Zoraide.
Erstaunen rief ihn die Markgräfin zurück, indem sie fortfuhr:
„Erlaube, mein Gemahl, es handelt sich bei dem, was ich vor-
zutragen habe, auch ein wenig um den Junker; gestatte des-
halb, daß er bleibe!"
Etwas unwirsch machte Ludwig ein Zeichen der Einwillig-
ung und ersuchte seine Gattin, zu beginnen. Mit dem Tone
der Entrüstung erzählte nun Sibylle den Vorfall der heutigen
Jagd, der ihren höchsten Verdruß erregt habe.
Aergerlich hörte Ludwig, der niemals viel auf die starren
Formen der Etiquette gehalten hatte und in seinen langen Feld-
zügen derselben ganz entwöhnt worden war, die Klage seiner
Gattin an.
„Bei einer Jagd," sprach er dann, Zoraiden in Schutz
nehmend, „darf man cs mit der Etiquette nicht so genau nehmen;
es ist natürlich, daß ein dem edlen Waidwerk leidenschaftlich
ergebener Jäger den schnellen Hirsch durch möglichst große eigene
Schnelligkeit einzuholcn sucht — und" setzte er lächelnd hinzu,
„verstündet Ihr zu reiten wie Zoraide, so wäre ihr wohl der
im Ungestüme des Jagens begangene Verstoß unmöglich gewesen!"
„Mir," erwiderte Sibylle bitter, „hast Du freilich kein
so herrliches Pferd geschenkt, wie Zoraiden. Wäre mir dies'
Thier zur Verfügung gestanden, so Hütte es statt ihrer mich
an Deine Seite getragen, wohin nur ich gehöre."
„Dies gehört nicht hierher, Sibylle," sprach Ludwig strenge,
„doch ich bitte mir zu erklären, in wie ferne dies Alles den
Junker von Neuenstein berührt?"
„Ich würde trotz Deines — wie es scheint — frcisprechen-
den Erkenntnisses auf einer officiellen Rüge von Zoraidens
Benehmen bestehen, wenn nicht der Junker hier sich ebenfalls
für Deinen Schützling verwendet hätte. Seinetwegen stehe ich
ab von meiner Klage, da die Bitte, die er Dir vorzutragen
hat und um deren Genehmigung ich Dich ersuche, mir zugleich
eine Bürgschaft dafür bietet, daß Zoraide keine ähnlichen Ver-
stöße gegen die Etiquette mehr begehen wird!"
Immer mehr erstaunt richtete Ludwig seine Blicke auf den
Junker, der sich tief verbeugte. „Eine Bitte, Junker," sprach
er dann, „zu der Ihr sogar die Markgräfin als Fürsprecherin
nöthig habt?"
„Ja, gnädigster Herr," begann nun Eberhard, „eine
Bitte, von der das Glück meines Lebens abhängt, ich bitte Euch
um die Hand Zoraidens, die ich liebe!"
Ludwig erschrack; der Möglichkeit, das geliebte Mädchen
als das Weib eines Andern zu sehen, hatte er bisher noch gar
nicht gedacht. Er hatte sich nach und nach daran gewöhnt, in
der Stille von allen Andern unbemerkt — wie er glaubte — das
liebenswürdige Wesen anzubeten; er sah sie, als die Trägerin
seiner heiligen keuschen Gefühle, gewissermaßen als sein Eigen-
thnm an und jetzt wollte ein Dritter mit störender Hand in
dieses sein Gefühlsleben eingreifen, ihm sein Eigenthum, seine
Liebe, seine Zoraide entreißen.
„Nimmermehr!" polterte er unbesonnen heraus und zog
finster die Brauen zusammen.
„Wie, mein Gemahl," rief Sibylle höhnisch, „sollte dies
dem Mädchen zugedachte Glück nicht im Einklang mit Deine» !
27 j
eigenen — Absichten sein? Bist Du im Stande, Deiner —
Schutzbefohlenen ein besseres Loos zu bieten?" Ludwig erröthete
verlegen; er fühlte wohl, daß er sich durch die Verweigerung
seiner Einwilligung Sibyllen gegenüber eine Blöße gegeben habe.
„Nimmermehr," sprach er absichtlich dasselbe Wort ge-
brauchend, als ob er in einem begonnenen Satze unterbrochen
worden sei, „werde ich Zoraiden einen Gemahl aufnöthigen,
den sie nicht liebt!"
„Kennst Du so genau Zoraidens Gefühle? Weißt Du
vielleicht, welchen Andern sie liebt, wenn Du mit solcher Zu-
versicht zu behaupten vermagst, sie liebte den Junker nicht?"
„Ich weiß nur das Eine," sprach wieder der Markgraf,
der sich inzwischen wieder vollständig gefaßt hatte, „daß Zoraide
vollständig Herrin ihrer Hand ist; von ihrer eigenen Wahl,
von ihrer Selbstbestimmung möge es abhüngen, wem sie diese
schenken will — ich werde sie nie hierin beeinflussen!"
