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Der Champagne-Kamerad: Feldzeitung der 3. Armee — 4. Kriegsjahrgang.1917-1918

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Hefte 90-94, September 1917
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https://doi.org/10.11588/diglit.2799#0065
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4 Nrlegsjahr. Nr. 90

65

DerLhampagne kamerad

Schriktleitung: keidrsitung deim
K. o.LS, veutsche keldpojt Nr. S7L

keldLeitung devS Krrnee

verug in der Neimat durch
alie poltanstalten und vuchhandlungeu

Jnsolge der »Ugemelnen Panierknapphelt
nnd Bertenernng aller Bohstoss« mnh »er
Umsang der Feldzeltnng künsttg »ns 12 Eelten
deschränlt werden.

vrieke aus r>er heimat

freundliche Fürsorge um sie her. Aber als ich
mich dessen sreute, hörte ich Klagen über harte
Ärbeit, die manchem von den Kleinen aufgebürdet
werde über Vermögen, und andere Klagen über
unerzogene Kinder, die das Essen stehen lassen
und htnten herum mausen wte die Katzen, und
ich getraute mir nicht, Dlr die günstigen Fälle
als typtsch zu erzählen. Jch sehe viel stille

X6II.

Allerlei Fröhliche« und^ Bestnn-

Anna Schieber,

» deren traute, gemütvoll« Büchlein zu

Gutach b. Ctornberg i. Baden,
im August 1917.

Lieber Mar!

Du glaubst nicht, wie stark Dein
letzter Brief mit mir umgeht. Jch
brauche ihn schon nicht mehr zu lesen,
ich kann ihn auswendig. Jch habe
ihn an diesem sommerheitzen Sonntag.
nachmittag mit mir in den Wald
genommen, um ihn zu beantworten;
aber die Gedanken fangen an zu
kreisen, wenn ich es tun will.

Du hast mir die Pistole auf die
Bcust gesetzt, und ich sehe Dein Eesicht
mit unausweichltch forschendem Aus-
druck auf mtch gerichtet, wenn Du
fragst: „sag' mir, Du, die immer
etwas Freudiges, Sonniges sah, dte
immer etwas Gutes in allem fand,
was ist nuy noch davon übrig? was
glaublt, was hoffst Du noch? haben
wir nicht alle großen Worte verlernt?
müssen wir ntcht umdenken in allem,
was uns sicher zu stehen schien? gib
mir Antwort, aber die wahr sei bis auf
den Grund: was kannst Du mir Gutes
erzählen, Freudiges, Mutmachendes
für mich und die um mich sind?
Jch fürchte, Du müssest schweigen."

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Urlaubsfahrt.



wo'solche vlüten"steh'ül

Unö -rüben bel üer Llnöe!
kal wie -a« küßt und küßtl
Bei fline^m holöen Kinöe


f/tt»»»»tt»»I»»tt»»»»«»tt»I»»I»tttt»»tt»»»»»»»»tt»»»»»»»»»»tt»»tt»»»»I»«»»MMtttttttt»»«l

Ja, mein Lieber, ich bin dieser Tage mit
zusammengebissenen Lippen umhergegangen, weil
ich das freudige, mutige Wort nicht sand, das
ganz von unten herauf käme und das ich Dir
„und denen, die um Dich stnd", ins Feld schicken
könnte. Denn: es mußte wahr sein bis auf
den Erund.

Jch wollte Dir erzählen, daß hier im Dorf
ein Herdlein Sradtktnder uniergrbracht ist und
daß ich mit ein paar von ihnen gut Freund bin
und hoffe, sie vermitteln ein Stück von dem so
nötigen Verständnis zwischen Stadt und Land.
Das ist auch bei manchen der Fall, die aus
guten Mutterhänden in gute HSuser gekommen
sind. Da sieht man glückliche Gesichrlein und

Tapferkeit. die kein Mensch kennt und anerkennt,
treue Mütter, die ihren Kindern Vater und
Mutter zugleich sind, ausharrende Leute, Bauern
und Beamte, Vornehme^und Geringe, dte bis

Selbstsüch'tige, Oberflächltche, Mutlose. Die
Guten sind still und leben im Verborgenen, die
andern schreien ihre Sache laut hinaus und
machen sich breit damtt. Und es ist wie immer:
die Guten sind in der Minderheit. Das ist
ntcht erst seit dem Krieg so. Da fällt mir
unser stolzes und dabei so bescheidenes Lieblings.
wort ein: wir aber wollen von der kleineren
Zahl sein. Jetzt gilt es. Sie geht nicht unter,

sie muß sich hinüberretten in bessere Zeiten, wo
man ikrer, ach so sehr, bedürfen wird.

Bessere Zeiten? fragst Du. Soll das Dein
Zauberwort sein? glaubst Du an sie?

Ja. ich glaube an sie.

Gestern stand wieder einmal nach ein paar
Stunden des Gewitters und strömenden Regens
der Bogen in den Wolken, die schimmernde
Brücke ins Unendliche hinüber. Da
fiel mir, ernster und schöner als in
leichten Zeiten, die Geschichte ein, die
schon unsere Ktndheit erfreut hat, die
uns später, in kritischen Tagen. Sage
wurde, und die jetzt wieder so voll
tröstlicher Wahrheit ift; von dem
großen Gewässer. das über die Welt
hingtng, das alles Menschsein und
Menschenwerk zerstören wollte. Jch
dachte des Häufleins, das noch lebte
und das angstvoll fragte: wird denn
der Graus jemals enden? sehet doch
den wüsten See, der über alle Berge
hingeht und sehet den Guß, der un«
aufhörlich herniederstromt. Es ist
kein Ende abzusehen. Nie wteder
werden wir in Frieden leben wie
zuvor. Doch, Du weißt es, das Ende
kam und das Gewässer verlief sich.
Der Bund wurde geschlossen zwischen
dem Schöpfer und den Menschen,
und, was auch seither brach, es kam
immer der Frühling auf den Winter,
immer dte Ernte aus die Saat — und
es wird immer der Frieden auf den
Krieg folgen, wie es seither war.

Sag' nicht, daß das ein billiger
Trost sei, mit dem Du nichts an-
fangest. Ach sag' das nicht. Weißt

Frieden? Wie' wir lebten und
schafften und uns stritten um Worte
und Begrisfe, und in allem nicht
wußten, wie unendlich gut wir es
hatten? Ich nehme metn Herz in
zwei Hände und sage: wtr werden
haben als zuvor. Netn, schüttle
Kopf, als ob ich nun doch große
Wörte mache. Es liegt an uns, ob es so
sei. Wtr haben alles wanken gesehen, was
fest stand, nichts mehr war selbstverständlich,
nicht das tägliche Brot, nicht das Leben mit
unsern Lieben, nicht das Wohnen in unsern
Heimaten, nicht die Freiheit unserer Volkesart,
— nichts oon dem, was wir an religtösen Be-
griffen mitgebracht hatten. Es wollte uns alles
entrinnen, und alles, auch das Letzte, mußten
wir mit allen Kräften umklammern, daß es uns
bleibe. Kannst Du Dir ausdenken, wie innig
wir das umschließen werden, was noch unser
ist, wenn die Gewässer sich verlaufen haben?

es btsser
nicht den
 
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