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Bovo.
Eine heitere Geistergeschichte
von Sachcr-Masoch.
(Schluß.)
Die Eltern der schönen Marguerite hatten nach dem
Verschwinden ihrer Tochter sofort den Verdacht auf Ascanio
geworfen; als sie aber durch ihren alten Freund Pepin erfahren
hatten, daß der junge Künstler nach wie vor bei Cellini wohne
und arbeite, während Marguerite seit ihrem ersten Besuche nie
wieder im Castell gesehen worden sei, gaben sie ihren Nach-
forschungen eine andere Richtung, selbstverständlich ohne jeden
Erfolg. Unterdessen war Bologna mit seinen Abgüssen von Rom
zurückgckehrt und Cellini mit seinem schönen Jupiter ans Silber
fertig geworden, welcher ans einer vergoldeten Basis stand, die
auf einem hölzernen Untersatz ruhte. In den letzteren, der nur
wenig zu sehen war, hatte Benvenuto vier hölzerne Kügelchen
cingefügt, auf denen jedes kleine Kind ohne Schwierigkeit die
Statue hin- und herbewegen konnte. So brachte er sie nach
Fontainebleau zu dem Könige.
Als der große Bildner bei Franz I. ansragte, wo er
sein Werk zu sehen wünsche, war die Marquise von Estampes,
seine Feindin, zugegen und meinte, es gäbe keinen besseren
Ort dasselbe aufznstellen als die Gallerie.
Als Cellini in dieselbe eintrat, wurde ihm die Absicht der
Marquise sofort klar. Die hundert Schritt lange und zwölf
Schritt breite Gallerie, mit Malereien von dem Florentiner
Rosso und schöner Bildhancrarbeit verziert, eignete sich aller-
dings trefflich zur Aufnahme von Kunstwerken; da aber bereits
die in Rom nach den besten Werken der Antike angefertigten
Abgüsse Bologna's in derselben ausgestellt waren, hatte die
schöne boshafte Dame offenbar den Plan, Cellini's Werk durch
die elfteren um seinen Erfolg zu bringen.
„Das ist ja hier als wenn man durch die Piken laufen
müßte," begann Cellini sich am Kopfe kratzend zu Ascanio,
der ihn begleitet hatte, gewendet, „nun wollen >vir scheu, ob
mich Gott verläßt."
Er stellte seinen Jupiter auf, so gut er nur könnte und er-
wartete so den König. Der silberne Götterkönig hatte in seiner
rechten Hand den Blitz als wenn er ihn schleudern wollte, in der
linken die Weltkugel. Zwischen der Flamme des Blitzes hatte Beu-
vcnuto geschickt und unbemerkt ein Stück weißer Kerze angebracht.
Die Marquise hatte den König bis zum Einbruch der
Dunkelheit zurückgehalteu, um zu allem Uebrigen noch die
mangelhafte Beleuchtung, zu Cellini's Schaden, wie sie hoffte,
zu fügen. Aber es kam ganz anders.
Benvenuto zündete, als es dunkel wurde, die Kerze an, die
Jupiter mit dem Blitz über seinem Haupte hielt und so fielen
die Lichter von oben aus die Statue und verliehen ihr eine
magische Wirkung, weit mehr, als sie bei Tage gehabt hätte.
Als der König mit seinem Sohn, dem Dauphin, der
Dauphine, der Marquise von Estampes, dem König von Navarra
und seinem Hofstaat eintrat, ließ Cellini durch Ascanio die
Statue vorwärts bewegen, so daß sic mit einem Male lebendig zu
werden schien. Alle Anwesenden blickten aus das Werk Beuvcunto's
und würdigten die antiken Statuen kaum einer Aufmerksamkeit.
„Das ist die schönste Arbeit, die je ein Menschcnauge
gesehen hat," rief der König entzückt, „ich habe mir nicht den
hundertsten Theil von dem erwartet, was Cellini hier geleistet hat!"
„Seht Ihr nicht, wie viel schöner jene Figuren sind,"
fiel die Marquise ein, auf Bologna's Abgüsse deutend. Alle
wendeten sich denselben zu. Franzi, aber sagte lächelnd: „Wer
Cellini herunter setzen wollte, hat ihn sehr begünstigt, den»
neben diesen herrlichen antiken Figuren erkennt man erst recht
die höhere Schönheit der seinigen. Man muß Benvenuto sehr
in Ehren halten, da seine Arbeiten nicht allein jenen der Alten
j gleichstehen, sondern dieselben noch übcrtrcsfeu."
Die Marquise verging vor Wuth. „Wenn man dies
Werk beurtheilen will," sagte sie, „muß man cs bei Tage
sehen, wo es nicht ein Tanscudtheil so schön erscheinen wird
wie bei Nacht, auch hat der Meister der Figur einen Schleier
umgeworfen, um ihre Fehler zu verbergen."
Wirklich hatte Cellini seinem Gotte einen sehr feinen
Schleier umgelcgt, um ihn noch majestätischer erscheinen zu lassen.
