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Aus der Chronika des

Virgilins des Bischofs ist unsere geliebteste Herrinn, die wohl-
geborne Frau Gräfinn Mechtildis, selig im Herrn entschlafen
und anheut zur ewigen Rnehc bestattet worden.

fi Gott verleih' Ihr eine fröhliche Urständ.

Als wir so hcraufstiegen vom Erbbegräbnuß, die beiden
Herren voran, der Alte und der Junge, und durch den innern
Thorweg und den Burghof hinschritten bis zum Herrenbau,
Beide jetzo gebeugt unter der Last des gemeinsamen Leides, doch
Jeder für sich dahinschreitend, ohne des Andern wahrzuenemben,
da iibcrkamb mich die traurige Ahndung, es sei mit Der, die
da unten schlummert, auch das Glück und die Ruche des Hauses
schlafen gangen auf immer, ja auf immer!

Denn, gleichwie Leute verschiedener Zunge eines Dritten
bedürfen, der Jedes seine Sprache redet, um sich durch ihnc
als Mittelsmann verständigen zu können, so war auch die
Heimbgegangene die Mittlerin zwischen denen Beiden, und nur
durch ihren Mund, der zu Jedem zu reden gewußt in seiner
Sprache, war Eintracht möglich und Verhütung leidenschaftlichen
Streitens; in ihrem Mund wurde des Vaters herrischer Befehl
zum freundlichen Wunsch, des Sohns trutziges Begehren zur
schmeichelnden Bitte, also, daß Sie zwischen Beiden stund, einigend
und trennend zugleich. Beide zügelnd mit kundiger Hand zu
ebenmäßigem Schritte in der engen Bahn häuslicher Gemein-
schaft. Jetzo werden sie zu einander reden, Jeder in der eigenen
Zunge; wie soll Einer den Andern verstehn, wo jeder nur hört
auf die Stimme der eigenen Leidenschaft. Was werde ich diesen
Blättern noch anvertrauen müssen! Möge der Herr uns Allen
gnädig sein.

Am Lage ». l. br. Empsüngnufi.

Anheut ist der erste Blitz herniedergefahren; zum Glück,
ohne zu ziinden; ist nun solches auch ehunder ergötzlich, dann
schreckbar zu verncmben, so geht doch daraus klärlich herfür,
wie das Hauswesen leidet, wenn die leitende Hand ans ihmc
genomben ist, und was Jedem befiirsteht, so er im Dienste
des Herrn ichtcs versehen möchte.

Es hat sich nemblichen zuegetragen, daß nnserm Forstwart
ganz unverhoffter Weis ein Auerhahn zum Schuß gekombcn;
ist aber solch' Wildpret umb diese Zeit weit feister, als im
Frühjahr zur Balzzeit, und sollte selbiges anheute, als in-
sonders seltsamber Leckerbissen, die Tafel zieren.

War es nun ein absonderliches Kunststück Ihrer h. gr.
Gnaden, sothanen Wildbraten in einer Beize mit Burgunder-
wein also mürb herzurichten, daß das Fleisch an der Brust
schier wie Zuckerwerk auf der Zunge zerging, welches eben der
alte Herr immer für sich ganz allein zu verspeisen pflegte.

Wollte mir zwar bednnken, wie ich den Vogel zerlegte,
als ob ich einen meiner alten Wasserstiefel unter den; Messer
hätte, war aber keine Zeit darüber nachzudenken, sondern mueßte
ich denselben, alsbald er zerwirkt war, auf die Tafel setzen, und
die Brust wie gewöhnlich dem Herrn auf den Teller legen.

Nahm Hochselber denn auch alsbald einen Bissen in den
Mund und wollte ihn gewohntermaßen auf der Zunge zerdrücken;
wollte solches aber diesermalen durchaus nicht von statten geh'n.