„Es sei auch ferne von mir," wagte jetzt der Junker zu
sprechen, „mein Lebensglück einer Beeinflussung verdanken zu
wollen. Ich bitte Euch nur, gnädigster Herr, mit Zoraiden
zu reden —"
„Ei, thut dies doch selbst!"
„Ich habe mich ihr bereits erklärt und wenn auch die
Ueberraschung und mädchenhafte Schüchternheit sie von dem Gc-
ständniß ihrer Gegenliebe zurückhielt, so konnte ich doch be-
merken, daß ich ihr nicht gleichgültig sei!"
lieber Ludwigs schöne offene Stirne zuckte eine Wolke des
Unwillens und sein blitzendes Auge heftete sich durchbohrend
auf den Junker, der ihn offenbar zu belügen wagte. Doch,
um sich nicht abermals zu verrathen, stellte er sich, als glaube
er der lügenhaften Behauptung.
„Ei, wenn sich die Sache so verhält, so bedürft Ihr ja
meiner Vermittlung nicht, Junker!"
„Nicht dieser, gnädigster Herr, sondern ich bitte Euch
nur, für mich um die Hand des geliebten Mädchens werben i
zu wollen. Dies wird ihr zugleich den Beweis liefern, daß
Ihr, der Ihr Vaterstelle an dem Mädchen vertretet, Nichts
gegen diese Verbindung einzuwcnden habt!"
„DaßDu sie vielmehr wünschest, wie auch ich!" schaltete
Sibylle mit einem höhnischen Blicke ein.
Ludwig überlegte einen Augenblick, während er sich be-
mühte, ruhig zu bleiben, um den Sturm seiner Gefühle nicht
auf seinem Angesichte lesbar zu machen. Er konnte sich diesem
Aufträge, welcher der Sitte der damaligen Zeit entsprechend in
aller Form an ihn gerichtet war, nicht wohl entziehen, ohne
Sibyllen's auf's Heftigste erregten Verdacht noch mehr zu steigern.
Es war ihm entsetzlich, selbst die Geliebte einem andern Manne
zuführen zu sollen; sein Herz sträubte sich mit aller Macht
gegen diese Zumuthung und dennoch mußte er seinem Schwure
getreu auch dieses Opfer noch bringen.
(Schluß folgt.)
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Erstaunen rief ihn die Markgräfin zurück, indem sie fortfuhr:
„Erlaube, mein Gemahl, es handelt sich bei dem, was ich vor-
zutragen habe, auch ein wenig um den Junker; gestatte des-
halb, daß er bleibe!"
Etwas unwirsch machte Ludwig ein Zeichen der Einwillig-
ung und ersuchte seine Gattin, zu beginnen. Mit dem Tone
der Entrüstung erzählte nun Sibylle den Vorfall der heutigen
Jagd, der ihren höchsten Verdruß erregt habe.
Aergerlich hörte Ludwig, der niemals viel auf die starren
Formen der Etiquette gehalten hatte und in seinen langen Feld-
zügen derselben ganz entwöhnt worden war, die Klage seiner
Gattin an.
„Bei einer Jagd," sprach er dann, Zoraiden in Schutz
nehmend, „darf man cs mit der Etiquette nicht so genau nehmen;
es ist natürlich, daß ein dem edlen Waidwerk leidenschaftlich
ergebener Jäger den schnellen Hirsch durch möglichst große eigene
Schnelligkeit einzuholcn sucht — und" setzte er lächelnd hinzu,
„verstündet Ihr zu reiten wie Zoraide, so wäre ihr wohl der
im Ungestüme des Jagens begangene Verstoß unmöglich gewesen!"
„Mir," erwiderte Sibylle bitter, „hast Du freilich kein
so herrliches Pferd geschenkt, wie Zoraiden. Wäre mir dies'
Thier zur Verfügung gestanden, so Hütte es statt ihrer mich
an Deine Seite getragen, wohin nur ich gehöre."
„Dies gehört nicht hierher, Sibylle," sprach Ludwig strenge,
„doch ich bitte mir zu erklären, in wie ferne dies Alles den
Junker von Neuenstein berührt?"
„Ich würde trotz Deines — wie es scheint — frcisprechen-
den Erkenntnisses auf einer officiellen Rüge von Zoraidens
Benehmen bestehen, wenn nicht der Junker hier sich ebenfalls
für Deinen Schützling verwendet hätte. Seinetwegen stehe ich
ab von meiner Klage, da die Bitte, die er Dir vorzutragen
hat und um deren Genehmigung ich Dich ersuche, mir zugleich
eine Bürgschaft dafür bietet, daß Zoraide keine ähnlichen Ver-
stöße gegen die Etiquette mehr begehen wird!"
