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Eine weibliche Reise nach Suez.

ist recht mal ü propos ausgcsressen worden, so nahe am Ans-
gange der Wüste Sahara. —

Ich werde so schnell als möglich eilen, diesen verderblichen
Wcltrhcil zu verlassen und hoffe in ungefähr 14 Tagen wieder
bei Dir zu sein. Meine weitere Reise bis nach Kairo war lang-
weilig, aber gefahrlos. Es umarmt Dich Deine unvergeßliche

• Laura Gruber.

Letzter Brief.

Marseibe, 12. December 1869.

Cara Leonetta!

Meine geliebte Leonina, dies ist der letzte Brief Deiner
geliebten Laura, denn bald, o bald, werde ich mich an Deinen
schlanken Hals und um meine beiden heißgeliebten Töchterchen
werfen. Laß Dir nur in Kurzem erzählen, ans welche Weise
ich wieder nach Europa gekommen bin.

Plötzlich, wie durch Zauberschlag an den Rand der Wüste
versetzt, zog ich, gefolgt von der weinenden Nettel, wenige Stunden
später in die Hauptstadt von Aegypten wieder ein. Als ich
über die Esbekieh, den englischen Garten Cairo's, ritt, stieß
hinter mir Nettchcn zum erstenmale auf afrikanischem Boden
einen Schrei der Freude aus. Ich blickte erstaunt, aber weil
viele Leute spazieren wandelten, auch schmelzend zurück und er-

blickte unfern alten Freund, — den Professor Stangelhnbcr

aus München. Ach, Lcvnie! Ans afrikanischem Boden, nachdem
man wochenlang nichts als Mohren, Löwen, Beduinen, Kabylen,
Vögel Sträuße und Leoparden gesehen hat, macht ein bayerischer
Professor einen fast wunderbaren Eindruck. Ich stürzte mich
, phrcnctisch von meinem Kameele herab ans den Professor Stangel-
huber, nnsern bescheidenen Zeichnenlehrer aus dein Pensionate.
Alle Erinnerungen meiner fernen Unschuld wogten über uns zu-
sammen, als ich ausrief: „O Stangclhnber!"

Auch Stangelhnbcr war zur Suezcröffnnng in dieses ab-
scheuliche Land gekommen; er war erst drei Tage in Cairo imb
schien über unsere freudige Zusammenkunft mehr bestürzt als
erfreut zu sein. So intensiv wirkt ans afrikanischem Boden
die Uebcrraschung. Wimmernd erzählte ich ihm meine sahnrische
Biographie. Als ich ausgelvimmcrt hatte, ergriff ich seinen
Hals und schwor, ihn niemals zu verlassen. Er schien so er-

griffen zu sein, daß er lange Zeit nicht Worte finden konnte,
mir seinen ritterlichen Schutz anzubieten. Aber ich las in seinen
wilden Blicken den Zorn über mein schreckliches Geschick.

Bon diesem Augenblicke an verließ ich meinen guten,
dicken Stangelhnbcr keinen Augenblick. Auch Nettel schien wie
neugeboren zu sein; sie ertrug an seiner Seite selbst den An-
blick eines Mohren mit Stoicismus.

Doch auf Stangelhuber schien das orientalische Leben,
selbst an meiner Seite, keinen angenehmen Eindruck zu machen.
Er war meist in sehr gereizter Stimmung, und da er seinem
Aerger über die ägyptischen Verhältnisse endlich doch Lust machen
mußte, so nannte er sogar mich eine schwärmerische Närrin
und Nettchen eine dumme Gans. Aber wir waren so still-
vergnügt über unser» dicken Ritter unter all' diesen afrikanischen
Molchen, daß tvir ihm selbst seine Grobheit durch wahrhaft
biedere Anhänglichkeit und Treue vergalten. Wir blieben stand-
haft an seiner Seite, wenn er auch noch so ergrimmt über
diese afrikanischen Verhältnisse war.

Wir reisten miteinander nach Port Said, von Port Said
nach Jsmnilia, von Jsmailia nach Suez; tvir durchfuhren den
Kanal hinter der Kaiserin Eugenie. Ich machte ihn auf
Alles, was nur meine hin- und herflackcrnden Augen bemerken
konnten, mit rastloser Zunge aufmerksam, auch wenn er sich
mit der ganzen Kälte seines ■ Gelehrtenthums umgürtctc. Nicht
selten fiel sein, durch afrikanische, von mir geschilderte Ver-
hältnisse erzürnter, grimmiger Blick auf mich, oder ans die
oft laut kreischende, agitirte Nettel. Aber ich bin eine dank-
bare Seele und harrte bei ihm aus, bis der Suezkanal gänz-
lichst eröffnet worden war. Endlich aber sagte er mir, daß er
nach Oberägypten abzureisen gesonnen sei; er hätte sich bereits
auf einem Nilschiffc ganz allein. cingemiethct, da nur mehr
ein einziger freier Platz zu haben gewesen wäre! Er besorgte
indes; mit freudigster Herzlichkeit noch meine Einschiffung nach
Europa. So herzlich heiter habe ich den guten Stangelhuber
noch nie'gesehen, als da er mir zum letztemnale beim Abschiede
die Hand reichte.

Was soll ich Dir, Carissima Leonetta, über die
Suezeröffnung noch schreiben? Nichts! Ich werde Dir
Alles viel umständlicher mündlich erzählen. Ich füge schmerz-
lich lächelnd nur Eines noch bei: „Afrika ist nicht zu

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine weibliche Reise nach Suez (Aus den Jugenderinnerungen Laura's)"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Fremdbild
Dienstmädchen <Motiv>
Wiederbegegnung
Harfe <Motiv>
Hochschullehrer <Motiv>
Freude <Motiv>
Weibliche Reisende <Motiv>
Karikatur
Reisender <Motiv>
Umarmung <Motiv>
Kamel <Motiv>
Kairo
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 68.1878, Nr. 1705, S. 99
 
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