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130 Meister Nike

Wenn's Euch darnach gelüstet, zu wissen, wer der Strolch ist,
so fragt ihn selbst! Er ist zu Fuße hereingekommen! Das
fehlte gerade noch!" brummte der Erboste vor sich hin, als
er ingrimmig von dannen schlürfte.

Der schnöd Abgesertigte schaute dem Brummenden nach,
schüttelte verwundert den Kopf und lachte dann vor sich hin.
Der Strolch aber, wie ihn der krumme Jobst zu nennen beliebte,
mußte etwas an sich haben, was die Neugier des Fremden ini
höchsten Grade reizte. Denn unverwandt schaute er über und
durch die Menge der anderen Gäste hindurch, nach dem Tische,
an welchem der von Wind und Wetter nicht wenig mitgenommene
Reisende einsam saß, das Haupt in die Hand gestützt, in
ruhiger Geduld vor sich hinblickend. Als derselbe einmal den
Kopf wendete, schaute der Fremde schärfer hinüber, und mur-
melte dann für sich hin: „Nein, ich mag ihn ansehen, wie ich
will, von vorn, oder von der Seite, so etwas ist mir noch
nicht vorgekommcn! Wäre das lottrige Haar und der wüste
Bart nicht. . . !"

Der Fremde stand auf, drängte sich durch die Gäste und
schritt an jener Seite der Wirthsstube auf und nieder, um sich
! den Gegenstand seiner Neugier näher anzuschauen. Endlich trat
j er, wie nach einem rasch gefaßten Entschlüsse, an den Tisch, an
welchem der abgerissene Reisende saß, setzte sich ihm gegenüber und
begann mit einer nachlässigen Herablassung: „He, guter Freund,
Ihr kommt wohl schon weit her?" Der Angeredete schaute
forschend nach dem Fragenden hinüber und crwicdcrte dann
langsam: „Ja, das trifft zu!" — „Und wo geht cs denn
nun hin?" — „Das mögen die Heiligen im Himmel wissen!"
war die achselzuckend gegebene Antwort. — „Ei, Ihr müßt
doch ein Ziel haben, guter Freund!" - „Ach, unser Einer

8 böse Tage.

fährt so in der Welt herum!" — „Wollt Ihr nicht nach
Glcißheim?" — Ueberrascht fuhr der Mann auf, erschrocken
den Fragenden anstarrcnd; doch rasch sich besinnend, erwiderte
er mit Gleichgültigkeit: „Gleißheim? Nein, weiß gar nicht, ?
wo das ist!"

Dem Andern ivar das Auffahren seines Gegenübers nicht
entgangen. Er beugte sich über den Tisch hinweg und sagte,
leiser als bisher: „Wundert Euch nicht über meine Zudringlich-
keit. Ich bin von Gleißheim; dort lebt Nikel Gerhold, der
Flemming, und Ihr seht demselben so ähnlich, daß .... der
Nikel hat nämlich einen Bruder gehabt, der ist aber seit mehr
als zwanzig Jahren verschollen, und wie ich Euch nun zu
Gesicht bekommen . . . Sagt es mir offen, seid Ihr nicht etwa
des Meister Nikels Bruder?" — „Ei, können sich doch auf
der Welt einmal ein Paar ähnlich sehen, ohne daß sie Brüder
sein müssen!" erwiderte verdrießlich, aber verlegen und unsicher
der Reisende.

„Freilich wohl! aber diese Aehnlichkeit! . . . Nun, ich habe
gar keinen Grund, gegen Euch den Geheimnißvollen zu spielen!"
unterbrach sich der Fremde, als er wahrnahm, wie sein Gegen-
über unruhig sich abwendete und im Begriff schien, aufzustehen,
um das unwillkommene Gespräch abzubrechen. „Seht, ich wüßte
mir nichts Lieberes, als daß Ihr jener verschollene Bruder
wäret! Vielleicht," setzte er hinzu, „weil ich's so sehr wünsche,
habe ich mich täuschen lassen!" — „Ei, und warum wünscht
Ihr denn das?" fragte, jetzt auf's Neue gefesselt, der Unruhige.

— „Ja, da muß ich nun zuerst von mir anfangen. Ich bin
ein Gleißheimer Kind, heiße Goswin, Sigfrid Goswin, meine
Eltern sind längst gestorben, ich war noch klein; einiges
Vermögen war da. Die Leute, die für mich zu sorgen hatten,
meinten - ob es so ist, will ich nicht weiter untersuchen
ich hätte etwas mehr Grips, als andere Kinder, d'rum wurde
ich in die Schule geschickt zu den Minderbrüdern — sollte ein
geistlicher Herr werden; dazu hatte ich keine rechte Lust, aber
ich lernte ordentlich; endlich ließen sic mich nach Leipzig ziehen,
da habe ich das bürgerliche und canonische Recht gelernt und
mir den Magistergrad erworben. Nachher kehrte ich heim, Hab'
mich ein paar Jahre durchgeschlagen, dann haben sie mich beim
Rath angenommen, bin Rathsschreiber geworden. So habe ich ■
mein gutes Auskommen für mich, und auch, wenn's sein könnte,
für Weib und Kind. Die Herren wollen mir wohl, in ein
paar Jahren machen sie mich zum Stadtschreiber - bin ich's doch :
schon jetzt, wenn mir auch noch der Titel fehlt, und dann hat's
vollends keine Noth mit dem Auskommen."

Aufmerksam, und nicht ohne eine gewisse unruhige Besorge
niß, hatte der Andere diesen Auseinandersetzungen zugehört,
namentlich, nachdem Goswin dargclegt, wie er gewissermaßen
zum Rathe gehöre. Nun unterbrach er den Redenden mit der
Frage: „Ja, aber was geht denn das....?"

„Wartet nur!" siel Goswin ein, „Ihr sollt's gleich hören-
Aber nun muß ich von dem Meister Nikel Gerhold, dem Tuch-
macher, reden, um die Sache weiter zu bringen. Also drüben
in Gleißheim waren da — es sind schon über zwanzig Jahre
her, ich war noch ein kleines Kind - zwei Brüder; der ältere
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Meister Nikels böse Tage"
Weitere Titel/Paralleltitel
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 70.1879, Nr. 1761, S. 130
 
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