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146

Die weibliche

trageue Atännerpaletot Dem dunklem Summt, mit kostbarem
Zobelpelz reich ausgeschlagen, der kleine Amazonenhut mit wallen-
der weißer Feder verrathen die vornehme Abkunft. Sic scheint
die allgemeine Aufmerksamkeit zu erregen, die zwei alten Herren
unter dem Bilde der Semiramis mindestens unterhalten sich
sehr lebhaft von ihr.

„Was mag sie suchen," sprach der Eine gedehnt, „ein
Dekret für ihren Liebhaber. Heutzutage kann man es bei uns
durch nichts so weit bringen als durch die Protektion einer
Frau, und welche Vorzüge dazu gehören, dieselbe zu erringen,
darüber brauche ich Euere Excellenz wohl nicht aufzuklären.
Genie und Verdienst gelten nichts mehr, ein Paar schöne Augen,
eine athletische Gestalt und ein schwarzer Schnurbart Alles." I

„Ja, wir haben das vollkommene Reich der Frauen," j
erwiderte die Excellenz seufzend, „zur Strafe für die Sünden
unserer Vater und die unseren. Eine Frau sitzt auf dem Throne
und führt die Zügel der Regierung mit einer Hand, die, so
klein und weiß sie ist, doch aus Eisen zu sein scheint; eine
andere Frau (die Fürstin Kathiuka Daschkow) ist Präsident der
Akademie der Wissenschaften, Frauen sitzen über uns zu Ge-
richt und commandiren unsere Regimenter, und nächstens wer-
den sie Messe lesen, ich erstaune über nichts mehr."

In dem Augenblicke winkte der dienstthuende Adjutant
der jungen Dame einzutreten, welche in der nächsten Sekunde
vor der allmächtigen Alleinherrscherin aller Reußen stand.

So muthig das junge Mädchen war, so klopfte ihr doch
das Herz recht heftig, als sie sich das erste Mal der großen
Kaiserin gegenüber sah und ihr Auge auf sich ruhen fühlte, aber
die Erscheinung der Monarchin war auch imposant genug und
erst dieses große helle Auge, das einen vollkommen zu durch-
dringen schien. Katharina II. war nicht groß, aber ihr Körper-
bau war von so herrlicher, so vollendeter Symetrie und Form
und ihre Haltung eine so ungezwungen stolze, daß sie zugleich
hoch gewachsen und vollkommen schön erschien. Die strengen
Züge ihres Gesichtes, die hohe Stirne, die kühn geschwungene
Adlernase, das volle harte Kinn wurden durch den vollen weichen
Mund, das reiche, sanft fließende Haar, das gütige Lächeln,
das um ihre Augen spielte, gemildert. Sie trug eine reich-
faltige Robe von blauem Atlas mit silbergestickten Blumen,
deren viereckiger Ausschnitt ihre herrliche Büste unverhüllt zeigte,
und ein rothes Ordensband.

Tie Kaiserin nahm zuerst das Wort.

„Ihr Name?" fragte sie kurz und schneidend.

„Jadwiga Alexandrowna Niewelinski," stotterte das Mäd-
chen und wurde purpurroth.

Die Kaiserin lächelte, sie schien sich des Eindrucks ihrer
Persönlichkeit zu freuen.

„Wcßhalb fürchten Sic mich?" sprach sie mit dem Aus-
druck seltener Güte, aber es war die Güte der Löwin gegen
das arme Mäuschen, das in ihre Höhle gcrathen ist. „Sie
zittern ja am ganzen Leibe, fassen Sie doch Muth," und zu-
gleich nahm sie das bebende Mädchen bei der Hand. „Sprechen
Sie offen zu mir, sagen Sic mir Alles, was Sie auf dem
Herzen haben. Sie sind so schön, so unschuldig, ich könnte Ihnen

Schildwache.

sehr gewogen sein, ja ich bin es bereits; Ihre Bitte ist in [
vorhinein gewährt, sprechen Sic sie nur aus."

„Majestät" — das Mädchen bebte und stotterte wieder.

„Nun — rasch!"

„Ich — ich will Soldat werden," rief das schöne, zu
Tode erschrockene Mädchen und warf sich zugleich schluchzend der
Monarchin zu Füßen.

„Soldat? Sie?" entgegnetc die Kaiserin, „und das sagen
Sie mir unter Thrünen, ich finde — ich finde es eher zum
Lachen —" und die schöne Despotin brach in ein schallendes
Gelächter aus, „und was treibt Sie zu diesem Entschlüsse?"
fuhr sie fort.

„Unglückliche Liebe," rief das Mädchen.

„Armes Kind — und deßhalb wollen Sie —" Katharina II.
lachte van Neuem, daß ihr die Thräncn in die Augen traten,
„aber stehen Sie doch auf!"

Sie hob das Mädchen zu sich empor und küßte sie aus !
die Stirne.

„Vertrauen Sie mir, Jadwiga," sprach die Monarchin
mit entzückender Liebenswürdigkeit. „Ich bin zu Ihrem Glück
zu gleicher Zeit Frau, um Sie verstehen, und Kaiserin, um
Ihnen helfen zu können, aber ich muß Alles wissen, Alles -
setzen Sie sich zu mir und beichten Sie."

Katharina führte die noch immer zitternde Jadwiga zu
einem Sammtdivan und zog sie an ihre Seite nieder.

„Nun also —"

„Ich liebe," begann Jadwiga Niewelinski.

„Welches junge Mädchen in Ihrem Alter bildet sich das
nicht ein!"

„Aber ich liebe aufrichtig, herzlich, tief und treu, Maje- ;
stät!" erwiderte Jadwiga.

„Das ist sehr viel auf einmal," bemerkte die Kaiserin
ein wenig spöttisch, „und wer ist so glücklich?"

„Ich liebe einen jungen Offizier."

„Wie nennt er sich?"

„Lieutenant Nikolaus Samarin."

„In welchem Regimente?"

„Im Regimente Tobolsk."

„Ist er hübsch?"

„O! schön! und er hat auch Geist und Herz und einen
herrlichen Charakter."

„Kurz, er ist ein Ideal," erwiderte Katharina lächelnd, >
„Sie machen mich in der That neugierig. Und liebt er Sie
wieder?"

„O gewiß, ich könnte nicht leben ohne seine Liebe!" ries
das schöne Mädchen begeistert.

„Was steht also Ihrem Glücke, Ihrer Verbindung ent-
gegen?" fragte Katharina.

„Meine Eltern," erwiderte Jadwiga. „Unsere Familie ist .
stolz auf ihren alten Namen und Reichthum, und Samarin ist
arm und man behauptet, er stamme von Leibeigenen ab."

„Lächerlich!" rief Katharina, die Achseln zuckend, „als
ob der Mann unfrei oder frei geboren zu etwas anderem da
wäre, als unser Sklave zu sei». Ich sehe aber noch immer
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