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Deutsche Kriegszeitung — 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.3215#0032
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8

Nummec 4

>der Avenida de Mayo und las dort
stumm die Worte, die in großen Licht-
iettern die Kriegserklärung Englands
nn Deutschland brachten. Allein stand ich
da in der Menge, um mich -fremde Men-
ischen mit fremder Zunge. Schwer und
finster wurde da das deutsche Gemüt, in
idanger Not und bitterer Ochnmacht be-
griff langisam der wie gelähmte Geist,
wie unfagbar hart und gewaltig dieser
verräterische Schlag war, der gegen das
«deutsche Wesen geführt wurde. Kannten
wir Auslands-Deutschen doch die Eng-
'ländcr nur zu gut, in vielen Weltgegen-
den hatten wir lernen können, wie briti-
lsche Macht mit berechnender Zähigkeit
arbeitete und immer des Er-folges dop-
pelt und dreifach sicher war, ehe sie los-
fchlng. Und das mechanisch arbeitende
chirn erwog als zweiten Gedanken, ohne
Nachdenken Herausgeboren aus deut-
fchem Empfinden, wie komme ich nach
Deutschland, um mitzutun im großen
Kampfe. Denn seit Englands Eintritt
in den Krieg galt es den letzten Mann.
Es war mir ganz klar, daß England
Lampfen würde, bis es felbst oder bis
iDeutfchland am Boden lag, und wenn I
der Krieg fünf Jahre dauern sollte. Zu !
nnbeguem und gefährlich war Deutsch-
land, sein chandel und seine Wehrmacht ,
igeworden, zu günstig die politische Kon- ^
stellation, von Eduard VII. geformt und s
von seinen Iüngern vollendet, als daß
nicht England Macht und Ansehen, Ehre
und Geld an die Vernichtung des Bluts-
bruders setzen sollte.

Jch habe meine englischen Freunde nie
wieder gesehen. Am nächsten Morgen
löste ich kurzerhand einige Geschäfts-
verbindungen mit Engländern und
-Franzosen, gab Verkaufsaufträge auf
eintge leicht flüssig zu machende Werte
und kündigte meine Mitgliedschaft in den
verschiedenen englischen Klubs. Jm Aus-
lande hatten seit langen Zeiten Deutsche
nnd Engländer wie Brüder verkehrt, ihre
Klubs und Gesellschaften einander ge-
öffnet und fich besonders in romanischen
Ländern eng verbunden gesühlt. Zetzt
war alles anders. Am Abend desselben
Lages fuhr ich nach Cördoba zurück, be-
drückt von den Geschehnissen und in Ge-
Äanken an die Lösung meiner Geschäfte.
Mein Bruder Kurt empfing mich, und
wir tauschten harten Händedruck nicht
als Brüder, sondern als Deut'che. So-
fort gingen wir an die Ordnung des
Nötigen. Mein Bruder als alter aktiver
Offizier und Chinakämpfer konnte die
Tränen nicht bergen, da ihn langjährige
Krr^lkheit auf die Knie zwang und ihn
verurteilte, hier zu bleiben, während ich
hinaus durfte und hinüber. Arbeitsreiche

