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l)er Lhampagne-Kamsrad

Familien, er ist in alle Verhältnisse einaeweiht,
die andern Leuten verschlossen bleiben. Auch um
Geld kommt der Bauer zum „Herr'n Kurat,"
der zinsenlos ausleiht; wenn er nicht selber
„bodenleer" ist, was häufig aenug vorkommt;

viel größer als das eines Tagschreibers^

Den Gottesdienst hält er gewissenhaft; doch
beflrißigt er sich der möglichsten Kürze. An

Meß" und'^ein blßl'Predig'", das "ist ^der g^etst-
liche Küchenzettel. Lächerliches Pathos und
salbungsvolle Eefühlsduselei sind meinem Berg-
pfarrerl fremd. Ein Ordensmann weilte bei
ihm auf Besuch; gab seiner schmerzlichen Ver-
wunderung über dte kurze Dauer des sonntägigen
Gottesdienstes Ausdruck; dem erwiderte er:

„Der Gott'sdienst ist kein Strudlteig, den
man in die Läng' ziacht!"

Metn liebes Bergpfarrerl ist den armen, ge-
schundenen Bergbauern in Leibes- und Seelen-
not ein getreuer Berater und Tiöster. Aabe
selbst einmal einer Predigt dieses wahrhaft guten
Menschen beigewohnt, dte mir in ihrer schlichten
Herzenseinfalt das Wasser in dte Augen trieb:

Wie der brave Seelenhirt seinen Pfarrktndern
von der Kanzel herab begreiflich machte, sie
sollten doch jetzt nicht so viel Holz schlagen lassen;
die Preise seten gegenwärtig schlecht; sie möchten

„Und nachher, meine lieben Leuteln, tut's nur
bißl spar'nl Da geht etn Sechseile fort, und
da wieder eins; und zehn Sechserln machen schon

schon ein 'junges Schweindl! Und habts dann
zu Weihnacht. nach dem Amt doch auch was
Guets zum Essen!"

An hohen 'Festtagen bekommt das einsame
Pfarrerl eine „Aushilf'", in Gestalt eines Kopu-
ziners oder Franziskaners aus dem nächsten Kloster.

Ein solcher „Aushilfskapuziner' — so erzählte
mir der Pfarrer unlängst etnes Abends auf der
Hausbank — predigte einmal mit gewaltiger
Salbung unter beständigem pathetischen Nicken
seines bärtigen Havptes. Von der Kanzel aus
sieht er «in altes Weiblein im Betstuhl kauern.
Es flennt vor sich hin und schaut unentwegt
tränenden Auges zu der Känzel aus. Diese
Wirkung seiner Worte auf das Volksgemüt geht
dem Prediger tief zu Herzen. Jmmer salbungs-
voller wird seine Rede; immer stärker bewegt
sich sein Haupt mit dem herausgestrtchenen Barte
auf und nieder; und immer heftiger schluchzt das
Weiblein. Nach der Predigt fragt er die Alte:

„Weibele! Was hat dich an meiner Predigt
so gepackt?"

„Ja mei." meinte das Weiblein. „Wie beim
Predtg'n Enker Bart allweil so auf- und
niedergegangen ist, da ist mir halt wieder mei'
einz'ge Geih eing'fallen, tö mir vor vierzehn
Tag' auf'n Berg ob'n derfallen ist!"

„Bin sonst nit schadenfroh," fügte das prächtige
Pfarreil lachend bei. „Aber die Abfuhr han i ihm
vergönnt!" Damit stand er von der Bank auf.

„So jetz' heißt's aber ins Bett! Morgen ist
Samstag; ein strenger Tag! Vormittag heißt's
Rasier'n! Die Tonsur putzt mir dann die
Häuserin aus! Aber mein' Hals tät i ihr nit
anvertrauen! Nachmittag heißt's dann Predig'
studier'n, und gegen Abend Beicht' sitz'n; und

mattroten Schnüt und den stark abgegriffenen
Blättern ist überhaupt der unzertrennliche Be-
gleiter des Kuraten auf seinen Wanderungen
durch Berg und Wald. Kein Wunder, wenn ec
nach und nach äußere Eindrücke unwillkürlich
zum Breoier in ein gewisses Verhältnis bringt.
So oft wir auf unseren Spaziergängen an einem
schönen Platz vorbeikamen, meinte er: „Dös wär'
aber jetzt ein Platzl zum Brevierbet'n!"

