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Schlussbemerkungen zur Datierung und Deutung des Torbaues

eine zeitlich eng verwandte Einstufung der beiden Bauten, wenn auch die Bibliothek mit
ihrer üppigen und qualitätvollen Ausgestaltung bislang zwei bis drei Jahrzehnte vor dem
Torbau eingestuft wurde2. Die beiden Bauten wurden eben — eventuell mit Ausnahme der
Kapitelle — von zwei verschiedenen Bauhütten ausgeführt3.
Der Baubeginn der Bibliothek ist mit dem Tod des Celsus anzusetzen. Dieser starb
höchstwahrscheinlich 113/44. Für unseren Torbau stellt der Baubeginn der Bibliothek
den terminus post quem dar. Der Straßenbrunnen ist durch seine Inschrift auf 102—114
datiert5. Durch die Kapitelle wird nun auch die Datierung des Straßenbrunnens genauer
festgelegt. Er muß gleichzeitig mit der Bibliothek errichtet worden sein. Aus diesen
Ergebnissen ist somit die Bauzeit des Torbaues zwischen 113/4 und 117/8 anzusetzen.
Während jedoch der Baubeginn der Bibliothek mit einer Abweichung von höchstens zwei
Jahren als gesichert angesehen werden kann, steht und fällt die Datierung des Tores mit
der des Hadrianstempels6.
Einen weiteren terminus ante quem gibt hier nun die Nordhalle des Asklepiosheilig-
tums in Pergamon. Die von der Ausgestaltung der übrigen Hallen abweichenden zehn öst-
lichen Joche folgen in ihrer Bauform und -dekoration so auffällig dem ephesisichen Tor-
bau (vgl. o. S. 120), daß sie derselben, aus Ephesos stammenden Bauhütte zugeschrieben
werden müssen. Die Flalle wurde aufgrund ihrer Bauinschrift von Habicht in die Jahre
123—138 datiert7. Die Einweihung des Baukomplexes dürfte aus Anlaß eines Kaiserbesu-
ches erfolgt sein, in Frage kommen die Jahre 123 oder 129. Unter Berücksichtigung einer
gewissen Bauzeit würde die Zeitspanne, in der der ephesische Torbau gebaut wurde, um
etwa zehn Jahre verlängert, läge also zwischen 113/4 und 127/8.
II Deutung. Der Torbau wurde bislang als Dekorationsbau eingestuft, der den schmük-
kenden Abschluß der ,Marmorstraße4 bildete. Aus einer Inschrift auf dem Propylon ist
nunmehr auf deren antike Bezeichnung P1 ate i a zu schließen. Die Freilegung einer wei-
teren vom Tor nach Westen abzweigenden Hallenstraße und eine Geländebegehung am
Hang und Westende des Bülbül Dag haben dazu geführt, in dieser Straße den alten, seit
archaischer Zeit bestehenden, Prozessionsweg nach Ortygia, dem legendären Geburtsort
der Artemis und des Apollo, zu sehen8. Der Torbau markiert also den Punkt, an dem die
Frühjahrsprozession, die diesen Geburtsmythos feierte, vom Prozessionsweg rund um
den Panayir Dag abzweigte und nach dem vermutlich im Arvaliatal gelegenen Ortygia
zog. Die Prozession bewegte sich durch das Propylon hindurch, damit kam ihm eine
gewisse kultische Bedeutung zu. Diese dürfte sich im Statuenprogramm des Tores abge-
zeichnet haben. Zu erwarten ist zweifellos eine Statue der Artemis Ephesia, wahrschein-
lich waren auch Apoll und Leto aufgestellt. Die offenen Felder neben und über dem Bogen
boten hierfür ausreichend Platz. Das Bild der Artemis, das der Christ Demeas nach dem
endgültigen Sieg der neuen Religion herunterholte, könnte aufgrund des Fundortes der
hierüber errichteten Inschrift direkt beim Tor eben jene Artemisstatue des Propylons
gewesen sein.
2 Heilmeyer, Normalkapitelle 96 u. Anm. 380.
3 S. dazu Thür in: Festschrift Vetters 18lff., bes. 184.
4 Vgl. Strocka in: Proceedings Ankara II 893; weitere Lit. zur Bibliothek s. o. 1. Kap. Anm. 23.
5 S. IvE II 424 A; s. auch o. 7. Kap. Anm. 86.
6 Die Datierung und Deutung Bowies undWöRRLES wurde in jüngster Zeit von Kollegen in Ephesos in
Gesprächen in Zweifel gezogen. S. einstweilen Karwiese in Festschrift Vetters 129f. bes. Anm. 30. Ein Argu-
ment für Wörrles Datierung ist wohl das Fehlen jeglicher Titulatur des Kaisers.
7 AvP VIII 3 10 u. 103 Nr. 64; s. auch o. 8. Kap. Anm. 16.
8 S. o. 2. Kap. Anm. 12 u. 13.
 
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