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106

Der Mord auf

schlotterigen Ranzen, umwickelte den Oberkörper der Leiche und
zog weiter.

Und wieder verhüllten schwarze Wolken den bleichen Mond

— wieder erhob der Sturm seine schreckliche Stimme — dichter
rieselten des Himmels eisige Thränen, die Schneeflocken, auf die
Mordstätte, und dahin schritt er, dahin, die Leiche niit sich
schleppend, während Tropfen um Tropfen des rinnenden Blutes
durch das verhüllende Tuch sickerte — der sühnenden Gerechtigkeit
des Mörders schreckliche Spur kündend.

Und wieder klirrte es leise hinter ihm. Waren es schon die
Schritte des Rächers? — — — — — —

2. Das Blutgeld.

Acht Uhr!

Schauerlich zitterten die Schlüge durch die Luft und vor
ihm tauchten gleich Gespenstern die Mauern der Stadt aus der
Alles umgebenden Dunkelheit auf.

Jetzt gähnte ihn das weite Thor an und einzelne Licht-
blitze der trübe flackernden Laternen fielen durch dasselbe auf
die feuchte Erde. Aber er scheute das Licht, so schlecht es auch
brannte, und bog vor dem Thore links ab, sich seitwärts in
die Büsche schlagend, bis er an eine Stelle kam, wo der Zahn
der Zeit die alte Umwallung so energisch benagt hatte, daß
eine Bresche entstanden war. Dort kletterte er über, immer die
Leiche mit sich schleppend und befand sich nun mitten in einem
Gewirr enger, dunkler Straßen. Aber er kannte seinen Weg,
er hatte an dieser Stätte oft gefachten. Leise schlich er im
Schutz der Dunkelheit längs der Mauern hin, bis er plötzlich
vor einem hohen verräucherten Haus stand.

lieber der Thüre desselben wiegte sich krächzend im Nacht-
wind ein geheimnißvolles Pentagramm an einer Eisenstange,
hinter den festgcschlossenen Läden des Erdgeschosses erklang ein
dumpfes Murmeln, in der Hausflur aber brannte ein armseliges
Ocllicht und roch es nach Schnaps.

Noch einmal warf er einen scheuen Blick rückwärts, dann
huschte er in das Haus. Neben der Thüre, welche in die
unteren Räume führte, war ein kleines Schiebfenster. Hinter
demselben wurde die schmierige Gestalt eines robusten Mannes
sichtbar. Leise pochte der Mörder dreimal an die Scheiben.
Der drinnen fuhr auf und lugte verstohlen hinaus. Er mußte
seinen Mann kennen, denn er nickte blos mit dein Kopf und
erhob sich. Der Andere aber schritt tiefer in den Corridor
und betrat den dunklen Hof, wo er mit dem Mann vom
Schicbfcnster zusammcntraf, und Beide begaben sich in eine
düstere rauchgeschwärzte Küche.

Ein settgläuzendes dickes Weib trat ihnen entgegen. An
ihren nackten Armen klebte Blut und auch ihre Schürze zeigte
verdächtige Flecken. Kein Wort wurde zwischen den Dreien ge-
wechselt. Nur einige brotzelnde Töpfe unterbrachen die un-
heimliche Stille. Er warf ihr schweigend die Leiche vor die
Füße; dann sog er, wie es schien mit Begier, den einer großen
Pfanne entströmenden Duft ein. Das blutige Weib hob ge-
fühllos die Gemordete empor, riß die Umhüllung weg und
betrachtete die Todte mit kaltem, prüfenden Blick. „Jung

— sehr sung!" sprach sie mit heiserer Stimme, ließ gleichgiltig

der Landstraße.

den Leichnam fallen und wischte sich die Hände an der ver-
dächtigen Schürze. Dann hob sie, zu ihrem Mann — denn
das war der Robuste — sich wendend, einen Finger in die Höhe.

Dieser schien das gehcimnißvolle Zeichen zu verstehen; er
griff in die Tasche und reichte dem Mörder ein blitzendes
Silberstück. Er nahm es und schob cs ein.

Es war der Lohn seiner Blutthat!

„Schweigen!" flüsterte er bedeutungsvoll dem Ehepaar zu,
und: „Schweigen!" hallte es in schaurigem Echo von dessen
Lippen. Hierauf deutete der Mörder mit der Hand auf die
obenerwähnte Pfanne und sprach zu dem fetten Weib: „Eine
Portion, aber reichlich, — 's ist für 'nen Kranken!"

Und roh lachend trennte sich das unheimliche Trifolium. —

^ 8. Der Rächer.

Der Robuste war durch die Hinterthür zurückgekehrt und
saß, als ob nichts vorgefallen wäre, wieder ruhig auf seinem
alten Platz. Nach einigen Minuten trat auch der Mörder,
aber durch die allgemeine Eingangsthüre, herein. Er mußte
eine teuflische Verstellungskunst besitzen, denn auf seinem Gesichte ■
lag strahlende Heiterkeit. Als er an der anfwartenden Magd
vorüberschritt, commandirte er niit lauter Stimme: „Einen
großen Schnaps, Lene!"

Er kniff sie dabei in die Wangen. Er konnte tändeln
mit derselben Hand, mit welcher er vor einer Stunde die
Andere gemordet hatte.

Schrecklich!

Als das Glas vor ihm stand, hob er es hoch und be-
trachtete cs mit einem Blicke, in welchem eine gewisse Innigkeit
lag. Dachte er vielleicht seines fernen alten Vaters, welcher
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Mord auf der Landstraße"
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Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Zahlung
Messer <Motiv>
Kerze <Motiv>
Leiche <Motiv>
Ehepaar <Motiv>
Mörder <Motiv>
Karikatur
Mord
Fingergeste
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 68.1878, Nr. 1706, S. 106
 
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