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Aber mit einem gewissen freudigen Stolz darf ich hinzu-
fügen: er blieb seinen Familientraditionen nicht getreu — er
trank nicht bis an sein Ende, und das Erbübel seiner Ahnen,
das Delirium tremens, erlangte keine Macht über ihn.

Es war merkwürdig, aber es >var so - Wenzel Dorostik,
der einer der treuesten Jünger des Bacchus gewesen war, und
ihm jahrelang zu jeder Zeit des Tages und der Nacht geopfert
hatte, entsagte plötzlich dem Cultus des heidnischen Gottes und
trank nicht mehr. Ich weiß mich noch ganz genau zu erinnern,
welches Aufsehen diese überraschende Wandlung damals im
goldenen Mainz erregte. Ja, man sprach sogar zwei Tage
davon, und was das in der fröhlichen, raschlebigen Rheinstadt
sagen will, weiß Jeder zu beurtheilen, der seine „Meenzer"
kennt. Gläubige Gemüther waren versucht, ein Wunder zu
unterstellen,- aber selbst die ungläubigsten gaben zu, daß die
Geschichte wenigstens an das Wunderbare grenze.

Aber nur Zwei wußten um des Räthsels Lösung, nur
Zweien war es bekannt, wie Primislaw Wenzeslaus auf den
Weg des Wassertrinkens geleitet wurde, und Einer von diesen
Zweien — bin ich. Doch ich irrlichtelire da hin und her und
muß nun in ein regelrechtes Fahrwasser einlenken, wie es einem
ordentlichen Geschichtenschreiber geziemt.

Beginnen wir also damit, unseren Helden ordnungsmäßig
in Augenschein zu nehmen.

Primislaw Wenzeslaus Dorostik war, wie schon der Name
unzweifelhaft andeutet, ein „Bömme", wenn auch nie ergründet
werden konnte, in welcher speciellen Gemeinde Böhmens „die
Wiege seiniges" stand. Als ich ihn kennen lernte, war er

ein dicker, alter Junge von etwa 50 Jahren, mit feurigem
Gesicht und bläulich angehauchter Nase, über welcher zwei kleine,
schlaue Augen in die Welt schauten.

Aber er war nicht immer so gewesen. Er war eines
Tages als ein magerer, blasser Bube, dem Noth und Elend
aus allen Knopflöchern guckten, nach Mainz geschneit worden,
kein Mensch wußte - wie und woher. Eine böhmische Musikanten-
bandc hatte ihn verloren, nachdem sein Vater, der Posaunist,
einige Monate vorher gestorben war — so viel war aus ihm
herauszubringen. Dem Verlust des Buben aber schien den
musikalischen Stromern so wenig zu Herzen gegangen zu sein,
daß sie sich niemals um sein Wiederfinden bekümmerten. Eine
alte, arme Landsmännin, die vor langen Jahren mit einem
österreichischen Corpora! nach Mainz gekommen war und sich
jetzt kümmerlich - von Soldatenwäsche und Commißbrod nährte,
gab ihm in ihrer bescheidenen Wohnung im alten Kästrich oben
einen Unterschluf; mitleidige Landsleute von der österreichischen
Besatzung steckten ihm bald da, bald dort einen Brocken zu
und so vegetirtc Wenzel, wie er kurzweg genannt wurde, als
Laufbursche seiner Pflegemutter, Stiefelwichser der Regimcnts-
musikcr, Postillon ck'amour der Officiere :c. rc. lange Zeit.
Jeden verdienten Groschen steckte er weislich bei Seite, bis er
eines Morgens mit einer mächtigen, beulenreichen Posaune er-
schien, die er um den Messingwerth auf dem Trödelmarkt erstanden
hatte, und seiner erstaunten Pflegemutter erklärte, daß er sich
nun auf die Erbprofcssion seines Geschlechts werfen, d. h. wie
alle Wenzesläuse, Musikant werden würde. Der Nachmittag
desselben Tages wurde zur Reinigung des Instrumentes benutzt j
und am anderen Morgen bereits erschien Dominik Schnoperl,
ein alter, ausrangirter Regimentsspielmann, um — laut münd-
lichem Contract — gegen ein Honorar von 4 Kreuzer pro
Stunde seinen Unterricht bei Wenzel zu beginnen.

Die Wirkung der ersten Lection war eine bedeutende. -
Alle zwei und vierfüßigen Anwohner des alten Kästrichs wurden !
rebellisch, als die fürchterlichen Töne der Baßposaune über die !
Straße klangen; aber während die Hunde sich damit begnügten,
gegen diese Mißhandlung ihrer Gehörwerkzeuge mittelst eines
schrecklichen Geheuls zu protestiren, zogen einige resolute Weiber
mit Besen bewaffnet vor die Thüre Wenzels und erklärten k
energisch, wenn diese „musikalische Unzucht" nicht aufhöre, so
würden sic den Buben und den versoffenen Schnoperl so zu-
sammen hauen, das; ihnen das Blasen für immer verginge.

Das Hundegcheul hätte weniger gestört, aber die Besen-
demonstration zog. Die Lehrstunde wurde für heute aufgehoben
und ein sofortiger Kriegsrath abgehalten, wann und wo
die Fortsetzung erfolgen solle. — Wenzel hatte einen dicken
böhmischen Kopf und ließ sich von einem einmal gefaßten Plan
nicht so leicht abbringen. Die nächste Stunde fand richtig bereits
am andern Tage statt. Wohl hörte die Nachbarschaft wieder
schauerliche Töne, aber dieselben waren so gedämpft, daß weder i
die Hunde heulten, noch die Nachbarsweiber rebcllirten, sondern j
nur verwundert die Köpfe schüttelten, weil sic sich absolut nicht j
erklären konnten, woher das unheimliche Geräusch erklang.

Wer hätte auch an den Kortoffelkeller des Hanswirthes
gedacht; denn dort in der That führte nach eingeholter Er-
lanbniß Dominik Schnoperl seinen Zögling in die Geheimnisse
des Posaunenblasens ein. Freilich erst, nachdem ihm Wenzel
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G 5442-2 Folio RES

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Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Fröhlich, Ernst
Entstehungsort (GND)
München

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Publikation

Fund/Ausgrabung

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Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Fliegende Blätter, 70.1879, Nr. 1748, S. 26
 
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