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Der Champagne-Kamerad: Feldzeitung der 3. Armee — 4. Kriegsjahrgang.1917-1918

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Hefte 103-107, Dezember 1917
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Nr. 107

11

vreihundertvlerundsechrig und eine
Nacht.

Don Peter Rosegger.

Das Zicklein war dahin.

Aber ntein Vater hatte noch vier grohe Ziegen

kotzen 'und legten uns, eins wie's andere^ in den
Futterbarren der Ziegen. Das waren eme Zeit-
lang unsere Betten, und die lieben Tiere be-

Sohne, man kann nicht sagen, erfreut, denn
Margaret soll sehr geweint haben, als man ihr
das .Mnd reichte. Dennoch, obwohl unter einem
Herzen voll Gram getragen, war Friedrich ein
gesundes hübsches Kind, das in der frischen 9uft
kräftig gedich. Der Vater hatte ihn sehr lieb,
kam nie nach Hause, ohne ihm ein Stückchen
Wecken oder dergleichen mitzubringen, und man
meinte sogar, er sei seit der Geburt des Knaben
ordentlicher geworden; wenigstens ward das
Lärmen im Hause geringer.

Friedrich stand in 'seinem neunten Jahrc.
Es war um das Fest der heiligen drei Könige,

Ver Lhampagne-Namerad

Da kam der Sonnwendtag. An diesem Tage
kochte uns die Mutter den üblichen Eierkuchen,
mein liebstes Essen auf der^ Welt.^ Jn diesem

Müt'ig lugte ich hin auf den ^Holzteller.

Mein sünfjährig Schwesterchen guckte mich an,
und wie wenn es meine Sehnsucht wahrgenommen
hätte, rief es plötzlich: „Du, Peterl, duI wenN du
uns ein ganzes Jahr in jeder Nacht eine Ge-

Teil von dem Kuchen!"

Dieser hochherzigen Entäuherung der Kleinen
stimmten seltsamerweise auch die anderen bei,

Nat.



ging die Bedingung ein. So stand ich dann
plötzlich am Ziele meiner Wünsche.

Jch nahm meinen Kuchen unter die Jacke

das ist das lockere Brett im Giebel, das der
Wind jagt." — „Nein, Mutter, an der Tür!"
— „Sie schlieht nicht; die Klinke ist zerbrochen.

wie sie in deN Waldhütten nutzlos auf den ruhigen
Wandstellen herumlagen, Schätze zu ziehen. Nun
hatte^ ich neue Quellen: die Geschichte^on der

ganz wunderbare' Dinge zu Dutzenden. Da sagte
mein Bruder wohl oft aus seiner Krippe heraus:
„Mein Kuchen reut mich gar nicht! das ist wohl
so viel unmöglich schön. Gelt, Zeitzerl?"

Nun wurden die Abende zu kurz, und ich
muhte eine solche Geschichte in Fortsetzungen
geben, womit aber klein Schwesterchen ^chier nicht

und nach emeOgewisse Fertigkeit im Erzählen und
tat es sogar hochdeutsch, wie es in den Büchern
stand! Oft geschah es auch, daß sich während
meines Erzählens meine Zuhörer tief in die
Kotzen vergruben und vor Schauer über die
Näüber- und Geistergeschichten zu stöhnen an-
huben ; aber aufhören durfte ^ch do^nicht. ^

AUe meine Ermnentngen, alle Bücher, deren ich
habhaft werden konnte, alle Männlein und
Weiblein, denen ich begegnete waren erschöpft —
alles ausgepumpt — alles hoffnungslose Dürre.
Bat ich meine Geschwister: „Morgen ist der letzte
Abend — schenkt ihn mir!" War ein Geschrei:
„Nein, nein. nichts schenken! Du hast deinen
Sonnwendkuchen kriegt!" Gar die Ziegen
meckerten mit.

Am nächsten Tage ging ich herum, wie ein ver-
lorenes Schaf. Da kam mir plötzlich der Gedanke:
Betrüg sie! dichie was zusammen! Aber allso-
gleich schrie das Gewissen drein: Was du erzählst,
das muh wahrhaftig sein! du hast den Kuchen
wahrhaftig bekommen!

Doch geschah im Laufe dieses Tages ein
Ereignis. von dem ich hoffte, dah es im Drange
der Aufregung mich meiner Pflicht entbinden
würde!

Mein Bruder Jakoberle verlor sein Zeitzerl.
Er ging in Kreuz und Krumm über die Heide,
er ging im Wald und suchte weinend und rufend
die Ziege. Aber endlich spät am Abend brachte
er sie heim. Nuhig ahen wir unsere Suppe,
gingen in unsere Krippen, und von mir wurde

kutter

^ kür ^en v^ücherwurm. ^

auch^tüe Erzählung „364 mid^eine Nacht" steht.
Droste- Hülsh^n (1 ^7lmidüste^t.^
 
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