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Die Verschwörung.

Wir können der Vermuthung des „Moniteur" nur bei-
pflichten, daß die Verschwörung über die Grenzen deS engeren
Vaterlandes Kümmelhausen hinausreichte, denn dieses verdiente
eigentlich mehr den Superlativ als den Comparativ bezüglich
der Enge; für eine Verschwörung aber war es nachgerade
zu eng.

Lag also eine solche vor, so war der Moniteur in der
That so gut unterrichtet, als er behauptete.

Der Leser wird dies später selbst beurtheilen können, da
wir ihm den Sachverhalt nicht vorenthalten wollen.

Wir haben es oben unter den Merkwürdigkeiten Kümmel-
Hausens deßwegen nicht angeführt, daß es eine Hauptwachc
hat, weil sich dies von selbst versteht. Wenigstens betrachten
die Kümmelhauser die Sache so. Sie gehen daran vorbei
mit einer Gleichgültigkeit, als wenn gar nichts wäre. Das
ist sehr nobel, besonders wenn man bedenkt, daß die Haupt-
wache von einem Lieutenant bezogen wird, und was der Spaß
die Kümmelhauser kostet. Außer der Generalität und dem
Stab muß man sechs Lieutenants und 50 Mann Soldaten
halten. Etwas gemindert werden die Kosten dadurch, daß
der Finanzminister — eine staatswirthschaftliche Celcbrität —
die Armee auf dem Wege der allgemeinen Submission in
Accord gegeben. Für dieses Jahr hat sie das Packträger-
Jnstitut von Batzenhofen übernommen. Natürlich nur die
Gemeinen. Die Offiziere gehen aus dem Kümmelhauser
Bürgerstande hervor, so weit das Bischen Adel nicht hinreicht,
welches der Hofdienst übrig läßt.

Am Tage der „Verschwörung" war Commandant der
Hauptwache Lieutenant Hobel. So hieß er, schrieb sich aber
Hobel. Er suchte sich dadurch einen mehr aristokratischen
Anstrich zu geben und es gelang. Die Geschichte wird zeigen,
daß er sonst ein famoser Kerl war und auch anderswo ge-
glänzt hatte, als auf der Kümmelhauser Hauptwachc.

Es war ein schöner Tag im Juni. Hobel lag auf dem
alten Sopha, welches die Stelle der Pritsche in der Parterrc-
wachtstube der Soldaten vertrat — das Offizierswachtzimmer
war im ersten und letzten Stock des Hauptwachtgebäudes.
Hobel bemühte sich sehr, aber vergebens auf dem Sopha
die Figur einer römischen Fünf in der Weise zu bilden, daß
seine Füße über die eine, sein Kopf über die andere Seiten-
lehne des Sopha's emporragten, während die Spitze der V
auf dem Sitze des Sopha's blieb. Diese Bestrebungen Hobels
waren nicht von Erfolg, da ihnen die windschiefe Natur des
Sopha's nicht günstig war.

Es war jedoch nicht die Resultatlosigkeit dieser Fünfer-
bildungsversuche, welche den Lieutenant Hobel in die üble
Laune versetzten, in welcher er sich befand, vielmehr war daran
die gewonnene Ucberzeugung Schuld, daß er an einem so
schönen Sommertage, wie der heutige, schlechterdings keinen
Besuch zu erwarten habe, welcher die Last der Wachtlang-
' weile tragen oder gar vernichten helfe. Es war auch ärger-
lich. Vor ihm auf dem Tische standen und lagen Schach,

! Domino, Damenbrett; ein Kästchen voll der verschiedensten
Spielkarten, Marken und sonstigen Vorrichtungen, z. B. ein schön-

gemalter Tempel Mosis, Würfelbecher in duplo re. Es fehlte,
wie man sieht, nicht an Apparaten zu ritterlichen Spielen,
man wird sich also nicht wundern, daß die Laune Hobels
übel wurde, wenn er bedachte, daß er wohl keinen Gegner
zu erwarten habe. Von Lectüre war leider nur das Regle-
ment da, welches Hobel schon gelesen hatte. Er dachte daher:
„Scheußlich!" stand auf und trat an's Fenster, wo er sich
in grimmer Haltung, mit drohend hcrabgezogenen Augen-
brauen aufstelltc.

Da — wie wenn nach langer, düsterer Regenzeit die
Sonne im Kampfe mit den finsteren Wolken endlich den
Sieg erringt und diese zerstreuend den ersten Strahl durch
die gewonnene Bresche über die Erde gleiten läßt, heiter und
hoffnungerwcckend — zog plötzlich über Hobels Gesicht das
Leuchten eines halb heiteren, halb verschmitzten Lächelns.

Zweites Kapitel.

Der Leser kann sich denken, daß das Vorhergehende das
erste Kapitel war, man brauchte es also nicht darüber zu
schreiben.

In einem Drama wäre es ein Fehler, wenn beim An-
fang des zweiten Actes der Held noch gerade so am Fenster
stünde, wie er dort stand, als nach dem ersten der Vorhang
fiel; in einer einfachen Erzählung hat dies nichts zu sagen.
Ucbcrdics ist eine kleine Veränderung bei Hobel nicht zu
verkennen. An die Stelle des am Schlüsse des ersten Ka-
pitels mit wenigen Worten so gut charakterisirten Lächelns
ist der Ernst des raschen Entschlusses getreten.

Hobel liebte es rasch entschlossen zu sein und zog dcß-
halb die Klingel, welche dem unten schlafenden Gefreiten
Feuer unter die Beine machte, so daß er binnen 21 Sekunden
oben (bei Hobel) erschien, wo er sich zweckentsprechend an-
mcldete. Hobel befahl ihm, leutseliger als cs sonst seine
Art war, näher zu treten. Der Gefreite that es, seine
strengen Züge gleichfalls in etwas mildere Falten legend, und
nun entspann sich zwischen beiden folgendes längere Gespräch:

Ho bol: „Er observirt jenen Herrn?"

Gefreiter: „Sehr wohl, Herr Lieutenant."

Hobel: „Nun, so geh' Er hinunter, arretir' Er ihn
und bring' Er ihn herauf!"

Gefreiter: „Sehr wohl, Herr Lieutenant!"

Man muß es dem Gefreiten nachsagen, daß er sich dieses
schwierigen Auftrages mit Gewandtheit, Schnelligkeit und An-
stand entledigte. Der Lieutenant sah von seinem Fenster
aus zu, bewunderte den Takt des Gefreiten und dachte:
„Famos!" Er hatte öfter solche tiefe Gedanken. Jetzt trat
ziemlich aufgeregt der Gefangene ein. Hinter ihm der Ge-
freite, der auf einen Wink Hobols wieder verschwand.

Hobvl wollte sich nun den Bauch halten vor Lachen über
seinen gelungenen Spaß. Er erklärte dem sich beruhigen-
den Gefangenen, seinem Freunde Herrn von Süßnapf, daß
das ein Kapitalwitz sei und daß er jetzt auf dieselbe Weise
wie ihn noch eine ganze Gesellschaft zu einem kleinen jou
zusammcnfangen lasse.
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