Tage folgten. Wenll wir nicht mit der
Regelung meiner Geschäfte tätig waren,
fuchten wir im Auto möglichst viele dsr
in der Provinz Cärdoba verstreut leben-
den Deutschen und Österreicher aus und
fordsrten von -ihnen, fich sofort auf den
Konsulaten in Cordoba zur Verfügung
zu stellen. Viele hatten dies schon getan,
manch; konnten wir schnell dahin beför-
dern. Der sehr rührige deutsche Konsul
I. Krug hatte in Gemeinschaft mit seinem
österreichischen Kollegen alles getan, der
Lage Rechnung zu tragen und den auf-
geregten Gemütern die Ruhe zurückzu-
geben. Ein Versaminlungsort der Deut-
schen und Österreicher war geschasfen
worden, wo man ungestört seine Mei-
nungen austauschen konnte. Damals
schon zeigte sich die gemeine Gesinnungs-
art der Jtaliener, die sich sofort offen
auf die Selte unserer Gegner stelltem Es
wurden auch die un'glaubllchsten amt-
lichen Nachrichten englischer und fran-
I zösischer Zeitungen verkündet. Bald
j sollte dle deutsche Flotte unter Angabe
s 'genauester Einzelheiten vernichtend ge-
schlagen sein und chamburg brennen.
Bald waren die Russen ln Frankfurt
a. O., sengten und brannten auf Berli.n
zu, München war von den Franzosen be-
setzt und die süddeutschen Staaten von
Norddeutschland geschieden. Man denke
sich uirsere Lage und Stlmmung in jenen
Tagen. Von jeder Kabelverbindung ab-
geschnitten, war man natürllch nlcht ge-
neigt, den Auslassungen der feindlichen
Konsulate und amtlichen cheeresberichte
Glauben zu schenken. Aber so teuslisch
genau war der Pressefeldzug der Ver-
leumdung und Lüge organlsiert, daß wir
schlleßlich einen ganz kleinen Bruchteil
der Schreckensnachrichten für wahr an-
sehen mußten. Dazumal unter dem
Drucke gemeinsamer Not versöhnten sich
erbltterte Feinde, half der Reiche dem
Armen, begrüßten und vertrauten sich
Unbekannte, nur um der feindlichen und
schadenfrohen Umgebung eine ge-
schlossene Front zu zeigen. Eln Teil der
eingeborenen Argentlnier, bejonders dle
besten Kreise, darunter viel Militär und
Klerus, waren ofsen deutschfreundllch zu
jener Zelt. Mittlerweile soll sich auch
darin unter der Hypnose der meister-
lichen englischen und französischen Lüge
manches geändert haben. Der Erzblschof
von Cordoba verficherte mir, dah für den
Sieg der germanischen Waffen täglich
Messen gelesen würden, denn Deutschland
und Österreich sind ja Hauptpfeiler der
Lathollschen Kirche, während Frankreich
als abtrünnig, England als freigelstig,
Ruhland als andersgläubig betrachtet
wird. Von der Sympathie des argen-

tinischen Heeres erhlelt ich vor meiner
Abreise noch einen Beweis, als der ar-
gentinlsche Kriegsminister im Klub Mili-
tar einen Vortrag über moderne Be- !
feftigungen und ihre Niederkämpfung
hielt. Dazumal wurden gerade Namur
und Maubeuge berannt und ihre Unein-
nehmbarkeit gepriesen. Wle freute ich
mich, zu hören, als der klar und milnä-
risch d'enkende Soldat offen voraussagte,
dah dem modernen deutschen Belage-
rungsgeschütz nichts, aber auch nichts Be-
stehendes widerstehen könnte.

Bald hatte ich das Allernötigste mög-
lichst geordnet, meine Geschäfte meinem
Bruder übergeben, meinen Beamten und
Leuten Treue gegen meinen Vertreter
ans Herz gelegt. Jetzt glng's ans Ab-
schiednehmen. Flüchtlg glitt der Blick
über den in langen Jahren selbftFeschasfe-
nen Besitz, der aus kleinen Anfängen
heraus sich ln die Breite dehnte. Ein
„Lebewohl" und „Auf Wledersehn"
trennte mich von meineni lieben Bruder
und seiner Familie, ein kurzer Abschled
von den Freunden in Cordoba, schon saß
ich im Schlafwagen nach Buenos Aires,
und die Gedanken eilten voran und be-
dachten die Möglichkeiten der Deutsch-
landfahrt und ihre grohen, großen
^>chwierigkeiten. Jn Buenos Aires an-
gelangt, mled ich mein altes Hotel und
stieg in einer kleinen, entlegenen Pension
ab. Ietzt begann die schwere Arbeit,
einwandfrele Papleve für dle feindliche
Kontrolle während der Überfahrt zu er-
langen. Es wollte sich aber nlchts Rechtes
finden, immer paßte irgend etwas nicht,
obwohl ich Englisch und Spanisch akzent-
frei spreche. Und dabei durfte man sich
nicht der Aufmerksamkeit der zahllosen
Spione aussetzen, die die Hafengegenden
unsicher machten und Verdächtige den
feindlichen KoNsulaten angaben, dle dann
wieder die Schiffahrtsgesellschaften ver-«
anlaßten, den des falschen Passes Ver-
dächtigen die Überfahrt zu verweigern.
Jch suchte verschiedene alte Bekannte
auf. frühere Offiziere, von denen ich
wußte, daß sie wie ich denselben unstill-
baren Wunsch hegten. Einige, auch ich,
wollten uns schleunlgst als Argentinler
naturalifieren lafsen, es fchien bei mir
auch alles aufs beste zu gehen, da unter-
sagte in allerletzter Stunde der Präfident
der RepubliL bis auf weiteres die
Naturalisatiom Das war ein schwerer
Schlagl Dle Zeit drängte. Hinüber
wollte und mußts lch. Sollte ich nach
einem kleinen Hafen Brafiliens fahren
und mich dort als Kohlentrimmer ver-
dingen, oder sollte ich nach den Ver-
einigten Staaten gehen, um dort viel-
leicht bessere Chancen zu finden als hier,

