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114

In Minn

cintrcffen und kann hier keinen Wagen auftreibcn, da ich un-
bedachterweise die Gelegenheit von Grünwald wieder rctonr
sandte, die übrigens nur bis hieher ausgenommen war. Er-
; weisen Sie mir, Herr Doktor, die besondere Güte, mir Ihr
I Gespann zu überlassen!"

Koloman begleitete seine Worte mit so dringenden Ge-
i stikulationen, daß der Doktor Einsicht haben mußte.

„Herr Doktor!" setzte Koloman dem noch nachdenkenden
j Manne zu, „bin ich nicht zur Zeit an Ort und Stelle, so
j muß ich zum Profoßcn!"

„Herr Lieutenant!" begann der Doktor, ein Mann von
imponirendem Aeußern und eleganten Manieren, „Sie sagen,
Sie kommen von Grünwald?"

„Ja, Herr Doktor!"

Dieser lächelte.

„Herr Lieutenant, ich sah Sie doch gerade von der ent-
1 gegcngesetztcn Seite an meinen Fenstern vorübcrfahrcn!"

Koloman wurde verlegen.

„Sic kamen auch noch mit zwei jungen Damen an?"

„Herr Doktor," erwiderte Koloman rasch, „ich sehe,
ich muß hier offen sein. Ich habe vorhin eine Nothlüge ge-
braucht. Ich bin heute von Eschenthal fort, um die beiden
jungen Damen zu begleiten, deren eine meinem Herzen
! nahe steht. Ich war so leichtsinnig und so schwach, immer
> nachzugeben und weiter zu fahren, um nur länger in der
! Gesellschaft der beiden Mädchen zu verbleiben; dann habe ich
mich auch darauf verlassen, daß ich mit Leichtigkeit eine Re-
tourgelegenheit finden würde und habe zu meinem Schrecken
gerade das Gegentheil erfahren. Ich beschwöre Sie demnach,
Herr Doktor, mir aus dieser peinlichen Verlegenheit, in welche
mich meine eigene Unbesonnenheit gebracht hat, herauszu-
helfen !"

„Wir sind auch einmal jung gewesen," cntgegnete der
Doktor lächelnd und Koloman die Hand reichend, „haben
auch manche Streiche begangen, die wir nachträglich bereueten.
Sind Sie unbesorgt, Herr Lieutenant, ich werde Alles auf-
j bieten, Sie aus Ihrem Ungemache zu befreien."

Koloman dankte mit begeisterten Worten.

„Jetzt kommen Sic aber, Herr Lieutenant, der Thce
wird servirt!"

Der Thce ging, durch eine fast ausgelassene Fröhlichkeit
gewürzt, recht vergnügt vorüber. Seitdem Koloman seine
Sorgen erleichtert sah, war er der aufgeräumteste junge Mann
i und riß die ganze Gesellschaft zum heftigsten Lachen hin. Sämmt-
liche Gäste fanden so viel Vergnügen an seiner Unterhaltung,
j daß sie ihm beim Abschiede wiederholte Einladungen zum
! künftigen Besuche ihrer Häuser machten. Auch machte Kolo-
man die gewiß genugthucnde Bemerkung, daß Fräulein Frie-
derike und Hedwig ein wahrhaftes Entzücken offenbarten.
Koloman hatte der Gesellschaft mit aller Schonung seiner
Begleiterinnen die ganze Lustpartic mitgetheilt, worüber man
; herzlich lachte und ' sich auch mit Kolomans Aeußerem aus-
söhnte, ja es zum Schluffe sogar sehr pikant fand.

Nach dem Thee sollte getanzt werden, doch mußte Kolo-
j___

cdiensten.

man dieses Vergnügen ausschlagen, da auch der Hausherr
zum Ausbruche ermahnte. Der Doktor und Koloman stiegen
ein, Elfterer kutschirte selbst.

„Mein Knecht ist unfähig, die Dienste zu verrichten,"
erklärte er, „dcßhalb habe ich es übernommen, Sic selbst zu
fahren, aber nicht bis nach Eschenthal, denn das ist mir aus
mehrfachen Gründen wahrhaft unmöglich, sondern blos bis
zum äußersten Wirthshause in Untersilberfels, dessen Wirth
Sie an Ort und Stelle bringen wird."

Koloman fand keine Worte, um dem Doktor für so viel
Güte zu danken.

Nach einer Viertelstunde Fahrt war man beim betref-
fenden Wirthshause angelangt; dort stand schon die Gelegen-
heit für Koloman vorbereitet. Ein langer Fuhrmannswagen,
aber mit guten Pferden bespannt. Koloman war entzückt
darüber. Unter freundschaftlichen Händedrücken und wieder-
holten Dankesbezeigungen trennten sich die beiden neuen Freunde.

Koloman fuhr davon mit wahrhaft erleichtertem Herzen.

Es war gerade 11 Uhr Nachts gewesen, als er sich
von der Gesellschaft, aus des freundlichen Doktors Hanse,
empfahl. Die Nacht war sternhell und warm; er glaubte
deßhalb eines Mantels oder eines dergleichen Kleidungsstückes
zum Schuhe gegen böseS Wetter entbehren zu können. Man
war aber kaum zwei Meilen gefahren, als sich der Himmel
mit schwarzen Wolken bedeckte. Nicht lange dauerte es, so
stürmte und regnete es gewaltig; auch war es empfindlich
kalt geworden. Unterwegs einzukehren wollte Koloman auf
des Kutschers Verlangen nicht zugebcn, denn er hätte dadurch
viel kostbare Zeit verloren. Er fand eine andere Hilfe.

Im Wagen waren Sitze aus ganzen Bünden Stroh er-
richtet, in einen solchen Bund Stroh wickelte sich Koloman
ein und war dadurch zum Thcil vor gänzlichem Durchnäßt-
wcrdcn gesichert. So schlief er auch ein. Dieser Schlaf war
aber für den Armen, den das tückische Schicksal auch jetzt noch
zu verfolgen schien, unheilvoll.

Bei einer Bergauffahrt rutschte das rückwärtige Weidcn-
geflecht, in dem Koloman in seinem Strohbündcl so sanft
ruhte, nicht im Geringsten gestört von des Weges Uneben-
heiten und des Wagens empfindlichem Rütteln und Stoßen,
zu weit aus dem Hintertheile des Wagens hervor und als
der Kutscher am Berge angelangt zur Bergabfahrt in die
Pferde einhieb, bekam daö Geflechte einen argen Stoß und
fiel durch Kolomans Körperlast aus dem Gleichgewichte kom-
mend, zur Erde.

Durch diesen schweren Fall wach geworden, vermochte
Koloman nicht gleich, sich aus dem Strohbündel herauszu-
finden und als dies nach längerem Abmühen endlich geschah,
war der forteilende Wagen in der Finstcrniß bereits längst
verschwunden.

Alles Rufen und Rennen von Seiten Kolomans half
wenig, er konnte den Wagen nicht mehr einholen. So sah
er sich in der Finsterniß, in dem Sturme, in dem Regenguffe
buchstäblich auf die Straße gesetzt.

Der Tag war schon längst angebrochen, denn cs war
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