gebaut, in welchen die Waldhüter wohnen, die nebenbei
auch an die Reisenden Schnapps, Wein, Knoblauchwurst
und Olla potrida verkaufen, und um deren Wohnungen
stets eine Anzahl deutscher Pappeln zu finden ist, den»
in diesen Bäumen haben die Staare, die sich den Tag
über in den Olivcnwaldungen aufgehaltcn, ihr Nacht-
lager. Wenn nun die Oliven die gehörige Reife erlangt
haben, so geht der Waldhüter Abends mit einer alten
Flinte nach den Pappeln, wo die Staare sich im ersten
Schlafe befinden, und schießt die blindgeladene Flinte
ab. So wie der Kerl nun loögeknallt hat, da regnet
es aus den Pappeln, wo auf jeder oft mehr als
10,000 Staare sitzen, ungeheure Massen von Oliven
herab, denn jeder Staar nimmt sich für die Nacht
eine Olive im Schnabel mit aus seine Pappel, und
die läßt er dann, durch den Schuß erschreckt, fallen.
Der Waldhüter aber hat dann weiter nichts zu thun,
als die heruntergefallcuen Oliven zusammen zu kehren
und in Körben aufzubcwahren, und wiederholt dies Manöver jeden
der darauf folgenden Abende so lange, bis die Staare wieder nach
Deutschland ziehen, das ist so um die jetzige Zeit, und bis dahin
hat er so ziemlich die ganze Ernte herein, und darum stehen auch
die deutschen Pappeln m den spanischen Olivenwäldern weil die
Spanier zur Erntearbcit zu faul sind, und diese den Staaren
überlassen."
Die Anwesenden brachen in lautes Gelächter aus und rieten -
„Rein, Obersteiger, das ist zu stark!"
„Euch kommt alles spanisch vor, waS Ihr nicht mit Euren
Philister!"^ Sflnben ^isen könnt, Ihr deutschen
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Olivenernte in Spanien"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 44.1866, Nr. 1073, S. 39
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg