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138 Die eiserne Hand.

Doch wie ein Rathsherrnfinger
Den Hinterhalt winkt vor.

Hub grimm der Berlichinger
Die Eisenfaust empor.

Und still ward's auf den Baenken.

Und still in Saal und Haus:

In Fingern und Gelenken
Sah die so schlagbar aus.

Als wüchsen naechstens Feigen
So saftig und candirt.

Wie sie noch nie auf Erden
Ein sterblich Ohr geziert.

Derweil klang's wie Trompeten
Vom Nekkarthor herauf;

Sikkingens Reiter trabten.

Und Fußvolk kain im Lauf.

„So seid doch nicht so zornig!"

Sprach jetzt der Magistrat.

„Es kommt in Stadt wie Land vor.

Daß man sich mißverstüt.

Wer drohte je mit Brummthurm?

Wir bieten Losament

Und laden den Herrn Schwager

Sammt Euch zum Tractament."

„„Ah so. liebwerthe Nachbarn.""

Sprach Gütz, „„viel Dank, ich komm . . .

Der Teufel soll Euch holen.

Wie seid Ihr ploetzlich fromm.

Mir scheint, die Faust von Eisen
Bringt Wunderwerk znweg:

Waer's ein Glanzleder-Handschuh.

Weiß Gott, wo ich heut laeg'!""

I. II. v. Scheffel.

Meister Nikcls böse Tage.

(Fortsetzung.)

„Woher man cs weiß?" fiel Goswin ein. „Nun. die
Herren vom Rathc haben auf die Länge eben doch nicht reinen
Mund gehalten, und so ist's nach und nach durchgedrnngen.
Die Geschichte hat übrigens Meister Nikel nicht geschadet. Alle,
die dabei betheiligt gewesen, haben hintennach cingesehen, daß
es so für sie am Besten war. In den Nachbarstädten ist es
nachmals zu ärgeren Händeln gekommen zwischen Zünften und
Rath — überall hat ein ehrsamer Rath gesiegt; da haben dann
Manche Kopf und Leben hergeben müssen, und da waren denn
die in Gleißheim Alle ganz froh, daß der böse Handel zu Tage
kam. ehe die Sache noch schlimmer geworden >var. Jetzt ist
überall gute Freundschaft zwischen Rath und Zünften; Meister
Nikel ist Rathsfreund geworden und sitzt nun mit auf dem Rath-
hause. Daß es aber wirklich so gewesen ist. das weiß ich besser,
als sonst Jemand, denn ich habe der Stadt Achtbuch gelesen, und
darin steht's geschrieben groß und breit, um was die Meister
damals gebüßt worden sind. — da ist auch der Meister Nikel
darunter; aber daneben ist angemerkt, daß ihm die Buße heim-

Meister Nikels böse Tage.

j lieh ist zurückgezahlt worden, weil er die Verschwörung pflicht-
j schuldigst einem ehrsamen Rathe angezeigt habe."

Immer noch saß der Landfahrer, den Kopf in die Hand

j gestützt, und die ganze Gestalt des Mannes bebte in vergeblich

| unterdrückter Aufregung.

„Nun war denn Alles bald wieder in Ordnung und Ruhe."
fuhr der Rathsschreiber fort, „nur daß der Valtin nicht ivieder
zurückkam. und da die acht Tage verstrichen waren, wurde er
! von einem ehrsamen Rathe in die Acht erklärt. D'ranf nahm
! Meister Nikel des Bruders Gewerbe an sich für die Frau

Afra, die damals schweren Fußes ging. Aber Ihr hört nicht."
unterbrach sich der Rathsschreiber, „und nun kommt gerade,
warum ich ..."

„Ich höre, ich höre! Macht nur weiter!" sagte der

Gemahnte, der. den Kopf in beide Hände gestützt, vor sich hin-
starrend dasaß; seine Stimme klang wie ein dumpfes Aechzen.

„Nun, ich will's kurz machen! Frau Afra kam mit einem
Mägdlein nieder, etwa ein Vierteljahr, nachdem ihr Mann ver-
schwunden war — sie haben's Regina geheißen bei der Taufe.
Die Frau aber war seit der Zeit übel auf. und hat sich etwa
über ein Jahr noch dahingeschlcppt; sic grämte und härmte sich
ab über den Verschwundenen, darnach ist sie gestorben."

Schwerer ging des fahrenden Mannes Athem und ward
zum leisen Stöhnen; er starrte vor sich hin. schüttelte trübsinnig
den Kopf und ließ ihn zurücksinken in beide Hände. Der Raths-
schreiber aber fuhr fort: „Meister Nikel und seine Frau nahmen
die Regina zu sich und haben sie mit ihren Kindern aufgezogen,
wie ihr eigen Kind. Die Regine hat sich nimmer zu beklagen
gehabt; jetzt aber, in letzter Zeit, handeln sie nicht mit der
Armen, wie sie's thnn sollten!"

Der Landstreicher fuhr abermals auf, und finster ruhten
seine Blicke, wie fragend, auf des Erzählers Lippen.

„Und das ist so." fuhr dieser fort. „Da ist vor reichlich
einem Jahre dem Meister Clanshöhne die Frau gestorben.
Der Meister ist reich, das ist wahr, es glückt ihm. was er
unternimmt; er hat ganz klein angefangen, und jetzt ist er
wohl der reichste Flemming und Zunftättester obendrein; aber
er ist ein zornwüthiger Mann, dem's gleich im Kopfe brennt,
die Hand sitzt ihm verzweifelt locker, er schlägt beim geringsten

Anlaß d'rein, und sieht nicht, wohin es trifft. Das hat sein

armes Weib genug erfahren, und wer mit ihm zu thnn hat;
die Lehrjungen, die Dienstmägde wissen davon ein Lied zu
singen. Nun hat der Höhne seine Augen auf die Regina ge-
worfen und möchte sie zur Frau; die aber will ihn nicht, denn
sie weiß, was für ein Mensch er ist — 's ist ja stadtbekannt!

und außerdem — und das ist's. weßwegen mir nichts lieberes

hätte begegnen können, als daß ich Euch hier gefunden, den
verschollenen Meister Valtin — ich Hab' die Regine von Herzen j
lieb und sie mich auch, und möchten wir fiir's Leben gern
einander haben. Und Alles wäre gut. wenn Meister Nikel mit
Frau Hermengild und dem Höhne nicht dazwischen ständen!

Und nun, Meister Valtin, wißt Ihr Alles, denn daß !
Jhr's seid, könnt' Ihr nimmer leugnen, und ich möchte, wenn
die Leute hier nicht wären, in die Welt hineinschreien vor Freud'

______J\
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