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122

Der Zähne und de

Leid stellten sich noch böse, tückische Zahnschmerzen ein. Man
kann Seelenschmerzen so hoch wie man will anschlagen, physische
Schmerzen vermögen sie doch nicht zu verscheuchen; und trotz
allen Herzeleids jammerte Eduard gegenwärtig nur über die
Zahnschmerzen. So wendete er sich denn an seinen Freund,
einen bekannten Zahnarzt, der übrigens auch um sein Verhält-
nis; zu Fräulein Marie wußte. Und da Eduard ihm jetzt
seine Zahnschmerzen klagte, so klagte er ihm bei der Gelegenheit
auch seine Liebesschmerzen.

Der Zahnarzt wünschte nichts sehnlicher, als seinen armen
Freund von seinen beiden Schmerzen befreit zu sehen, und
optimistisch, wie er war, dachte er, es werde sich wohl eine
Gelegenheit finden, gleich den Zahnschmerzen des Freundes auch
dessen Liebesschmerzen zu heilen; und diese Gelegenheit fand
sich auch wirklich.

Vor seinem Tode ist kein Mensch vor Zahnschmerzen sicher.
Das Haus des präsumptiven Herrn Schwiegerpapas mag wohl
viel Geld Werth sein, aber vor Zugluft war es dennoch nicht
geschützt. Es vergingen kaum zwei Tage, und Freund Karl,
der glücklichere Bewerber, stellte sich beim Zahnarzt ein und
klagte über furchtbare Schmerzen.

Wie ein Blitz flog ein Gedanke durch des Zahnarzts Ge-
hirn. Während er die Zähne Karls untersuchte, sagte er:

„Sie haben ein pracht-
volles Gebiß — ein be-
neidcnswerther Mensch
— schade, daß Sie da
rückwärts eine kleine Lücke
haben. Aber den; ist ja
leicht abzuhelfen — lassen
Sie sich einen Zahn ein-
setzen!" — „Gott be-
hüte ! Ich verabscheue
künstliche Zähne. Uebri-
gens muß man ja das
auf den ersten Blick er-
kennen." — „Wo den-
ken Sie hin? Keine
Idee! — Kennen Sie vielleicht Frln. Marie?"— „Ob ich die
kenne!" rief Karl glückstrahlend, „die hat doch keinen eingesetzten
Zahn. Das sind ja wahre Perlen, die Marie im Munde

r Liebe Schmerzen.

hat ..." — „Und der Fabrikant dieser Perlen bin Ich. Diese
32 Perlen, die aller Welt den Kopf verrückt machen, die so
herrlich zu dem reizenden Lächeln passen, stammen aus meinem
Atelier. Und diese 32 Perlen kosten kaum 3 mal 32 Thaler!"

— „So!" rief Karl verstimmt, „ich danke Ihnen für Ihren
Beistand. Aber Sie wissen ja, wie es mit Zahnschmerzen
geht. Wenn man beim Zahnarzt ist, vergehen sie! Adieu!"

„Adieu! — — Hahaha! Das wäre gelungen! Ich habe
Fräulein Marie in meinem Leben nicht gesehen. Die Aermste!
Sie hat gewiß die gesündesten Zähne der Welt . . . Hahaha!"
Kaum war Karl zu Hause angelangt, schrieb er an Mariens
Vater folgenden Brief:

„Sehr geehrter Herr!

Ich sehe mich genöthigt, Ihnen eine Eröffnung zu machen, die
mir unendlich schwer wird, die mir aber durchaus geboten erscheint.

Im intimeren Verkehr mit Fräulein Marie bin ich zur
Erkenntniß gekommen, daß wir für einander nicht geschaffen sind
und ein Bund für's Leben mir nicht gerathen erscheint. . .."

So ging es noch einige Zeilen fort in den nichtigsten
Phrasen — nur gemacht, um den wahren Grund zu verdecken.

Der Vater traute seinen Augen kaum. Und als er endlich
doch glauben mußte, was da schwarz aus weiß vor ihm stand,
bemächtigte sich seiner eine colossale Wuth. Er vergegenivärtigte

sich schaudernd den Ein-
druck, den diese Unglücks-
botschaft auf seine arme
Marie machen werde, von
der er glaubte, daß sie
Karl bereits lieben ge-
lernt habe.

Zagend und zitternd
brachte er seine Hiobs-
nachricht vor und war
fast versteinert, als er
just den gegentheiligen
Eindruck, als den fürch-
terlich von ihm erwarte-
ten , wahrnahm. Und
in der Freude seines Herzens und dem Taugenichts Herrn Karl
zum Trotze, wurde er bei der Eröffnung, die nun von den
zarten Lippen seines Töchterchens hervorsprndelte, nicht gar zu
zornig. — Und als Marie schmeichelnd und bittend um Ent-
scheidung drängte, sagte er: „Nun, nun! Nur ruhig, wir werden
schon sehen, was sich machen läßt."

So verging ein Tag. Und was geschah? Papa bekam

— Zahnschmerzen! Und diese Zahnschmerzen zwangen ihn,
zu unserem Arzt zu gehen.

Dieser wußte das Gespräch so zu wenden, daß bald die
Rede von Carl und Eduard war. Und der Zahnarzt sang
wahre Lobeshymnen auf seinen Freund Eduard. Papa schwelgte
im Anhören, und schmunzelnd ging er von dannen: „Nun, dem
Carl muß ich das anthun! Eduard wird mein Schwiegersohn!"
Noch kurze Zeit, und Eduard hatte sein Ziel errreicht.-

Und nun wäre Alles ganz schön und der Streich des
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Zähne und der Liebe Schmerzen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1885
Entstehungsdatum (normiert)
1880 - 1890
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 82.1885, Nr. 2073, S. 122
 
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