Immer mehr erstaunt richtete Ludwig seine Blicke auf den
Junker, der sich tief verbeugte. „Eine Bitte, Junker," sprach
er dann, „zu der Ihr sogar die Markgräfin als Fürsprecherin
nöthig habt?"
„Ja, gnädigster Herr," begann nun Eberhard, „eine
Bitte, von der das Glück meines Lebens abhängt, ich bitte Euch
um die Hand Zoraidens, die ich liebe!"
Ludwig erschrack; der Möglichkeit, das geliebte Mädchen
als das Weib eines Andern zu sehen, hatte er bisher noch gar
nicht gedacht. Er hatte sich nach und nach daran gewöhnt, in
der Stille von allen Andern unbemerkt — wie er glaubte — das
liebenswürdige Wesen anzubeten; er sah sie, als die Trägerin
seiner heiligen keuschen Gefühle, gewissermaßen als sein Eigen-
thnm an und jetzt wollte ein Dritter mit störender Hand in
dieses sein Gefühlsleben eingreifen, ihm sein Eigenthum, seine
Liebe, seine Zoraide entreißen.
„Nimmermehr!" polterte er unbesonnen heraus und zog
finster die Brauen zusammen.
„Wie, mein Gemahl," rief Sibylle höhnisch, „sollte dies
dem Mädchen zugedachte Glück nicht im Einklang mit Deine» !
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eigenen — Absichten sein? Bist Du im Stande, Deiner —
Schutzbefohlenen ein besseres Loos zu bieten?" Ludwig erröthete
verlegen; er fühlte wohl, daß er sich durch die Verweigerung
seiner Einwilligung Sibyllen gegenüber eine Blöße gegeben habe.
„Nimmermehr," sprach er absichtlich dasselbe Wort ge-
brauchend, als ob er in einem begonnenen Satze unterbrochen
worden sei, „werde ich Zoraiden einen Gemahl aufnöthigen,
den sie nicht liebt!"
„Kennst Du so genau Zoraidens Gefühle? Weißt Du
vielleicht, welchen Andern sie liebt, wenn Du mit solcher Zu-
versicht zu behaupten vermagst, sie liebte den Junker nicht?"
„Ich weiß nur das Eine," sprach wieder der Markgraf,
der sich inzwischen wieder vollständig gefaßt hatte, „daß Zoraide
vollständig Herrin ihrer Hand ist; von ihrer eigenen Wahl,
von ihrer Selbstbestimmung möge es abhüngen, wem sie diese
schenken will — ich werde sie nie hierin beeinflussen!"
„Es sei auch ferne von mir," wagte jetzt der Junker zu
sprechen, „mein Lebensglück einer Beeinflussung verdanken zu
wollen. Ich bitte Euch nur, gnädigster Herr, mit Zoraiden
zu reden —"
„Ei, thut dies doch selbst!"
„Ich habe mich ihr bereits erklärt und wenn auch die
Ueberraschung und mädchenhafte Schüchternheit sie von dem Gc-
ständniß ihrer Gegenliebe zurückhielt, so konnte ich doch be-
merken, daß ich ihr nicht gleichgültig sei!"
lieber Ludwigs schöne offene Stirne zuckte eine Wolke des
Unwillens und sein blitzendes Auge heftete sich durchbohrend
auf den Junker, der ihn offenbar zu belügen wagte. Doch,
um sich nicht abermals zu verrathen, stellte er sich, als glaube
er der lügenhaften Behauptung.
„Ei, wenn sich die Sache so verhält, so bedürft Ihr ja
meiner Vermittlung nicht, Junker!"
„Nicht dieser, gnädigster Herr, sondern ich bitte Euch
nur, für mich um die Hand des geliebten Mädchens werben i
zu wollen. Dies wird ihr zugleich den Beweis liefern, daß
Ihr, der Ihr Vaterstelle an dem Mädchen vertretet, Nichts
gegen diese Verbindung einzuwcnden habt!"
„DaßDu sie vielmehr wünschest, wie auch ich!" schaltete
Sibylle mit einem höhnischen Blicke ein.
Ludwig überlegte einen Augenblick, während er sich be-
mühte, ruhig zu bleiben, um den Sturm seiner Gefühle nicht
auf seinem Angesichte lesbar zu machen. Er konnte sich diesem
Aufträge, welcher der Sitte der damaligen Zeit entsprechend in
aller Form an ihn gerichtet war, nicht wohl entziehen, ohne
Sibyllen's auf's Heftigste erregten Verdacht noch mehr zu steigern.
Es war ihm entsetzlich, selbst die Geliebte einem andern Manne
zuführen zu sollen; sein Herz sträubte sich mit aller Macht
gegen diese Zumuthung und dennoch mußte er seinem Schwure
getreu auch dieses Opfer noch bringen.
(Schluß folgt.)
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