wo ich sozusagen wie ein bunter chund
bekannt war? Drüben kämpften und
bluteten meine Brüder, Verwandle,
Freunde, und ich sah hier immer noch
untätig? Jn einer Gemüts- und
Willensauswallung glng ich zu einem
alten englischen Bekannten, der mit einer
deutschen Dame verheiratet war und mir
noch ganz kürzlich seins ftarken deutschen
Sympathien dargelegt hatte. Er war
sofort bereit, das ihm Mögliche zu tun.
Nach längerem Überlegen verfaßten wir
einen mehrere Iahre vordatierten An-
ftellungskontrakt, laut welchem lch als
Jngenieur der Firma tätig war. Ein
weiteres Schrlftstück beauftragte mich,
in cholland Maschinen zu befichtigen und
zu 'kausen, welche zur Aussührung eines
der Firma übcrtragenen Regierungs-
kontraktes nötig waren. Diesen Kontrakt
führte ich in Abschrift bei mir. Von
allem wußte der deutschfeindliche Sozius
meines Bekannten nlchts, er wußte auch
nichts davon, dah meine Reisepapiere
vom engllschen Konsul bestens beglau-
bigt wurden. Meine chauptsorge war
und - blieb mein deutscher Paß. Jn
früheren Jahren hatte ich meiner- i^n-
jährigen Dienstpflicht nlcht genügen
können, weil meine schwächliche Gesund-
heit den Eintritt ins Heer unmöglich
machte. Aber da ich seinerzeit den gel-
ben Ausmusterungsschein von der Mili-
tärbehörde bekommen hatte und nach
feinem Wortlaute „im Falle ein-er
Mobilmachung von jeder Gestellung bei
Heer und Marine" befreit war, so baute
ich in Ermangelung eines Besseren fest
aus meinen gelben Schein, um desfen
Besitz ich von allen meinen Freunden
Höchlichst beneidet wurde. Mein eng-
lischer B-ekannter holte mir dann noch
eigenhändig ein Billett für S. S.
„Gelria", Passagier-Dampfer des hol-
ländischen Lloyd, der am 18. Auguft
nach Amsterdam abfahren sollte. Ich
wechselte meine sämtlich-en Barmlttel in
englisches Geld um, nahm noch eine
Menge engllscher Maschlnenkataloge mit
auf die Reise, um meinen technischen
Kenntnlsfen, die sich übrigens auch so
fehen lassen konnten, aufzuhelfen, falls
ich fle irgendwie brauchen sollts, viel-
leicht nur, um mir schon auf dem Damp-
fer das nötige Jngenieurgepräge zu
geben. Na, ich hatte das Mensck-en-
mögliche getan. Ietzt hieß es, dem guten
Glück und fich selbst zu vertrauen. Am
Abend dss 18. August hißte dle „Gelria"
ihre Anker, los ging die Fahrt, der Zu-
Lunft entgeg-en, durchs braune Wasser
des Rio de la Plata, um als erste Station
Montevideo anzulaufen.

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Druck und Verlag von August Scherl G.m.b, H., Berün LV, Zimmerftr. 36—41. — Verantwortlich für die Redaktion: Ludwig Rhein. Berlin, sür den Anzeigenteil: A. Pieniak, Berüm
 
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