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„Hahngikl" rc.
4. Die beiden Kameraden vom Untersberg und
„Hahngikl's" Plan.
Wie ein Wiesel huschte und hüpfte das Bergmännchen
über die Treppe. Wohl kamen ihm allerlei Leute in die Quere,
aber sic sahen das Männchen nicht, denn cs ist ja bekannt,
das; sich die Untersbcrg-Zwerge, wenn sie es wollen, unsichtbar
machen können.
Im Corridor angclangt, blieb das Männchen, vom Laufen
schnaufend, stehen, und lauschte, wobei es die Kapuze zur
Seite schob, und die Ohren wie ein Fuchs bewegte. Es wollte
erfahren, in welchem Gemache die Prinzessin Hanse, um sich
cinzuschleichen, und sic ganz genau anzusehen. Da fing hinter
einer Thüre eine heisere Stimme leise zu singen an:
„Ich bin der Herr von Nimmersatt,
Der nie genug zu schlingen hat!
Mein Hals ist wie ein Trichter weit,
Mein Magen wie ein Weinfaß breit,
Doch Hab' ich nie genug, o weh!
Verschling' die ganze Welt, juchhe!"
„Hält!" murmelte das Bergmännchen vor der 'Thüre.
„Das ist ja mein ehemaliger Kamerad, der Meister Undank,
den sic vor so vielen Jahren aus unserer Gemeinschaft ob
seiner zahllosen schlechten Streiche schlossen, und für alle Zeit
hinaustrieben in die irdische Welt! Was er nur da hier
machen mag?!" Das Bergmännchen öffnete m freudiger
Erregung rasch die Thüre und trat hastig ein.
Da lag ans einem Sopha ein Kerl,
kann mich vor lauter Fett kaum rühren, — verzeihe darum,
wenn ich nicht anfstehc." — „Dir schcint's gut zu gehen!" lachte
Hahngikl; „was stellst Du denn hier vor?" — „Ich bin
ein großes Thier! Bin Haushofmeister der Prinzessin!" —
„Nun ja. Du wolltest ja immer hoch hinaus, Meister Undank!"
— „Ich diene immer nur bei reichen und großen Herren,
denn da ist für mich das rechte Hausen!" — „Nun, mich
freut's, daß Du's getroffen hast. Aber sag' mir, was ist's
denn mit der Prinzessin?" — „Was soll's sein mit ihr?
Eine dumme Gans ist sie." — „Aber sie soll eine so gute
Seele sein." — „Eben darum! Sie glaubt nach ihren Er-
fahrungen nicht an die Dankbarkeit der Menschen, und doch
überhäuft sic alle mit Wohlthaten! Dummes Zcug's! Die
Folge davon ist, daß sic selber die besten Dienste, die ihr er-
wiesen werden, hinlänglich mit Gold ausgewogen glaubt
und weiter nicht daran denkt. Dahin kommt es fast
immer auf dem glatten Boden hoher Personen. Und sieh',
Freund, das ist so, wie's mich amüsirt!" — „Sag' mir nur,
ist die Prinzessin wirklich so schön, mein lieber Undank, wie
die Leute rühmen?" — „Ja, Du alter Spitzbube! Sie ist
schön wie ein Traumbild, — dort im Untersberg gibt's keine
Wildfrau, die ihr gliche!" — „Das wäre ja herrlich! Das
könnte mich Herausreißen!" — „Was schwatzest Du da für
Blimclblamcl! Rede deutlicher!" — „Da wir so gute Gesellen
waren, so darf ich mich Dir wohl anvertrancn. Du weißt,
daß ich, wie Du, ein geriebener Kerl bin, daß cs mir eine
Herzensfreude ist, rechte Bosheiten auszuüben. Du weißt auch,
daß unser Herr und König unsere Sorte nicht gut leiden
mag, daß ihm nur unsere sanften, wohlwollenden Brüder, die
Duckmäuser, an's Herz gewachsen
sind. Nun, daß ich cs Dir nur
sage: ich -fein nahe daran, daß
es mir so geht, wie Dir! Ucber
kurz oder lang haben sie mich bei
der Falle und — plumps! lieg
ich für alle Zeit draußen!" —
„Hm! hm! .. . Und . . .?" —
„Nun, da habe ich nachgedacht,
und einen Plan geinacht. Ich
denke nämlich, wenn ich eine
neue, wunderbar schöne
Wildfrau heimbringe, so versöhne
ich damit unfern König, denn Du
weißt, cs schmeckt ihm der Wein
nur, >vcnn lauter reizende Gestalten
um ihn sind!" — „Sapperlot!
Du bist nicht dumm! — Aber
weiter!" — „Wir sind schon am
Ziele, Meister Undank, wenn Du
mir hilfst!" — „Ich? Recht gerne!
Heraus also mit der Farbe!" —
„Die Prinzessin..." — „Freilich,
das wäre so eine Wildfran!" —
„Dn hast aber nichts dagegen,
wenn ich Dich ans diese Art um Deinen schönen Platz bringe?"
— „Papperlapapp! Dem Meister Undank steht die ganze Welt
offen." — „Bist der alte wackere Bursche! Lass' Dich umarmen!
gerade so klein, wie unser Bergmännchen,
aber furchtbar dick. Seine Wangen
hingen fett auf die Brust herab, und
sein Wanst war wie ein großer voller
Schnappsack. „Herrje!" rief der kleine
Kerl unserem Bergmännchen entgegen;
„das ist ja mein ehemaliger Gesponsc
Hahngikl! Hätte es nicht gedacht, daß
wir uns jemals wieder sehen sollten!
Willkommen! Setz' Dich her zu mir,
und greif' zu und friß und sauf'! Ich
„Hahngikl" rc.
