G
Ein falsch verstandenes Heilmittel.
Vor einigen Jahren hatte sich in einem ziemlich großen
sächsischen Grenzdorfe ein junger, geschickter Arzt niedergelassen
und war durch glückliche Kuren bald so allgemein beliebt ge-
worden, daß man nach stundenweit entfernten Ortschaften ihn !
holen ließ. Besonders in den benachbarten böhmischen Dorfschaften
galt der Rath und die Hilfe des Doktor Börner (dies ist der
Name des jungen Arztes) sehr viel und man sah deßhalb den
leichten Doktorwagcn wöchentlich mehrere Male hinüber nach
Böhmen rollen.
Eines Abends, als Doktor Börner schon ziemlich spät die
Heimfahrt von seinen Patienten angetreten, kam er auch durch
das böhmische Dorf Fichtenberg. Schon hatte er die letzten
Gehöfte desselben hinter sich, als auf der staubigen Landstraße
ein Knecht athemlos hinter dcni Wagen hergelaufen kam und
durch lautes Rufen den Kutscher des Doktorwagens znm Halten
aufforderte.
Börner ließ halten und der Knecht kam heran, um den
Doktor zu bitten, daß er doch so rasch als möglich wieder um-
kehren solle, da sein Herr, der Wiesenbauer in Fichtenberg,
gar bedenklich erkrankt sei.
Der Doktor folgte dieser Aufforderung sogleich und bald
darauf hielt er vor dem stattlichen Gute des Wiesenbauers.
Die Wiesenbäuerin stand mit verweinten Augen vor der Thür
und bat den rasch vom Wagen springenden Doktor um Hilfe
für ihren kranken Mann, der sich ganz ungeberdig in seinem
Bct-te herumwerfe und allerhand confuses Zeug schwatze. Die
ängstliche Alte glaubte schon, daß das letzte Ständlein ihres
Eheherrcn schier gekommen sei und wußte sich kaum zu fassen.
Drinnen in der dunstigen Schlafstube fand der Doktor
den Wiesenbaner trotz der Gewitterschwüle des Juniabends in
einen wahren Berg von Federbetten begraben, ächzend und
stöhnend. Nachdem des Patienten Zunge besehen und sein Puls
geprüft war, warf der Doktor die reichliche Halste des Bett-
berges bei Seite und wandte sich lächelnd an die vor Angst
fast vergehende Wiesenbäuerin.
„Beruhigt Euch," sprach er zu der Alten, „der Zustand
Eures Mannes hat durchaus nichts Bedenkliches. Eine leichte
Erkältung und etwas Fieber — weiter ist es nichts. Aber
geschwitzt hat Euer Mann nun wohl mehr als genug; packt ihn
also nicht wieder so barbarisch in die schweren Betten ein, son-
dern sorgt nur jetzt ordentlich für Kühlung, dann gibt sich
das Unwohlsein ganz von selbst."
„Wollen denn der Herr Doktor halt gar nit a Paar
Flaschel Medizin verschreiben?" fragte die Wiesenbäuerin, welche
gar nicht glaubte, daß ohne eine tüchtige Portion Medizin eine
Krankheit überhaupt zu heben sei.
„Das wäre nur schade um's Geld," versicherte lächelnd
der Doktor, welcher der geängstigten Frau ans voller Ueber-
zeugung Trost zusprach und darauf wieder in seinen Wagen stieg.
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Ein falsch verstandenes Heilmittel.
Vor einigen Jahren hatte sich in einem ziemlich großen
sächsischen Grenzdorfe ein junger, geschickter Arzt niedergelassen
und war durch glückliche Kuren bald so allgemein beliebt ge-
worden, daß man nach stundenweit entfernten Ortschaften ihn !
holen ließ. Besonders in den benachbarten böhmischen Dorfschaften
galt der Rath und die Hilfe des Doktor Börner (dies ist der
Name des jungen Arztes) sehr viel und man sah deßhalb den
leichten Doktorwagcn wöchentlich mehrere Male hinüber nach
Böhmen rollen.
Eines Abends, als Doktor Börner schon ziemlich spät die
Heimfahrt von seinen Patienten angetreten, kam er auch durch
das böhmische Dorf Fichtenberg. Schon hatte er die letzten
Gehöfte desselben hinter sich, als auf der staubigen Landstraße
ein Knecht athemlos hinter dcni Wagen hergelaufen kam und
durch lautes Rufen den Kutscher des Doktorwagens znm Halten
aufforderte.
Börner ließ halten und der Knecht kam heran, um den
Doktor zu bitten, daß er doch so rasch als möglich wieder um-
kehren solle, da sein Herr, der Wiesenbauer in Fichtenberg,
gar bedenklich erkrankt sei.
Der Doktor folgte dieser Aufforderung sogleich und bald
darauf hielt er vor dem stattlichen Gute des Wiesenbauers.
Die Wiesenbäuerin stand mit verweinten Augen vor der Thür
und bat den rasch vom Wagen springenden Doktor um Hilfe
für ihren kranken Mann, der sich ganz ungeberdig in seinem
Bct-te herumwerfe und allerhand confuses Zeug schwatze. Die
ängstliche Alte glaubte schon, daß das letzte Ständlein ihres
Eheherrcn schier gekommen sei und wußte sich kaum zu fassen.
Drinnen in der dunstigen Schlafstube fand der Doktor
den Wiesenbaner trotz der Gewitterschwüle des Juniabends in
einen wahren Berg von Federbetten begraben, ächzend und
stöhnend. Nachdem des Patienten Zunge besehen und sein Puls
geprüft war, warf der Doktor die reichliche Halste des Bett-
berges bei Seite und wandte sich lächelnd an die vor Angst
fast vergehende Wiesenbäuerin.
„Beruhigt Euch," sprach er zu der Alten, „der Zustand
Eures Mannes hat durchaus nichts Bedenkliches. Eine leichte
Erkältung und etwas Fieber — weiter ist es nichts. Aber
geschwitzt hat Euer Mann nun wohl mehr als genug; packt ihn
also nicht wieder so barbarisch in die schweren Betten ein, son-
dern sorgt nur jetzt ordentlich für Kühlung, dann gibt sich
das Unwohlsein ganz von selbst."
„Wollen denn der Herr Doktor halt gar nit a Paar
Flaschel Medizin verschreiben?" fragte die Wiesenbäuerin, welche
gar nicht glaubte, daß ohne eine tüchtige Portion Medizin eine
Krankheit überhaupt zu heben sei.
„Das wäre nur schade um's Geld," versicherte lächelnd
der Doktor, welcher der geängstigten Frau ans voller Ueber-
zeugung Trost zusprach und darauf wieder in seinen Wagen stieg.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein falsch verstandenes Heilmittel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 53.1870, Nr. 1301, S. 57
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg