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Wie es Herrn Neumann aus Borna

an den Sonndage in Kieritsch war mci Schulze richt'g in der !
Schnurre un dhat 's Maul ooch nich amte Minude zu; er
sang immer nur ganz allcene seine zweete Denohrstimme aus
alle Lieder, die er nur aus'n Koppe wußte, bis er ganz heeschcr
Ivorde. Wie er nn aber so vielleicht zum sechsten oder achten
Male wieder sei': „Wer hat denn dich, du scheener Wald. •"
losorgeln wollte, da worden mir Andern grob uu sagten, daß
mer'n zur Dhirc 'nausschmeißen würd'n, Ivenn er nich uffheeren
dhüte. — Wie mer uns g'rade noch so mit Schulzen 'rumzanken

dhaten, da kommt uff eenmal der Bahnhofsbortgeh 'reingesterzt
un schreit: „Na, meine Herrens, wenn Se allewcile noch mit'n
letzten Zuge nach Borne ivollen, da müssen Se ä bischen sehre
rasch machen, denn er geht gleich ab!"

Ei Herre, nu giug's aber ibcr Hals un Kopp! Jeder
zahlte so schnell als möglich seine Zeche, UN dann sterzten
mer Alle 'naus, um einzusteigen; aber Brost de Mahlzeit! —
Wie mer üb'n vor de Dhire kommen, feift's un — hast'e mich
geseh'n! — geht der Zug fort un mir Alle stch'n da, wie de
begoss'nen Nachtwächter. An den gansen Malehre war nadirlich
eegentlich doch blos Schulze mit sei' zackermenschtes Gesinge
Schuld, weil dieserthalb Keener von uns keen Eisenbahnsignal
nich hatte Heeren kennen. Von Rechtswegen hetten mer Schulzen
dadcrvor ordentlich de Jacke voll hauen sollen, aber weil mer
doch Alle dorch das Beier'sche Bier mehrschtentheels sehre fideele
geworden waren, da lachten mer uns Eener den Andern aus
un weil kee Eisenbahnzug heile Abend nich mehr nach Borne

gehen dhat, da hieß es: na, da loofcn mer die zwee

bei der Schlittenfahrt ergangen ist.

Stunden bis Borne zu Fuße! Mer machten uns also
ooch gleich uff de Strimpc, aber mer worden balde Alle nich I
mehr so uffgekratzt wie in Kieritsch, denn 's war hellisch kalt, J J
und ooch Schulze hatte seine Singerei gans uffgesteckt.

Nach enner guten Stunde kamen mer in Lobstädt an,
was ungefähr de Hälfte Weg bis Borne is, un hier hieß es
also: mer missen wieder ä Mal Eenen uff de Lampe gießen,
daß der Verstand wieder ä bischen angefrischt ward. So gingen !
mer also alle mitenander in'n Gasthof un ließen uns Bier
geben. Wie mer nu da so um den runden Tisch 'rumsitzen, !
schlägt usf eenmal Schulze uff den Tisch un schreit: „Na, zuin
Dunnerwetter noch ä Mal, Neimann, wie is denn das nur
eegentlich? Ich dächte doch, mir zwee Bcedc wären heitc Nach-
middags mit'n Schlitten von Borne nach Kieritsch gefahren,
nn jetzt loofen mer hier zu Fuße die zwee Stunden heeme! ^
Nu sag mer, Neimann, wo hast'e denn nur Deinen Schlitten
gelassen?" — —

Mordsbombenclcmend! Ich fiel mer'sch aber uff eenmal
wie Schuppen von de Oogen! Da waren mer also in uusern
Dusel gans ruhig mit die andern Born'schen zu Fuße fort- ,
geloofen, weil die de Eisenbahne verbaßt hatten. Ich hätte
nu gleich mich uu ooch Schulzen vor die Dummheet rechts un
links ohrfeigen kennen, un die Andern wollten fcr Lachen fast
unter'n Disch fallen, was mich nur noch mehr fuchsen dhat- '

Wie se sich nn ä bischen ausgelacht hatten, da sage ich
zu Schulzen: „Na, weeßt'e was, Schulze," sag' ich, „da bleibt
nu nischt nich weiter ibrigt: mir loofcn jetzt alle Becde wieder
nach Kieritsch und holen uusern Schlitten!" sag' ich. Mci'
Schulze aber lachte mer gradeweg in's Gesichte un sagte:
„Na aber nee, Neimann, fcr so ä dummes Luder wärscht
De mich doch nich halten, daß ich jetz wieder mit reduhr nach
Kieritsch loofen soll, wo ich in derselben Zeit schone zu Fuße
längst in Borne bin? Da d'raus werd nischt! Loos Du nur
allcene nach Kieritsch un hole Du Dir Deinen Schlitten!" sagt
Schulze. — Nu lachten mich aber die Andern noch mehr aus
un wie ich Schulzen wegen seine Undankbarkeet wollte Eeenc
'neiuhauen, da hetten sc mich bei ä cenz'gen Haare fast noch 'nans-
geschmissen. Ich ging aber lieber von allcene un rannte nu gans
withig nach Kieritsch zurück, was bei die Kälte un Dunkelhect
nich etwa ü Verguigen war, denn unterwegs Hütte mich fast ä
Schlitten, der mir cntgegenkam, ibcr'n Haufen gefahren.

Endlich komm' ich nu nach Kieritsch, uu >vie ich in dr
Bahnhofs-Restaratsion 'ncintrete, schreit mir der Wärth ent- )
gegen: „Jh du mein liebes Kottcheu, Herr Neimann, wo komme» j

denne Sic wieder her?" — Nu wollt' ich mer doch keene ;

Schande nich machen un sage: „Ich habe blos die ander» i
Born'schen ä bischen uff der Schosseh begleit't, un nu will ich t
gleich anspannen lassen un mit meinen Schlitten heeme nach 5
Borne fahren!" — Da reißt der Wärth de Oogen groß uff i
un sagt: „Ja, mci' lieber Herr Neimann, Ihr Schlitten is $
schon vor enner halben Stunde fort. Ter Flecschcr Miller aus <
Borne hatte Sie ja uff den Wege nach Lobstädt zu Fuße ge- k
troffen, un weil er dachte, daß Sie wahrscheinlich lieber geh'» d

als fahren wollten, da is er mit Ihren Schlitten, den S»' I,
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Wie es Herrn Neumann aus Borna bei der Schlittenfahrt ergangen ist"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 70.1879, Nr. 1760, S. 122
 
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