4. Die beiden Kameraden vom Untersberg und
„Hahngikl's" Plan.
Wie ein Wiesel huschte und hüpfte das Bergmännchen
über die Treppe. Wohl kamen ihm allerlei Leute in die Quere,
aber sic sahen das Männchen nicht, denn cs ist ja bekannt,
das; sich die Untersbcrg-Zwerge, wenn sie es wollen, unsichtbar
machen können.
Im Corridor angclangt, blieb das Männchen, vom Laufen
schnaufend, stehen, und lauschte, wobei es die Kapuze zur
Seite schob, und die Ohren wie ein Fuchs bewegte. Es wollte
erfahren, in welchem Gemache die Prinzessin Hanse, um sich
cinzuschleichen, und sic ganz genau anzusehen. Da fing hinter
einer Thüre eine heisere Stimme leise zu singen an:
„Ich bin der Herr von Nimmersatt,
Der nie genug zu schlingen hat!
Mein Hals ist wie ein Trichter weit,
Mein Magen wie ein Weinfaß breit,
Doch Hab' ich nie genug, o weh!
Verschling' die ganze Welt, juchhe!"
„Hält!" murmelte das Bergmännchen vor der 'Thüre.
„Das ist ja mein ehemaliger Kamerad, der Meister Undank,
den sic vor so vielen Jahren aus unserer Gemeinschaft ob
seiner zahllosen schlechten Streiche schlossen, und für alle Zeit
hinaustrieben in die irdische Welt! Was er nur da hier
machen mag?!" Das Bergmännchen öffnete m freudiger
Erregung rasch die Thüre und trat hastig ein.
Da lag ans einem Sopha ein Kerl,
kann mich vor lauter Fett kaum rühren, — verzeihe darum,
wenn ich nicht anfstehc." — „Dir schcint's gut zu gehen!" lachte
Hahngikl; „was stellst Du denn hier vor?" — „Ich bin
ein großes Thier! Bin Haushofmeister der Prinzessin!" —
„Nun ja. Du wolltest ja immer hoch hinaus, Meister Undank!"
— „Ich diene immer nur bei reichen und großen Herren,
denn da ist für mich das rechte Hausen!" — „Nun, mich
freut's, daß Du's getroffen hast. Aber sag' mir, was ist's
denn mit der Prinzessin?" — „Was soll's sein mit ihr?
Eine dumme Gans ist sie." — „Aber sie soll eine so gute
Seele sein." — „Eben darum! Sie glaubt nach ihren Er-
fahrungen nicht an die Dankbarkeit der Menschen, und doch
überhäuft sic alle mit Wohlthaten! Dummes Zcug's! Die
Folge davon ist, daß sic selber die besten Dienste, die ihr er-
wiesen werden, hinlänglich mit Gold ausgewogen glaubt
und weiter nicht daran denkt. Dahin kommt es fast
immer auf dem glatten Boden hoher Personen. Und sieh',
Freund, das ist so, wie's mich amüsirt!" — „Sag' mir nur,
ist die Prinzessin wirklich so schön, mein lieber Undank, wie
die Leute rühmen?" — „Ja, Du alter Spitzbube! Sie ist
schön wie ein Traumbild, — dort im Untersberg gibt's keine
Wildfrau, die ihr gliche!" — „Das wäre ja herrlich! Das
könnte mich Herausreißen!" — „Was schwatzest Du da für
Blimclblamcl! Rede deutlicher!" — „Da wir so gute Gesellen
waren, so darf ich mich Dir wohl anvertrancn. Du weißt,
daß ich, wie Du, ein geriebener Kerl bin, daß cs mir eine
Herzensfreude ist, rechte Bosheiten auszuüben. Du weißt auch,
daß unser Herr und König unsere Sorte nicht gut leiden
mag, daß ihm nur unsere sanften, wohlwollenden Brüder, die
Duckmäuser, an's Herz gewachsen
sind. Nun, daß ich cs Dir nur
sage: ich -fein nahe daran, daß
es mir so geht, wie Dir! Ucber
kurz oder lang haben sie mich bei
der Falle und — plumps! lieg
ich für alle Zeit draußen!" —
„Hm! hm! .. . Und . . .?" —
„Nun, da habe ich nachgedacht,
und einen Plan geinacht. Ich
denke nämlich, wenn ich eine
neue, wunderbar schöne
Wildfrau heimbringe, so versöhne
ich damit unfern König, denn Du
weißt, cs schmeckt ihm der Wein
nur, >vcnn lauter reizende Gestalten
um ihn sind!" — „Sapperlot!
Du bist nicht dumm! — Aber
weiter!" — „Wir sind schon am
Ziele, Meister Undank, wenn Du
mir hilfst!" — „Ich? Recht gerne!
Heraus also mit der Farbe!" —
„Die Prinzessin..." — „Freilich,
das wäre so eine Wildfran!" —
„Dn hast aber nichts dagegen,
wenn ich Dich ans diese Art um Deinen schönen Platz bringe?"
— „Papperlapapp! Dem Meister Undank steht die ganze Welt
offen." — „Bist der alte wackere Bursche! Lass' Dich umarmen!
gerade so klein, wie unser Bergmännchen,
aber furchtbar dick. Seine Wangen
hingen fett auf die Brust herab, und
sein Wanst war wie ein großer voller
Schnappsack. „Herrje!" rief der kleine
Kerl unserem Bergmännchen entgegen;
„das ist ja mein ehemaliger Gesponsc
Hahngikl! Hätte es nicht gedacht, daß
wir uns jemals wieder sehen sollten!
Willkommen! Setz' Dich her zu mir,
und greif' zu und friß und sauf'! Ich
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Hahngikl"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1881
Entstehungsdatum (normiert)
1876 - 1886
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 75.1881, Nr. 1877, S. 18
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg