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Tag machen kannst, so schicke ich Dir hiermit etwas zum Kauen.
Viel ist cs nicht, doch hoffe ich, daß Du davon satt werden
und ein Pröbchen vom amerikanischen Geschmack bekommen wirst.

Lebe wohl und schreibe auch einmal
Deinem alten Freunde

Beller,

Lagcrbierwirth in New-Pork.
lOts Avenue.

Diesen Brief nebst einem kleinen Päckchen hatte der Schuh-
machcrmeister Anton Zweckert von einem aus Amerika zurück-
kehrendcn Landsmanne heute erhalten und noch hundert Grüße
dazu, die Beller dem nach der Heimath Reisenden für seinen
alten Freund Zweckert mündlich aufgetragen hatte.

Zweckert hatte den Brief aus Amerika schon dreimal ge-
lesen und war zu der Ueberzeugung gekommen, daß Beller doch
wahrhaftig ein ganz kreuzbraver Kerl drüben geworden sei, weil
er seines Freundes noch in der Ferne so liebreich gedenke.
Dann aber hatte Zweckert das kleine Päckchen zur Hand ge-
nommen, das er sich jedoch noch gar nicht zu öffnen getraute.
Endlich siegte freilich seine Neugier; er bohrte am oberen Ende
vorsichtig ein Loch in die mit Papier umhüllte Rolle. Aber wer
beschreibt seine grausame Enttäuschung, als er auf — Tabak
stößt! „So soll Dich doch gleich der und jener —" rief Zweckert
aufgebracht und warf das Päckchen auf den Boden. „Ich hätte
mir's doch bald denken können, daß der Beller auch drüben
in Amerika ein Taugenichts geblieben ist, der von jeher kein
größeres Vergnügen kannte, als bcu Leuten einen Schabernack zu
spielen und wenn es auch zehnmal seine besten Freunde waren."

Aergerlich ging Zweckert in seinem Stübchen auf und ab.
Wenn er den Beller jetzt hier gehabt hätte, so würde er ihm
gewiß seine Dankbarkeit mit dem Knieriemen aus das Kräftigste
ausgedrückt haben. Aber einen anderen Possen wollte er ihm
schon spielen, das nahm er sich fest vor.

Um seinen Aergcr los zu werden, nahm Zweckert Hut
und Stock. Er wollte drüben im „Lamm" einen Beruhigungs-
schoppen trinken. Damit aber auch seine Freunde und Zech-
brüder erfahren sollten, welchen schlechten Streich ihm der
amerikanische Bierwirth Beller gespielt habe, so nahm er dessen
Brief und das Tabakpäckchen mit.

Beim Lammwirth kann man zu jeder Zeit durstige Gäste
finden, denn man trinkt dort für 6 bis 10 Kreuzer einen
Schoppen Wein, den man anderswo fast doppelt so theuer
! bezahlen muß. Kein Wunder also, daß es im Lamm von
Gästen wimmelt, während andere Wirthe in ihren Gaststuben
mißmuthig zwischen leeren Tischen und Stühlen spazieren gehen
können. Auch Zweckert fand, wie er erwartet hatte, eine Anzahl
seiner Freunde im „Lamm" versammelt und theilte denselben
j den schlechten Streich Beller's sammt dem heuchlerischen Briefe
mit. Allein statt des erwarteten Bedauerns fand Zweckert nur
Spott und Gelächter. „Das sieht dem Beller ganz ähnlich!
Der Kerl treibt in Amerika seine Dummheiten noch eben so
arg als früher hier in Deutschland!"

Diese und ähnliche Urtheile über den von früher noch
allgemein als Thunichtgut bekannten Beller wurden laut und

Jeder erinnerte sich eines anderen tollen Streiches, den der
jetzige New-Porker Bierwirth damals hier in seiner Heimath ver-
übt hatte. Zweckert sah ziemlich betrübt darein und ließ es ruhig
geschehen, als das Geschenk jetzt unter Lachen nnd spöttischen
Bemerkungen von Hand zu Hand ging. Einer der Gäste hatte
dabei das Päckchen Tabak geöffnet und prüfte durch den Ge-
ruch das amerikanische Produkt; endlich aber brach er in ein
tolles Lachen aus.

„Sagte ich's nicht," rief er, „daß der Beller ein Haupt-
spitzbub ist, der nichts thun kann, ohne einen schlechten Witz
damit zu verbinden? Hat er Dir nicht geschrieben, Zweckert,
daß er Dir gleichsam aus Mitleid etwas zum Kauen schicke?
Nun da hast Du's! Das Zeug hier in dem Päckchen ist
nichts anderes als amerikanischer Kautabak und ich glaube
schon, daß du davon mehr als satt werden wirst."

Wieder erhob sich ein allgemeines Gelächter, doch drängte
sich jetzt Alles herbei und Jeder wollte ein wenig von dem
Kautabak versuchen, doch >var Keiner, der diese amerikanische
Delikatesse nicht alsbald wieder unter allen Zeichen des Wider-
willens beseitigt hätte. Plötzlich jedoch ertönte ein lauter Aus-
ruf des Erstaunens, denn einer der Gäste hatte bei der weiteren
Untersuchung des Tabakpäckchens eine — Banknote gefunden,
die er jetzt triumphirend Zweckert überreichte.

„Da seht Ihr doch wieder einmal: wer zuletzt lacht, lacht
am Besten," rief der plötzlich fröhlich gewordene Schuhmachcr-
meister. „Wußte ich doch, daß mein Freund Beller nicht ein
solcher Lump sei, wofür Ihr alle ihn noch eben halten wolltet!"

Jetzt machte die amerikanische Banknote die Runde am
Tische und erregte ein viel größeres Erstaunen bei den Gästen,
als vorhin der Kautabak. Was eigentlich auf dem Papiere
stand, das wußte freilich Niemand zu sagen, denn die Worte
waren englisch. Die Banknote war nicht so groß, wie unsere
deutschen Gulden- und Thalerscheine, doch von vorzüglicher Ar-
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein amerikanisches Geschenk"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsdatum
um 1870
Entstehungsdatum (normiert)
1860 - 1880
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Tabak
Versteck
Kautabak
Geschenk <Motiv>
Freund
Amerika
Gespräch
Geld
Gasthausbrauerei
Banknote
Brief
Karikatur
Hund <Motiv>
Gaststätte
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 53.1870, Nr. 1325, S. 178

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