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Die rundbogigen Fensteröffnungen wurden von vornherein unter strenger Wahrung
5, 6 des Achsenbezugs zum dreijochigen Domikalgewölbe angeordnet. In ihrer ursprüng-
lichen formalen Durchbildung zeigen sie bereits Merkmale des romanischen Spätstils
und erinnern nur noch wenig an den einfachen Aufbau der Fenster von Granitquader-
kirchen. Allerdings ist nur über der „Neuen Kirche“ ein später vermauertes Fenster
im Originalzustand erhalten geblieben. Sein Gewände erhielt außen durch eckige
Rücksprünge eine kräftige Profilierung, wobei zahlreiche tiefrote und schwarze Fehl-
brände zur Belebung der strengen Gliederung, bei der keine Formsteine vermauert
wurden, Verwendung fanden. Im Kircheninneren ist die recht schmale Fensteröff-
7 nung - im Anschlag wurden 60 cm Breite und 290 cm Höhe gemessen - in einfachster
20, 30 Weise durch eine Abschrägung von Sohlbank und Laibung geweitet. In späterer Zeit
wurden die Fenster unter Beibehaltung der Rundbogenform zur besseren Belichtung
geringfügig verbreitert.
Ganz einfach ist auch das fragmentarisch erhaltene Abschlußgesims des Langhauses
gegliedert, das ursprünglich offenbar aus einer eckigen Abtreppung der letzten Back-
steinschichten bestand.
Die Verwendung von Formsteinen läßt sich nur am Dachgesims der barocken „Neuen
Kirche“ und an der Apsis beobachten. Da sie in beiden Bereichen das gleiche wulst-
förmige Profil haben und die Steine in Verwitterungszustand und Struktur überein-
stimmen, dürften sie über der Apsis einer späteren Bauphase entstammen. Die leicht
5, 6 gestelzte Apsis überschreitet mit einer Innenlänge von 4,40 m das übliche, etwa die
halbe Apsisbreite betragende Normalmaß44) und wirkt daher recht geräumig. Eine
ausgeprägte Stelzung des halbkreisförmigen Chorgrundrisses ist für Dorfkirchen un-
seres Gebiets allerdings frühestens seit dem 14. Jahrhundert belegt45). Vermutlich
wurde beim Anbau der „Neuen Kirche“ auch die Apsis im oberen Abschnitt einer
grundlegenden Reparatur unterzogen; Reparaturen an den Apsiden sind für ostfriesi-
sche Kirchen übrigens häufig belegt46). In vielen Fällen konnten nämlich Apsisge-
wölbe oder -mauern den Schubkräften des durch Winddruck aus dem Lot gewichenen
Ostgiebels nicht standhalten und stürzten ein, zumal der schlechte Baugrund am Bö-
schungsrand der Warf sowie die häufig mangelhafte Fundamentierung ein unzurei-
chendes Widerlager boten47). An der Fedderwarder Kirche wurde vermutlich nur der
Dachstuhl über dem Chor ausgebessert, die eingestürzte Kalotte - deren Steinverband
ursprünglich mit dem Chorbogen verzahnt war - durch ein einfaches Holzgewölbe er-
setzt und das Dachgesims jenem des neuerrichteten Flügelbaus angeglichen. Zur stati-
schen Sicherung wurde die Apsis im oberen Drittel mit einem kräftigen Eisenband
umgürtet und damit am Langhaus verankert.
Mit der Aufzählung dieser wenigen und noch dazu recht einfachen Zierformen ist die
architekturgliedernde Gestaltung der Außenfassaden auch schon erschöpft. Damit
stellt sich die Frage, warum die Fedderwarder Kirchengemeinde ihr Gotteshaus - der
„sakralen Kraftquelle“48), deren Errichtung jedes Kirchenmitglied sicherlich unter
erheblichen Opfern finanzierte, um eine möglichst hohe Repräsentationskraft zu er-
zielen - mit einem derart reduzierten Formenschatz versehen ließ, und zwar etwa zu
64, 68 einer Zeit, als zum Beispiel in Hage (Aurich) und Südbrookmerland-Victorbur (Au-
rich) - beide um 1240 - Dorfkirchen unter oberitalienischem, westfälischem und säch-
sischem Einfluß mit einem bis dahin ungeahnten Formenreichtum am Außenbau ent-
standen, der vorbildhaft für andere Gemeinden war49).
An diesen Bauten sind die großflächigen, zum Teil zweizonig gegliederten Fassaden -
67 vor allem die dem Dorfe oder der Straße zugewandte Hauptschauseite - durch Blend-
69-73 nischen und lebhaft strukturierte Abschlußfriese (Rundbogenfries, Zackenfries,
Deutsches Band) aufgelockert, ein Gliederungsprinzip, das durch plastisch ausge-
höhlte Fensterlaibungen, die bisweilen eingestellte Rundstäbe enthalten und von Zier-
bögen Übergriffen werden, eine zusätzliche Bereicherung erfährt.
Wollte man in Fedderwarden die Prachtentfaltung ganz auf die reiche figurale und or-
namentale Innenausmalung konzentrieren, um wenigstens auf diese Weise im sakralen
Ausstattungsniveau mit reicheren und größeren Gemeinden Schritt halten zu können?

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