Wüthend zerriß er jetzt denselben und war eben im Begriffe
seinem Zorne Luft zu machen, als der König auf ihn zutrat.
„Benvenuto," sprach er mit edler Majestät, „ich schneide Dir
das Wort im Munde ab. Dafür sollst Du tausendmal mehr
Belohnung erhalten als Du erwartet." Dann fuhr er zu den
Prinzen und Hofleuten gekehrt fort: „Ich wünsche mir Glück,
daß ich Italien den besten Manu entführt habe, den es jemals
in dieser schönen Kunst gab."
Madame d'Estampes biß sich in die Lippen und zerriß
ihr Taschentuch. Als Cellini am Morgen Fontainebleau verließ,
ließ ihm der König tausend Goldgulden auszahlen.
Vergnügt und stolz, gleich einen: Triumphator, kehrte
Benvenuto Cellini mit seinem Gesellen nach Paris zurück und
bewirthete an dem Tage, da er heimkam alle seine Leute in
königlicher Weise, wie es einem Fürsten der Kunst ziemte. Nach
der Tafel ließ er seine Kleider bringen, welche von dem schönsten
Tuche und dem feinsten Pelzwerk waren und beschenkte damit
seine Arbeiter. Er machte sich nun mit neuem Eifer an seine
Colossalstatue des Mars, deren Modell aus Holz er mit Eisen
j befestigt und mit einer dichten Kruste von Gips überzogen hatte.
Jedes der Stücke dieser Figur wurde auf seine Anordnung für
sich ausgearbeitet und sollten alle zuletzt mit sogenannten
Schwalbenschwänzen verbunden werden.
Als der Kopf beinahe vollendet war, ließ ihn Cellini aus
Eitelkeit aufgedeckt, so daß ihn, wegen der Höhe, auf der er
stand, ein großer Theil von Paris sehen konnte. Nun waren
bald alle Dächer der Nachbarschaft mit Neugierigen bedeckt,
welche das herrliche Bildwerk bewunderten, und seltsam, der und
jener, der wiederholt hingesehen hatte, wollte bemerkt haben, daß
sich etwas Lebendiges im Kopfe des Mars bewege. Bald ging
das Gerücht von Mund zu Mund, der Geist Bovo sei in die
Figur gefahren und bewege ihre Augen und Lippen als wenn
sie reden wolle. Selbst die Klügsten erklärten das momentane
Leuchten der Augen für ein rüthselhaftes Naturspiel.
Endlich verdroß die Sache Cellini und eines Vormittages
Bovo.
Eine heitere Geistergeschichte
von Sachcr-Masoch.
(Schluß.)
Die Eltern der schönen Marguerite hatten nach dem
Verschwinden ihrer Tochter sofort den Verdacht auf Ascanio
geworfen; als sie aber durch ihren alten Freund Pepin erfahren
hatten, daß der junge Künstler nach wie vor bei Cellini wohne
und arbeite, während Marguerite seit ihrem ersten Besuche nie
wieder im Castell gesehen worden sei, gaben sie ihren Nach-
forschungen eine andere Richtung, selbstverständlich ohne jeden
Erfolg. Unterdessen war Bologna mit seinen Abgüssen von Rom
zurückgckehrt und Cellini mit seinem schönen Jupiter ans Silber
fertig geworden, welcher ans einer vergoldeten Basis stand, die
auf einem hölzernen Untersatz ruhte. In den letzteren, der nur
wenig zu sehen war, hatte Benvenuto vier hölzerne Kügelchen
cingefügt, auf denen jedes kleine Kind ohne Schwierigkeit die
Statue hin- und herbewegen konnte. So brachte er sie nach
Fontainebleau zu dem Könige.
Als der große Bildner bei Franz I. ansragte, wo er
sein Werk zu sehen wünsche, war die Marquise von Estampes,
seine Feindin, zugegen und meinte, es gäbe keinen besseren
Ort dasselbe aufznstellen als die Gallerie.
Als Cellini in dieselbe eintrat, wurde ihm die Absicht der
Marquise sofort klar. Die hundert Schritt lange und zwölf
Schritt breite Gallerie, mit Malereien von dem Florentiner
Rosso und schöner Bildhancrarbeit verziert, eignete sich aller-
dings trefflich zur Aufnahme von Kunstwerken; da aber bereits
die in Rom nach den besten Werken der Antike angefertigten
Abgüsse Bologna's in derselben ausgestellt waren, hatte die
schöne boshafte Dame offenbar den Plan, Cellini's Werk durch
die elfteren um seinen Erfolg zu bringen.
„Das ist ja hier als wenn man durch die Piken laufen
müßte," begann Cellini sich am Kopfe kratzend zu Ascanio,
der ihn begleitet hatte, gewendet, „nun wollen >vir scheu, ob
mich Gott verläßt."
Er stellte seinen Jupiter auf, so gut er nur könnte und er-
wartete so den König. Der silberne Götterkönig hatte in seiner
rechten Hand den Blitz als wenn er ihn schleudern wollte, in der
linken die Weltkugel. Zwischen der Flamme des Blitzes hatte Beu-
vcnuto geschickt und unbemerkt ein Stück weißer Kerze angebracht.