Eine Jülle von Humor liegt auch darin, wenn
der geistliche Herr in seinem Zimmer betend aus-
und abgeht, und beim langen Psalm „Diligam"
angelangt, enerqisch seiner „Häuserin" zuruft:

„Theres! Brtngt's mir g'schwind etn Seid'l
Wein; jetzt kommt der Diligam!"

Offenbar hat er eine ungewiffe Furcht vor
dem langen Psalm und glaubt seiner ohne
„Weindl" nicht Herr zu werden.

Dte jinge, dralle Psarrerrköchin, die mit
einer gewiffen frioolen Absichtlichkeit gewöhnltch
neben dem Pfarrer beschrieben wird, ist da oben

das olte Fegrfeuer an. Sie macht mit ihrer
Herrlchsucht und ihrem grämltchen Alijungferntum
des Vergkuraten Hau-kreuz aus.

„Wie i noch jung bin g'wesen, han i —Gott

'kriegt.h— 's Tberesienkreuz!" ^

Seine Häuseria hrißt nämlich Therese.

Jn dem kleinen Bergkirchlkin fiel mir «ine

heiligen Michael auf, die über dem Hochaltar-
bilde, das „Mariä Hiinmelfahrt" darstellte. an-
gebracht war. Dräuend schwang St. Michael
sein Schwert aus lufttger Höhe.

Auf die Frage, wer dte Statue verfertigt,
meinte der weihhaarige frische Altr:

„Die han let (nur) i g'macht!"

Tie Kirche sei von altersher dem heiligen
Michael geweiht gewesen, und im Hochaltarbilde
sei der tapfere Heilige im Kampfe mit den
rebellischen Engeln dargestellt gewesen. Da habe
man in neuerer Zeit an deffen Stelle die
„Mariä Himmrlfahn" anbiingen laffen. Das
sei unoerdiente Zurücksetzung: „Was einmal dem
Michel g'hört hat, HStr' man ihm nit nehmen sollen!

Wtht's Herr, i heih auch Michl! und das
hat mi g'ärgert, dah mein Namen.-patron so
mir niX dic nir pensioniert worden ist! Die
Muattergottes han i mi aber nimmer traut
wegz'tun; sie könnt's ungern hab'n! Und fo
hab' i halt do Figur g'schnitzelt und ober'n Bild
aus'n Hochaltar aufg'stellt; weil i dös nit hab'

patron sollt im Winkel steh'n!"

Der alte Herr lud mich noch auf einen kleinen
„Plausch" in seine Stube. Es war ein freund-
lichrs, einfaches. getäfeltes Zimmerchen, an deffen
Wänden allemhalben hübsche Laublägearbeiten
und Hki igenbilder in wunderlich verschnörkelten,
geschnitzien Rahmen hingen. Ein besonders
sein gearbeiteter Rahmen umgab «in grohrs,
farbenreiches Bild des h.iltgen Michael, welches
zu Häupten des Bettes htng.

„HSuserin, hoi! Brtngt's a halbe Wein und
a bthl Cpeck für den Herrn!"

Bald stand das Beschaffte auf blühweihem
Tischtuch vor uns. Es war bis ins innerste
Herz hinein wohltuend, dem Kuraten zuzuhören;
wie schlicht er zu erzählen wuhte; wte er mitten
in der Rede wieder innehielt, um mein Glas voll-
zuschenken und mich zum Zulangen aufzufordern:

„Zugretf'n! Es ist ja da zum Effen! Wenn's
was zum Anschaug'n wär', hätt' i Bildeln herg'legt!"

Mit warmem Dank und Händedruck empsahl
ich mich.

Suchet ihn doch einmal heim, meinen alten
guten Bergpfarrer; es wird ihn fceuen und euch.
Aber ihr dürft ihn nicht suchen in der Nähe
der Slädte oder an der grohen Heerstrahe; scheu
wie etn Flüchtling hat er sich zurückgezogen, weit
hinauf in das Gebirge; bts an die Region der
Gletscher; drunten im ebenen Land ist sür ihn
kein Platz und kein Gedeihen.

kutter"

Vüeher-wur'M


<bO Pfg) «ntnommen. Nach Tirol, seiner Heimat,
führt Karl Schönherr lgeb. 1873 in Arams), der
Dichter der mit dem Schillerpreis gekrönten wuchtigen

1.— M.); «tne» "der Bändchen enthalt cuch „Brim
Better Christian''.
 
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