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I

42 14,615

wieder in den Schreibtisch geschlossen und seinen Ueberrock ärger-
lich uns ein kleines Sopha geworfen, dos in der Ecke des Zimmers
stand. Er nahm ein Buch, um zu lesen, aber die weißen
Blätter zogen die Augen nicht so an, wie der Schreibtisch,
welcher den Gegenstand seines innern Kampfes barg. Tauscnder-
und Hunderter-Banknoten flimmerten ihm vor, und er wußte
nicht einmal, ob das Buch, welches er in der Hand hielt, ein
Roman oder ein rechtswissenschaftliches Werk sei.

Die Zeit des Abendessens kam heran. Gabor aß noch
weniger, als Mittags.

„Du bist doch unwohl, mein Geliebter, Du verheimlichst
es vergebens!" sprach die Frau.

„Ich bin ermattet; ich will mich gleich niederlegen und
morgen Früh wird mir nichts mehr fehlen!"

lind in der That begab sich Gabor, als seine Frau ans
einen Augenblick in die Küche ging, um noch etwas anzuordnen,
zu Bett und kehrte sich mit dem Gesichte gegen die Wand, um
von seiner Gattin nicht etwa noch angeredet zu werden. Er
wollte wieder nachgrübeln; doch die so oft wiederholten Gedanken
hatten ihren Reiz verloren, und seine ermüdete Einbildungskraft
konnte die Gestalten des spielenden Magnaten und des selbst-
mörderischen Familienvaters nicht mehr so lebhaft verkörpern;
eine gewisse Abgestumpftheit bemächtigte sich seiner; doch zu
schlafen vermochte er nicht; er lag im Bette, unbeweglich wie
ein Todter.

Auch Marika ging bald darauf zu Bett; aber auch sie
konnte die Augen nicht schließen, und lauschte, ob Gabor wohl
noch wache. Es dauerte über zwei Stunden, ehe dieser nach
langen Kämpfen einschlief.

„Gott sei gedankt!" stammelte die kleine herzige Frau,
und machte nun selber den Versuch, einzuschlafen. Aber Gabor
begann jetzt mit einem Male im Traume: „— Tausend . . .
Zweitausend . . . Vierzehntausend . . . Actien. . . Margit. . .
haltet ihn . . . jetzt springt er . . . hier die Kettenbrücke . . . ha,
ha, ha! er hat es ja in Karten verspielt ... ich gebe es ab
. . . ja, lächerlich — ich gebe es nicht ab . . . Regalias ..."

„Mein Gott! wovon mag er träumen," sprach die Frau
furchtsam zu sich und zog die gestickte Decke beinahe ganz über
das Gesicht.

Endlich seufzte Gabor tief auf, und dann wurde im
Zimmer Alles ruhig. Bald darauf schlief auch Marika ein.

Kaum graute es draußen, als Gabor schon erwachte. Die
gestrigen Gedanken bestürmten sein Hirn mit doppelter Geivalt.
Er sprang rasch auf, kleidete sich an und zog sich in sein Arbeits-
zimmer zurück, die schlafende Frau und die Kinder allein zurück-
lnssend. Das Geld nahm er natürlich zu sich und, um es be-
beqnemer bei sich zu tragen, zog er wieder seinen Ucberzicher
an. Dann warf er sich in einen Sessel, mit dem Gedanken,
sich jetzt für alle Fälle zu entscheiden; dieser wahnsinnige Zu-
stand durfte nicht länger währen.

Später erst erwachte auch Marika. Ihr erster Blick glitt
nach dem Bette ihres Gatten hin, doch dieser war verschwunden.
Sic warf eilig ihre Hauskleidnng über und blickte in das

Gulden.

Zimmer ihres Gatten. Gabor ruhte in mehr liegender als
sitzender Stellung im Lehnstuhle; seine Hände fielen schlaff
zu beiden Seiten herab, sein Kopf war in die Kissen des
Sessels gesenkt, und krampfhaft blickte er, wie ein Verzweifelter,
ans einen Punkt. Die Frau erschrakt förmlich vor ihm. Auch
den Paletot hatte er wieder an; doch wagte sie nicht, ihn zu
fragen, warum; die gestrige Zurückweisung brannte abermals in
ihrem Herzen. Endlich entschloß sie sich und näherte sich ihrem
Gatten. Gabor sprang gleichsam überrascht aus und reichte der
Nahenden seine Hand. Aber damit begnügte sich Marika noch
nicht; sie ergriff mit ihrer Linken die Rechte ihres Mannes,
mit der andern Hand aber umschlang sie seinen Hals und blickte
so nahe, daß ihn ihr heißer Athen: streifte, mit schmerzlichem
Lächeln in seine Augen. „Gabor, Dir fehlt etwas, und hast zu
mir kein Vertrauen. Bin ich nicht stets Deine gute und treue
Gattin gewesen? Wenn uns irgend ein Unglück betroffen hat,
sag' cs mir, ich will cs mit Dir theilen."

Gabor wurde weich und Thränen entrollten seinen Augen.
Er entwand sich zärtlich den Armen seiner Frau und drückte
einen langen, heißen Kuß auf ihre Hand.

„Du hattest in der Nacht schlechte Träume, nicht wahr?"
sprach die Frau vertraulich, durch Gabors wiederholte Zärtlich-
keit ermuthigt. „Du phantasirtest auch vou Geld, von der
Kettenbrücke, und ich weiß nicht mehr, wovon noch sonst!"

„Vollständiger Wahnsinn!" murmelte Gabor in sich.

„Daß Dich etwas schmerzt, ist gkwiß; so sage mir doch,
was Dich schmerzt und wo das Hebel steckt!"

Gabor setzte sich wieder in den Lehnstuhl und schlug seinen
Paletot auf.

„Nun, wo steckt das Uebel?"

„Hier!" antwortete Gabor und berührte das Portefeuille
mit seinem Finger.

Die Frau glaubte, ihr Gatte zeige auf sein Herz ; vielleicht
hat er sich in Jemanden verliebt. Ihr wurde es, als ob man
einen Dorn in ihre Brust gestochen hatte — von dieser Seite hatte
sie noch keinerlei Schmerz berührt. Sic senkte ihren Kopf und
sprach mit stiller Resignation: „Ja, wenn Du eine Andere liebst,
so kann Dir nicht geholfen werden. Ich verzeihe es Dir, Gabor."

„Das war denn aber für Gabor doch zu viel. Was?
Er eine Andere lieben, als seine kleine Marika? Also kann man
auch schon so etwas an ihm voraussetzen? War es denn wirk-
lich schon so weit gekommen? Wie ein Tiger sprang er empor.
„Erbärmlichkeit!" schrie er, zog das Portefeuille aus der Tasche
und schleuderte es so heftig in die Mitte der Stube, daß die
Tausender nur so nmherflogen.

„Gnädiger Gott!" schrie Marika, die von der ganzen
Scene nichts verstand, beim Anblick des vielen Geldes.

„So, hier ist es! Das war's!" sprach Gabor, auf den
Boden stampfend und bewegt ans- und abgehend.

„Woher hast Du dieses Geld, Gabor? Sprich um's
Himmels Willen!"

„Gestern fand ich cs, Marika — ich habe es gestern gefunden."

„Gott sei Dank!" Und sie wurde beinahe ohnmächtig.

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