Die Marquise hatte den König bis zum Einbruch der
Dunkelheit zurückgehalteu, um zu allem Uebrigen noch die
mangelhafte Beleuchtung, zu Cellini's Schaden, wie sie hoffte,
zu fügen. Aber es kam ganz anders.
Benvenuto zündete, als es dunkel wurde, die Kerze an, die
Jupiter mit dem Blitz über seinem Haupte hielt und so fielen
die Lichter von oben aus die Statue und verliehen ihr eine
magische Wirkung, weit mehr, als sie bei Tage gehabt hätte.
Als der König mit seinem Sohn, dem Dauphin, der
Dauphine, der Marquise von Estampes, dem König von Navarra
und seinem Hofstaat eintrat, ließ Cellini durch Ascanio die
Statue vorwärts bewegen, so daß sic mit einem Male lebendig zu
werden schien. Alle Anwesenden blickten aus das Werk Beuvcunto's
und würdigten die antiken Statuen kaum einer Aufmerksamkeit.
„Das ist die schönste Arbeit, die je ein Menschcnauge
gesehen hat," rief der König entzückt, „ich habe mir nicht den
hundertsten Theil von dem erwartet, was Cellini hier geleistet hat!"
„Seht Ihr nicht, wie viel schöner jene Figuren sind,"
fiel die Marquise ein, auf Bologna's Abgüsse deutend. Alle
wendeten sich denselben zu. Franzi, aber sagte lächelnd: „Wer
Cellini herunter setzen wollte, hat ihn sehr begünstigt, den»
neben diesen herrlichen antiken Figuren erkennt man erst recht
die höhere Schönheit der seinigen. Man muß Benvenuto sehr
in Ehren halten, da seine Arbeiten nicht allein jenen der Alten
j gleichstehen, sondern dieselben noch übcrtrcsfeu."
Die Marquise verging vor Wuth. „Wenn man dies
Werk beurtheilen will," sagte sie, „muß man cs bei Tage
sehen, wo es nicht ein Tanscudtheil so schön erscheinen wird
wie bei Nacht, auch hat der Meister der Figur einen Schleier
umgeworfen, um ihre Fehler zu verbergen."
Wirklich hatte Cellini seinem Gotte einen sehr feinen
Schleier umgelcgt, um ihn noch majestätischer erscheinen zu lassen.
Wüthend zerriß er jetzt denselben und war eben im Begriffe
seinem Zorne Luft zu machen, als der König auf ihn zutrat.
„Benvenuto," sprach er mit edler Majestät, „ich schneide Dir
das Wort im Munde ab. Dafür sollst Du tausendmal mehr
Belohnung erhalten als Du erwartet." Dann fuhr er zu den
Prinzen und Hofleuten gekehrt fort: „Ich wünsche mir Glück,
daß ich Italien den besten Manu entführt habe, den es jemals
in dieser schönen Kunst gab."
Madame d'Estampes biß sich in die Lippen und zerriß
ihr Taschentuch. Als Cellini am Morgen Fontainebleau verließ,
ließ ihm der König tausend Goldgulden auszahlen.
Vergnügt und stolz, gleich einen: Triumphator, kehrte
Benvenuto Cellini mit seinem Gesellen nach Paris zurück und
bewirthete an dem Tage, da er heimkam alle seine Leute in
königlicher Weise, wie es einem Fürsten der Kunst ziemte. Nach
der Tafel ließ er seine Kleider bringen, welche von dem schönsten
Tuche und dem feinsten Pelzwerk waren und beschenkte damit
seine Arbeiter. Er machte sich nun mit neuem Eifer an seine
Colossalstatue des Mars, deren Modell aus Holz er mit Eisen
j befestigt und mit einer dichten Kruste von Gips überzogen hatte.
Jedes der Stücke dieser Figur wurde auf seine Anordnung für
sich ausgearbeitet und sollten alle zuletzt mit sogenannten
Schwalbenschwänzen verbunden werden.
Als der Kopf beinahe vollendet war, ließ ihn Cellini aus
Eitelkeit aufgedeckt, so daß ihn, wegen der Höhe, auf der er
stand, ein großer Theil von Paris sehen konnte. Nun waren
bald alle Dächer der Nachbarschaft mit Neugierigen bedeckt,
welche das herrliche Bildwerk bewunderten, und seltsam, der und
jener, der wiederholt hingesehen hatte, wollte bemerkt haben, daß
sich etwas Lebendiges im Kopfe des Mars bewege. Bald ging
das Gerücht von Mund zu Mund, der Geist Bovo sei in die
Figur gefahren und bewege ihre Augen und Lippen als wenn
sie reden wolle. Selbst die Klügsten erklärten das momentane
Leuchten der Augen für ein rüthselhaftes Naturspiel.
Endlich verdroß die Sache Cellini und eines Vormittages