Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
räume ausmachen, die, obwohl sie von den mit Backsteinimitationen bereicherten
Kirchenschiffen der roten Ausmalungsperiode durch weißgeputzte Wände und Ge-
wölbe abweichen, aufgrund ihrer zunehmend sich geometrisch verfestigenden Orna-
mentformen gleichwohl als entwicklungsgeschichtliches Bindeglied zu den oben cha-
rakterisierten Dekorationsformen der späteren Sakralräume aufzufassen sind.
Am Anfang dieser Entwicklung scheint die um 1260 erfolgte ornamentale Gewölbe-
ausmalung von Krummhörn-Eilsum (Aurich) zu stehen, die mit ihrem flotten und 83, 109
schwungvollen Pinselduktus an westfälische Raumausmalungen81) und - heute durch 87
Tünche verdeckt - an Krummhörn-Canum (Aurich)82) erinnert. Dagegen scheinen
die Malereien an den Domikalen in Weener-Stapelmoor (Leer) bereits durch den
Übergang zum strengen abstraktgeometrischen Ornament gekennzeichnet zu sein, al-
lerdings unter Beibehaltung der hellgeputzten Gewölbeflächen.
Fedderwarden hat mit diesen Ausmalungssystemen die Weißgrundigkeit seiner Male-
reien gemeinsam. Als bisher singulär ist jedoch die straffe Gebundenheit der Orna-
mentbänder an die Architekturglieder zu bezeichnen. Vorbilder für dieses Dekora-
tionsprinzip sind keinesfalls in Sachsen mit seinen teppichhaften, die Wände und Ge-
wölbe überziehenden figuralen und ornamentalen Malereien (Hildesheim, St. Micha-
el; Braunschweig, Dom; Wienhausen/Celle, Nonnenchor des ehemaligen Zisterzien- 88-92
serinnen-Klosters)83) zu suchen. Nicht unrichtig sieht B. Kurth in den erhaltenen
Bildteppichen des 12. und 13. Jahrhunderts in Sachsen würdige Vertreter der durch
Zerstörung und Übermalung verlorenen Malereien84). Einflüsse sind auch nicht ent-
fernter, etwa in England zu finden, das „bei der Ausbildung und Verbreitung der goti-
schen Malerei eine wichtige Rolle gespielt hat und entscheidende Impulse auf die Ent-
wicklung der gotischen Malerei Flanderns und Westdeutschlands, Skandinaviens und
Norddeutschlands ausgeübt hat“85). Dort sind in Winchester, St. Albans und West-
minster ähnliche Ausmalungen teppichhafter Textur anzutreffen86), wie sie für Sach-
sen als typisch bezeichnet wurden. Dänemark87) und Schweden88) folgten willig vor
allem englischen und sächsischen Einflüssen89), ihre Kirchenräume mit Malereien zu
überspinnen.
Das Rheinland stand vielfach vor der Aufgabe, Innenräume auszustatten, „deren Ar-
chitektur entweder gotisch ist oder sich auf dem Weg zur Gotik befindet“90). Die sich
aus dieser Aufgabe ergebenden neuen Auffassungen von prunkhafter Dekoration91),
die bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts beharrlich tradiert wurde, zeigen - um
nur zwei markante Beispiele, St. Severus in Boppard (vorl236) und die Stiftskirche in 93
Limburg a. d. Lahn (nach 1235), zu nennen - neben einer Betonung der Pfeiler durch 94
farblich wechselnde Quadermalerei und einer Füllung der Wandzwickel und Gewölbe
mit figürlicher bzw. Fugenmalerei differenziertestes Ornament, das sich auf den
Stirnseiten der Bögen, auf Rippen und eingelegten Rundstäben, auch auf den Gurtbö-
gen konzentriert92). Dieses kann in der Bezogenheit auf die Architekturglieder für
Fedderwarden durchaus als anregend vermutet werden, wenn auch die Ornament-
formen selbst nur wenig Verwandtes zeigen.
Die Beschränkung des Ornamentdekors auf die echten bzw. imitierten Architektur-
glieder ist für Fedderwarden typisch. Für diese Konzeption kann vor allem Westfalen 84-86
als anregend angenommen werden. Allerdings ist nur eine ganz allgemeine formale
Verwandtschaft mit dem dortigen gespinsthaften romanischen Gewölbedekor festzu-
stellen, dessen charakteristisches Motiv, der Lebensbaum, auch in Krummhörn-Eil-
sum (Aurich) - zur Scheinrippe degeneriert - wiederkehrt. Kennzeichnend für die 83, 109
westfälischen Dekorationssysteme ist die Tendenz, die Burmeister ein „Hineinwu-
chern der Ornamentformen von den Rippen, Scheiteln, Zwickelecken aus in die Kap-
penfelder“ nannte, welches ihm Zeichen war für ein beginnendes „Eigenleben“ des
Ornaments gegenüber den zugrundeliegenden Formen der Architektur93). Eher dür-
fen wohl dort beheimatete Schöpfungen der Zisterzienserkunst als anregend für Fed-
derwarden angenommen werden: Die Klosterkirche Marienfeld (1200 bis 1222) zum 95
Beispiel trägt eine sehr sparsame Raumfassung, die sich im Gewölbedekor auf echte
und imitierte Rippen, die nur von farbigen Streifen begleitet werden, beschränkt. Ein

29
 
Annotationen