Schlosses Rauhenfels.

also, das; Er mit käuen nachzuhelfen sich anschicken mueßte.
Sintemalen es aber mit dem Gebiß bei Sr. h. gr. Gnaden
nicht mehr» zum allerbesten bestellt, wollte auch dieses nichts
verfluchten; schab dahero vergeblich den Bissen von einer Backe
in die andere, bis Er ihn endlich ausspncktc und zornig befahl,
die Emerenz sollte allsogleich vor Ihme an der Tafel erscheinen.
Als selbige nun halbtodt vor Aengsten und, kaumb vermögend
sich aufrecht zu erhalten, vor Ihme stand, schoß er auf sie einen
Blick, der schier einen Mailänderharnisch Hütte durchbohren
mögen und schriee sie an: „Du Schneegans, hast Du von
Deiner Herrinn nicht so viel gelernt, daß dem Auerhahn mneß
die Haut abgezogen lverden, lvann er genießbar sein soll — da,
friß'n selber!" warf ihr dabei den schweren, silbernen Teller
mit solcher Gewalt nach dem Kopf, daß sic ohnfehlbar des
Todes gewesen, so sic sich nicht rasch zu Boden geduckt; der
Teller aber flog über den ganzen Saal bis auf den Schenktisch,
alldort den kostbaren Pokal von venezianischem Krystall zer-
schmetternd, worüber der Herr in solche Wuth verfallen, das;
Alle, außer mir, aus dem Saal schleunigst entronnen.

■ Als ich mich nun schweigend daran gemacht, die kostbaren
Scherben zusamben zu kehren, da verspürte ich plötzlich die
Hand des Herrn auf meiner Schulter; ich richtete'mich ans,
zu Ihme gewendet. Er sah mich finster an und sagte: „So
kann es nicht bleiben; sattle morgen früh Dein Pferd und j
kvmb dann zu mir; Du wirst einen Brief erhalten, mit dem
Du zur Stadt reiten und selben am bezcichneten Ort abgcben
wirst!" Damit dreht Er sich umb und schritt zum Saal hinaus.

Was cs nun mit dem Briefe zu bedeuten hat, kann ich
mir im vorhinein denken. Alldorten lebt die Wittib eines alten
Kriegsgefährten mit ihrer Tochter gar kümmerlich, der ich zeit-
hero allvierteljährlich eine Gnadengab vom gn. Herrn Über-
bringer! müssen. Ist aber selbige ein gar munteres, flinkes
Weibsen, der man's nicht ansehn möchte, daß sie bereits eine
mannbare Tochter besitzt; sind aber Muetter und Tochter Beide
gleich anlockend in ihrer Art, also daß, wenn selbige einziehn
in unser Haus, schier zu befürchten, der böse Feind möcht' !
uns statt eines, gar zween Eier in die Wirthschaft legen.

Am £(ic) it. k. braun tiechtmch.

Anheut seind just vier Wochen verwichen, daß unsere neuen
Genossen eingezogen. Wer unser Haus nicht von ehchero kennen
möchte, der sollte meinen, cs scie nicmalcn anders gewesen; so
schnell verlöscht das Angedenken des Menschen, desgleichen als
wie Niemand sich der abgebrannten Kerze erinnert, so eine neue
an ihrer Stelle leuchtet. Wie aber solches also schnell hat
kommen können? Ei, die Frau Mutter ist eine gar anstellige
und umbsichtigc Hauswierthin, wie ich mir solches von ihr gar
nicht vermuethet, das Jungfräulein aber die holdseligste An-
mucth in aller Leibhaftigkeit selber, und mag ich's dem Jung-
herrn nicht verdenken, daß er ihr folgt, als ihr zweiter Schatten.
Freilich, freilich; ob cs dem alten Herrn nach Sinne sein
möchte, ein armes, wenn auch gnctadeliges Fräulein, seinem
Erben und Stammhalter als Krone znezuführcn — wer mag es
wissen? Am schicksamstcn möchte sich's freilich fügen, so der j
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