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162

Die Frösche.

„Aber Liebe, „die Frauen flechten und weben..." —
verwünscht, jetzt hätte ich fast meinen Frosch vergessen; der
arme Teufel steckt die ganze Zeit in meiner Tasche und sagt
nichts."

„Schon wieder so ein abscheuliches Thier."

Die Beiden stritten noch lange über Wirthshaus und
himmlische Rosen; ich schlief aus lauter Unglück in meinem
Gefängnisse ein.

Am anderen Tage befand ich mich in einem großen
Saal; da musterten mich viele junge Menschen mit ihren vier-
fachen Augen — denn Jeder hatte ein gläsernes Augenpaar vor
die seinigen gesteckt. Dann sprach der Riese von einem Galvani

und einen: Frosch, durch den die wichtige Elasti- oder Electri-
cität entdeckt worden ist.

Die Familie quackte voll Selbstgefühl.

„Ja, ich freute mich auch über meinen berühmten Vetter,
solange ich dessen Erfindung nicht verstand. Als ich aber
durch den Riesen erfuhr, was die Electricitüt bedeutet, und daß
er sie morgen an mir zeigen wollte, da erschrack ich zu Tod,
denn das hiesU nichts Anderes, als mich in Stücke schneiden.
Ein Storch geht glimpflicher mit uns um, als so ein Professor,
wie sic den Riesen nannten. Deßhalb, wenn Ihr je etwas
von „präparircn" hört, schwimmt und springt so weit wie
möglich, damit Ihr dein Tyrannen entflieht. — Als sich der
Redner mit seinen vieräugigen Zuhörern entfernt hatte, sprengte
ich, mit Ach und Weh, Kunst und Kraft, den Deckel meines

Kerkers, kletterte die Wand empor, von da zum Fenster hinaus,
an eine Rinne, in der ich hinabrutschte. Ein großer Platz
dehnte sich vor mir aus; dort saßen Weiber unter Schirmen
und Dächern ans Kisten und boten Obst, gezähmte Fische und
Hühner feil. Schöngeputzte Mädchen mit Federhüten, einen
Korb am rothen Arme, kauften ein und kehrten mit ihren
langen Kleidern den Steinboden. Auch viele blaue Männer
mit gelben Knöpfen und kriegerischen Mienen waren unter der
Menge. Ich gab mir alle Mühe, nicht zertreten zu werden,
denn die hatten Füße! Plötzlich gewahrte ich etwas Gräßliches!
An einer Stange waren über hundert Frösche gespießt und so
verstümmelt, daß man nur mehr ihre Beine und Schenkel sah."

„Ach, ich ahnte solche Grausamkeiten nicht", unterbrach die
Mama, welche ihre Kinder zur Wanderung aufgestachelt hatte,
und glotzte wehniüthig vor sich hin. Die Kaulquappen wurden
nachdenklich und schmiegten sich an die Mutter.

„O weh, jetzt bist du unter die Professorinnen gerathen",
dachte ich. Starr vor Entsetzen blickte ich meine armen Mitfrösche
an und vergaß darüber mein eigenes Ich. Sogleich gewahrte
mich eines der grimmigen Weiber und warf mich in eine Tonne.
„Der wär' uns bald aus'kommen", lehrte sie, und sagte noch
viel Seltsames: „daß unser Fleisch gar kein Fleisch sei, sondern
eine Fastenspeise, und daß wir nichts spüren, wenn man uns
zerschneidet, weil wir dies schon gewohnt sind." — Nun wußte
ich, was mich erwartete. Die Angst, die ich ausstand, hat
mich vor der Zeit runzelig gemacht, und meine schöne, grüne
Farbe ist ganz blaß und bräunlich geworden. Ich sann über
die Bosheit der Menschen nach; könnten sie sich denn nicht von
Fliegen und Käfern nähren, wie wir?"

„Dann wären diese bald ausgerottet und wir müßten ver-
hungern, Vater."

Der Alte schaute seine Tochter mit den klugen, gutmüthigen
Augen an. „Wahrhaftig, Einer muß vom Andern leben und
Jeder treibe eS, so lang er kann. Jedenfalls wäre ich damals
um meinen Kopf gekommen, wenn nicht ein wackerer Mann
mich entdeckt und der Professorin abgekauft Hütte. „Du kommst
mir gerade recht", sagte er, „ich brauche Dich für die „Fliegenden
Blätter"; und er trug mich in ein hohes, luftiges Gemach.
Dort sah es drollig aus - Menschenköpfe hingen an den
Wänden und machten ganz vergnügte Gesichter, auch mancherlei
Thiere in den sonderbarsten Stellungen, aber fast alle waren
schwarz und weiß. Keines rührte sich, und doch schien Jedes
zu leben. Der Mann that mich in einen gläsernen Topf und
regalirtc mich reichlich nnt Mücken, auch hat mich nie ein
Mensch so freundlich, wie dieser, angeschaut. Er setzte sich vor
meine Behausung und fuhr mit einer Kohle auf einem weißen
Blatte hin und her. Was macht er wohl da? fragte ich mich.
Nach kurzer Arbeit hob er das Blatt in die Höhe, so daß ich
es betrachten konnte. D Wunder er hatte einen Frosch
darauf gezaubert, ganz mein Ebenbild, nur war er wie die
anderen Geschöpfe im Zimmer, schwarz und weiß, und regungs-
los; auch erwiderte er meinen gequackten Gruß nicht! Das
war seltsam, und ist mir noch heute ein Räthsel. Doch ist
mir die Erinnerung an den Mann stets lieb, denn er trug
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Frösche"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsdatum
um 1885
Entstehungsdatum (normiert)
1880 - 1890
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 82.1885, Nr. 2078, S. 162
 
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