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Die weibliche
der Kaserne des Regiments ein abgesondertes Zimmer mit
aller einer Dame gebührenden Bequemlichkeit einzurichten und
ein Mann zu ihrer persönlichen Bedienung beizugeben, sie ist
auch in Allem wie ein Offizier zu halten. So, mein lieber Ca-
pitün, jetzt kennen Sie die.Befehle Ihrer Majestät und ich kann
nur noch wünschen, daß Sie strenge darnach handeln. Adieu!"
Nicht lange nach dem Capitän verließ auch Jadwiga den
weiblichen Obersten und kehrte zu ihren Eltern zurück, um die
letzte Nacht unter dem Dache derselben zu schlafen.
Den nächsten Morgen stand ein jugendlicher, schlanker
Musketier im Familiensaale des Hauses Niewelinski; die zier-
lichen Füße in hohen schwarzen Kappenstiefeln, über dem weißen
Beinkleide den knappen, grünen Leibrock mit scharlachrothen
Aufschlägen, über dem Leibrock, gleich allen den weiblichen
Soldaten Katharinens, den grünsammtenen mit goldhaarigem
kostbaren Zobel gefütterten und breit verbrämten, mit Gold
reich verschnürten Pelzrock, den kurzen Säbel an dem schwarz-
lackirten Wehrgehänge, das üppige blonde Haar ungepudert
unter dem schwarzen dreieckigen Hute in einen großen Knoten
geschlungen.
So nähni Jadlviga Alexandrowna Niewelinski Abschied
von ihren trostlosen Eltern, welche sie segneten und ihr ebenso
weitläufige als unnütze Ermahnungen auf den Weg gaben.
Dann stieg der verführerische Musketier in eine Sänfte
und ließ sich von zweien seiner Sclaven in die Kaserne des Re-
giments Tobolsk tragen, wo er sich bei dem Capitän Samarin
zum Dienste meldete. Soweit ging Alles ächt militärisch, da
in der Stube des Capitüns zwei jüngere Offiziere und einige
weißbärtige Unteroffiziere zum Rapporte anwesend waren, als
aber der Capitän und der Rekrut allein waren, stürzte der
Elftere seinem Soldaten zu Füßen und der Letztere schlang seine
Arme um den Hals des Vorgesetzten und bedeckte dessen Antlitz
mit Küssen. Nun übersprudelten gegenseitig die Fragen die
Antworten, bis sich die Liebenden über ihre ebenso reizende
als seltsame Situation verständigt hatten.
Sie saßen noch lange auf dem etwas defecten Sopha des
armen Commändanten, bis der Trommelwirbel im Kaserncnhofe
das Signal zur Musterung gab.
Es war ein köstlicher Anblick, als der junge hübsche
Capitän jetzt seinen noch jüngeren und schöneren Soldaten
galant an seinem Arme herabführte, ihm selbst die Muskete
übergab und ihn in seine Compagnie einreihte.
Endlich war die gesummte Mannschaft in einem großen
Viereck angetreten und die Oberstcommandantin Frau von Mellin
erschien in voller Uniform mit Feldbinde und Degen van ihren
Offizieren begleitet und hielt Revue; als dieselbe zu Ende war,
verkündete der anmuthige Oberst mit lauter Stimme, daß Ihre
Majestät in besonderer Gewogenheit für das Regiment das hoch-
geborne Fräulein Jadwiga Alexandrowna Niewelinski in das-
selbe eingereiht habe, es werde hiemit allen Offizieren und
Soldaten befohlen, dasselbe mit der einem Kameraden gebühren-
den Freundschaft und der einer Dame zustehendcn Achtung und
S ch i l d w a ch e.
Galanterie zu behandeln. Schließlich stellte Frau von Mellin
die Frage, wer die Bedienung des Fräuleins übernehmen wolle.
Im Nu traten mehr als hundert Soldaten und Offiziere
aus dem Gliedc, unter den Letzteren Capitän Samarin, welcher,
als er sich von so vielen Rivalen bedroht sah, zierlich ein Knie
vor der Commandantin beugte und um diesen Dienst als ein
Zeichen höchster Gunst bat.
Lächelnd wurde ihm diese Bitte als eine besondere „Gnade"
gewährt und so wurde der Capitän der Diener seines jüngsten
Soldaten. Er begann damit, daß er, nachdem die Revue be-
endet war, den schönen Musketier in das Zimmer führte, welches
auf Befehl der Kaiserin mit verschwenderischem Luxus für den-
selben in der Kaserne eingerichtet worden war. Jadwiga stieß
einen Ruf der holdesten Ueberraschung aus, als sie den reizen-
den kleinen Raum sah. Die Mitte der Hauptwand nahm ein
schneeweißes Himmelbett ein, dessen Falten ein scheinbar in der
Lust schwebender Amor zusammenhielt, gegenüber hing das Bild
Katharina's im Kaisermantel, die kleine Krane auf dem Haupte,
unter demselben lud eine Sammtottomane zum Ruhen und Plau-
dern ein, eine mit allen zu den Bedürfnissen der damaligen Mode-
damen gehörigen Bagatellen beladene Toilette, ein Trumcau-
spiegel, und eine riesige Garderobe mit schönem Schnitzwerk
vollendeten die Einrichtung, persische Teppiche bedeckten den
Boden und dämpften den Schritt, im Fenster versendeten Rosen
und Levkojen ihren feinen Duft.
Jadwiga war entzückt, gerührt, außer sich vor Dankbar-
keit für die gütige Fee, welche ihr Leben gleich einem goldenen
Märchen arrangiren zu wollen schien.
