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Kurirt per P o st.

(Fortsetzung.)

Bei diesen Tanzmusiken war es auch, wo Wenzel seine
ersten Studien in der edle» Kunst des Kneipens machte. Da
er aber Alles, was er anfaßte, mit Ernst und Energie betrieb,
so hatte er es auch bald darin so weit gebracht, wie die aus-
gepichteste „Musigandegorchel".

So posaunte er sich lange Jahre durch die Welt, oder
vielmehr durch Mainz und Umgegend, denn weiter erstreckte sich
seine Welt nicht. Seine alte Pflegemutter und Dominik Schnoperl,
sein Lehrer, starben; das Häuschen, welches die Alte bewohnte,
flog bei der großen Pulverexplosion in die Luft, und der Keller,
wo Wenzel seine ersten Kunststudien machte, liegt noch heute
verschüttet. Als mich die launische Schicksalsgöttin aus meiner
bewegten Lebensfahrt nach der Jmrsa, Moguntia führte, da war
Wenzel längst Familienvater und wohnte in einem Hause ober-
halb der Redaction, so daß ich täglich mehrmals seinen Anblick
genoß, bis wir uns auch persönlich nahe traten. Die Posaune
hatte er seit mehreren Jahren schon auf die Seite geschoben
und sich dafiir auf's Dramatische verlegt. Er befaßte sich
gleichmäßig mit der Tragödie, Comödie, Posse, Oper und
Operette, indem er die betreffenden Rollen und Singstimmen
den ausübenden Künstlern in das Haus trug. Mit einem Wort,
er war Theaterdiener geworden und fungirte nur noch bei
besonderen Gelegenheiten als Leichen- oder Thurmposaunist, je
nachdem tief unten am Grabesrand, oder hoch oben auf der
Thurmgallerie Choräle mißhandelt wurden.

Wie er an das Theater gekommen war, weiß ich nicht,
aber das weiß ich, daß er sich vortrefflich dabei stand. Nicht
gerade, daß sein Gehalt sehr glänzend gewesen wäre —
darnach waren die Finanzverhültnisse des Mainzer Stadt-
theaters nie angethan, aber die Nebengeschäftchen jeglicher Art,
welche Wenzel mit einer Virtuosität betrieb, die nur durch seine
Uebung von frühester Jugend auf erklärlich war, warfen viel
Geld ab.

Daß er dem jeden Herbst einziehenden Künstlervölkchen
I Wohnungen besorgte und sich dafür von Micther und Vermiether
bezahlen ließ, daß er den geldbedürftigen Jüngern Thaliens
die Quellen nachwies, wo „Pumpe" anzulegen waren, daß er
hie und da einen Schmuck oder ein seidenes Kleid in das Haus
an der Ecke der großen Emmeransgasse brachte, wo für.Motten
keine Garantie geleistet wird — das waren die harmlosesten
Geschäfte. Aber die Bouquets und Kränze, welche er auf Be-
stellung vom Orchester aus nach der Bühne warf, die rosigen
Billetchen, welche er annahm und weiter gab — das waren
seine Hauptquellen, die ihn zum wohlhabenden Manne hätten
machen können, wenn nicht ein kleiner Umstand gewesen wäre.

Er hatte nämlich aus seiner Posaunisten-Carriere zwei
; Dinge in die „Bühnenlaufbahn" mit herübergenommen: seinen
böhmischen Dialekt und — seinen Durst. Der Ersterc war
harmloser Natur, und sei hier nur nebenbei erwähnt, daß er
demselben bis zum Grabe treu blieb. Der Letztere aber machte
ihm manches Loch in seinen Geldbeutel, denn trotzdem ihn: im
Laufe des Tages da und dort ein Glas Wein eingeschenkt
wurde, fand er doch bei seinen vielen Ausgängen immer noch
Zeit, auf eigene Rechnung einzukehren. Dies hatte denn zur

Folge, daß seine Zurechnungsfähigkeit gegen Abend immer mehr
abnahm und nach Sonnenuntergang häufig ihr Ende erreicht
hatte. Und dieser Umstand brachte ihn auch um sein
Renomme als „Darsteller"; denn er war nicht immer nur
Theaterdiener, er war. auch „ausübender Künstler" gewesen,
indem er Abends gegen ein Extrahonorar von 15 Kreuzern
als „Volk" agirte, mittelst eines großen, rothen Umhäng-
bartes zum „Räuber" umgewandelt wurde, oder in ein schäbiges
Kostüm gesteckt gar als „glänzender Ritter" figurirte — lauter
Personen, die aus purer Bosheit nie den Mund öffneten,
sondern Freude und Schmerz, Zorn und Rache, Liebe und
Haß, kurz alle Affecte, höchstens in windmühlenflügelartigen
Bewegungen der Arme kundgaben.

Seine „Glanzrolle" aber war ein römischer Heerführer in
Shakespeare's „Coriolanus", wo er, angethan mit einer wirk- j j
lichen blechernen Rüstung und auf dem Haupte einen blinkenden
Helm, eine Schaar edler Römer zweimal über die Bühne zu '
führen und allerlei drohende Bewegungen gegen die Feinde zu j
machen hatte. Die „edlen Römer" wurden von Soldaten der
Garnison dargestellt, denen man streng cingeschärft hatte, auf
ihren Führer zu achten und Alles nachzumachen, was er thue.

Leider aber hatte Wenzeslaus an diesem Abend seinen ■
„Zustand", was ihm nicht zu verargen war, da er heute !
die Gagen ausgetragcn und manches Trinkgeld eingesteckt hatte, i
Dazu die ungewohnte Rüstung, die Hitze auf der Bühne, das z
Römerschwert, das ihm immer zwischen die Beine kam, —
kurz, als er hinaustrat, schwankte er in weitem Zickzack hin
und her, was ihm denn auch seine „Krieger" zur großen f
Verwunderung des Publicums ängstlichst nachmachten, bis '
endlich vorn am Souffleurkasten die Katastrophe eintrat. Dieser j
ungehobelte Geselle wollte nämlich dem römischen Feldhauptmann !
Bildbeschreibung

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G 5442-2 Folio RES

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Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Fröhlich, Ernst
Entstehungsort (GND)
München

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Fund/Ausgrabung

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Satirische Zeitschrift

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Fliegende Blätter, 70.1879, Nr. 1749, S. 34

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