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Die beiden Landwehrmünner.

zu ihm setzte und ihm von Menschen und Dingen erzählte, die
seinem Herzen lieb waren, oder tvcnn sie seinem Magen kalte
Bratwurst vorsetzte.

Jedoch der Friede war einmal gestört und schließlich nicht
wieder herzustellen. Johann war im Herzen so gut und so
weich, wie er es ehedem gewesen, aber wenn sein Herz etwas

wollte, dann litt es sein Kops nicht, und der bekam allmählich

volle Gewalt über sein Gemüth. Er verlangte seinen Willen
zu haben und dann tobte er umher, daß Alles zitterte. Er
sei der Herr im Hause und habe es jetzt satt, rief er endlich.
Er sei der Schreiner Gottfried Adrian, und Niemand soll ihn
mehr zwingen, ein Dütenkrämer zu sein.

„O mein Gott", seufzte Life heimlich, als sie das gehört.
„Jetzt ist er schon der Schreiner Adrian! Er hat seinen

eigenen Namen vergessen!"

So kam es denn, daß, als der Unfriede immer ärger

geworden, Johann sich eines Tages sagte: „Ich bin noch jung!
Ich will für einige Zeit Abschied nehmen von Weib und Kindern
und wenn ich dereinst wiederkehre, wird ja Alles besser sein.
Die Life kann inzwischen ihren Kramladen behalten; der wird
sie und die Kinder ja ernähren."

Und an der Absicht hielt er fest. Er umarmte eines Abends
die Kinder mit Thränen in den Augen, legte auf den Tisch,
als seine Frau das Abendmahl bereitete, einen Zettel, darauf
hatte er geschrieben: „Lebe wohl, ich kann den Miißiggaug
nicht ertragen; ich ziehe in die Welt, um mich als Schreiner-
geselle zu verdingen!" Dann verließ er das Haus und wanderte

zum Thor hinaus.

Wohl war ihm das Herz
so schwer, daß er umkehren
wollte; aber sein Kopf sagte
ihm: „Sie halten dich für
verrückt; zeig' doch der Welt
in der Werkstatt, was du
als Schreiner leisten kannst!"
Und das wiederholte er sich,
als ihn das Heimweh zurück-
treiben wollte und so arg
ward, daß ihm die Thränen
in die Augen traten.

Ihm that das Herz so
weh, daß er schon nach einer
Stunde Weges vor einem
Wirthshaus an der Landstraße zu rasten beschloß. Vor dem
Hause stand ein langer Tisch und eine.Bank auf beiden Seiten.
An dem einen Ende saß ein Mann, der hatte einen Bierkrug
vor sich und die Stirne in die Hand gestützt. Aber er trank
nicht; er schien so traurig.

Johann setzte sich an das andere Ende des Tisches und
wartete vergebens, daß Jemand komme, um auch ihn zu bedienen,
Er wollte trinken, um das Herzweh nieder zu kämpfen. Und
als es ihm zu lauge ward, rief er einer Magd zu, die trüge
im Hausflur stand, und verlangte auch einen Krug.

Da erst wurde der Andere ihm gegenüber aufmerksam. Er

hob überrascht den Kopf aus der Hand und schaute ihn mit
großen, weit geöffneten Augen an. Johann that dasselbe n»d
so saßen Beide da, Augen und Mund offen, und blickten si^l

an, aber sie sprachen lange nichts.

„Sagt mir, wer seid Ihr denn eigentlich" ? rief endlich ^
Andere, aufspringend und mit der Hand auf den Tisch schlagend-

„Jch heiße Gottfried Adrian und bin Schreiner, der Arbeü
sucht! . . . Und Ihr?"

„Ich heiße Johann Grothe und bin ein gelernter Krämc>-
Aber Ihr seht's mir wohl au, ich bin ein unglücklicher Mensch
seit ich als Landwehrmann aus dein Kriege heimgekommen -
Meine Frau hat iuzwischcu den Verstand verloren, sie wölkte
mich nicht mehr annehmen und wies mir die Thür. Sic hatte
inzwischen eine Schreinerwerkstatt angelegt und hielt sich Gesellen,
und da ich nichts davon verstehe, ging ich fort. Jetzt irre ich
nun in der Welt umher und habe den Entschluß gefaßt, mich
heute Abend da unten in den Fluß zu stürzen, um meinew
Elend ein Ende zu machen!" . . .

„Sonderbar! Auch mir ist's beinahe ebenso gegangen, 11111
mit dem Unterschied, daß meine Frau behauptete, ich sei verrückt
geworden, denn ich sei gar kein Schreiner, und mitunter hätt
ich ihr fast geglaubt; dann aber bekam ich plötzlich die Arbeit^
lust, und ich sah ein, daß ich doch ein Schreiner sei."

Beide setzten sich jetzt wieder ruhig hin und tranken,
ihnen das Bier zu Kopfe stieg, und da blickte denn der Lebens'
müde plötzlich auf und in des Andern Antlitz.

„Ich erkenne jetzt doch Euer Gesicht wieder!" rief er. „S^r
war't im Kriege mein Hintermann."

„Nein, Euer Vordermann war ich!" rief der Andere,
ihn auch so unsehend.

„Nein, mein Hintermann, sage ich!" Dabei schlug der
Lebensmüde heftig mit der Faust auf den Tisch, denn er rnnlsic
ein Hitzkopf sein, wenn er gereizt ward.

„Und ich sage: Euer Vordermann!"

Beide waren wieder aufgesprungen und wollten mit de"
Fäusten auf einander losgehen. Aber ihre Hände sanken plötzl" !
und sie standen Beide einander gegenüber und starrten flm
ganz verwundert an.

Sie hatten nicht gesehen, daß während ihres Zankes cll‘
Greis, mit weißem Bart, langem dunklen Mantel und Stab, t"-'*
Weges gekommen. Das war der arabische Doktor, der nom
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die beiden Landwehrmänner"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Gehrts, Karl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 87.1887, Nr. 2198, S. 94

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