Die weibliche
der Kaserne des Regiments ein abgesondertes Zimmer mit
aller einer Dame gebührenden Bequemlichkeit einzurichten und
ein Mann zu ihrer persönlichen Bedienung beizugeben, sie ist
auch in Allem wie ein Offizier zu halten. So, mein lieber Ca-
pitün, jetzt kennen Sie die.Befehle Ihrer Majestät und ich kann
nur noch wünschen, daß Sie strenge darnach handeln. Adieu!"
Nicht lange nach dem Capitän verließ auch Jadwiga den
weiblichen Obersten und kehrte zu ihren Eltern zurück, um die
letzte Nacht unter dem Dache derselben zu schlafen.
Den nächsten Morgen stand ein jugendlicher, schlanker
Musketier im Familiensaale des Hauses Niewelinski; die zier-
lichen Füße in hohen schwarzen Kappenstiefeln, über dem weißen
Beinkleide den knappen, grünen Leibrock mit scharlachrothen
Aufschlägen, über dem Leibrock, gleich allen den weiblichen
Soldaten Katharinens, den grünsammtenen mit goldhaarigem
kostbaren Zobel gefütterten und breit verbrämten, mit Gold
reich verschnürten Pelzrock, den kurzen Säbel an dem schwarz-
lackirten Wehrgehänge, das üppige blonde Haar ungepudert
unter dem schwarzen dreieckigen Hute in einen großen Knoten
geschlungen.
So nähni Jadlviga Alexandrowna Niewelinski Abschied
von ihren trostlosen Eltern, welche sie segneten und ihr ebenso
weitläufige als unnütze Ermahnungen auf den Weg gaben.
Dann stieg der verführerische Musketier in eine Sänfte
und ließ sich von zweien seiner Sclaven in die Kaserne des Re-
giments Tobolsk tragen, wo er sich bei dem Capitän Samarin
zum Dienste meldete. Soweit ging Alles ächt militärisch, da
in der Stube des Capitüns zwei jüngere Offiziere und einige
weißbärtige Unteroffiziere zum Rapporte anwesend waren, als
aber der Capitän und der Rekrut allein waren, stürzte der
Elftere seinem Soldaten zu Füßen und der Letztere schlang seine
Arme um den Hals des Vorgesetzten und bedeckte dessen Antlitz
mit Küssen. Nun übersprudelten gegenseitig die Fragen die
Antworten, bis sich die Liebenden über ihre ebenso reizende
als seltsame Situation verständigt hatten.
Sie saßen noch lange auf dem etwas defecten Sopha des
armen Commändanten, bis der Trommelwirbel im Kaserncnhofe
das Signal zur Musterung gab.
Es war ein köstlicher Anblick, als der junge hübsche
Capitän jetzt seinen noch jüngeren und schöneren Soldaten
galant an seinem Arme herabführte, ihm selbst die Muskete
übergab und ihn in seine Compagnie einreihte.
Endlich war die gesummte Mannschaft in einem großen
Viereck angetreten und die Oberstcommandantin Frau von Mellin
erschien in voller Uniform mit Feldbinde und Degen van ihren
Offizieren begleitet und hielt Revue; als dieselbe zu Ende war,
verkündete der anmuthige Oberst mit lauter Stimme, daß Ihre
Majestät in besonderer Gewogenheit für das Regiment das hoch-
geborne Fräulein Jadwiga Alexandrowna Niewelinski in das-
selbe eingereiht habe, es werde hiemit allen Offizieren und
Soldaten befohlen, dasselbe mit der einem Kameraden gebühren-
den Freundschaft und der einer Dame zustehendcn Achtung und
S ch i l d w a ch e.
Galanterie zu behandeln. Schließlich stellte Frau von Mellin
die Frage, wer die Bedienung des Fräuleins übernehmen wolle.
Im Nu traten mehr als hundert Soldaten und Offiziere
aus dem Gliedc, unter den Letzteren Capitän Samarin, welcher,
als er sich von so vielen Rivalen bedroht sah, zierlich ein Knie
vor der Commandantin beugte und um diesen Dienst als ein
Zeichen höchster Gunst bat.
Lächelnd wurde ihm diese Bitte als eine besondere „Gnade"
gewährt und so wurde der Capitän der Diener seines jüngsten
Soldaten. Er begann damit, daß er, nachdem die Revue be-
endet war, den schönen Musketier in das Zimmer führte, welches
auf Befehl der Kaiserin mit verschwenderischem Luxus für den-
selben in der Kaserne eingerichtet worden war. Jadwiga stieß
einen Ruf der holdesten Ueberraschung aus, als sie den reizen-
den kleinen Raum sah. Die Mitte der Hauptwand nahm ein
schneeweißes Himmelbett ein, dessen Falten ein scheinbar in der
Lust schwebender Amor zusammenhielt, gegenüber hing das Bild
Katharina's im Kaisermantel, die kleine Krane auf dem Haupte,
unter demselben lud eine Sammtottomane zum Ruhen und Plau-
dern ein, eine mit allen zu den Bedürfnissen der damaligen Mode-
damen gehörigen Bagatellen beladene Toilette, ein Trumcau-
spiegel, und eine riesige Garderobe mit schönem Schnitzwerk
vollendeten die Einrichtung, persische Teppiche bedeckten den
Boden und dämpften den Schritt, im Fenster versendeten Rosen
und Levkojen ihren feinen Duft.
Jadwiga war entzückt, gerührt, außer sich vor Dankbar-
keit für die gütige Fee, welche ihr Leben gleich einem goldenen
Märchen arrangiren zu wollen schien.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die weibliche Schildwache"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1870
Entstehungsdatum (normiert)
1860 - 1880
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 53.1870, Nr. 1322, S. 145
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg