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9. Spätere Umbauten und Reparaturen der Architektur

2. Oktober 1958: Im Schutt östl. des Trajaneums kommt ein männlicher Kopf zum Vorschein, der offenbar von einem der späten
Balustradenpfeiler (3. Geschoss) des Trajaneums stammt.“
Miltner schreibt in seinem Grabungsbericht in den ÖJh: „Außer diesen Teil trajanischer, teils [...] etwas jüngerer Zeit, jedoch noch durchwegs
dem 2. Jh. angehörigen Statuen fanden sich unter den in das große Prunkbecken gestürzten Resten etliche Hermenpfeiler, welche durch die
seitlich eingearbeiteten Nuten als Ständer für Schrankenplatten erwiesen werden und sich durch die Frauenköpfe wie auch durch den einen
Kriegerkopf als spätantik zu erkennen geben.“
Weder die genaue Fundsituation noch der ursprüngliche Aufstellungsort lassen sich aus diesen spärlichen Angaben für die Hermen eindeutig
erschließen. Eine Rekonstruktion der ursprünglichen Anbringung des Hermenzauns kann somit nur durch eine Analyse der baulichen Reste
erfolgen. Die Verwendung der Hermen als „Attikabalustrade“, wie von Miltner vorgeschlagen, ist mangels Anbringungsspuren an den
Gesimsen des Obergeschoßes auszuschließen (Taf. 82)67ü. Auch die Aufstellung der Hermenpfeiler unmittelbar auf der Bruchsteinrückwand
ist nicht möglich, da in diesem Fall keine Fixierung mittels vertikaler Eisenklammern erfolgt wäre. Schwieriger hingegen ist eine eindeutige
Aussage über die Anbringung am Beckenrand. Sowohl die Begrenzungsplatten des Haupt- als auch jene des Schöpfbeckens weisen an
der Oberseite zahlreiche Dübel-, Klammer-, Zapfen- und Hebelöcher auf (Taf. 8; 133). Daraus lassen sich mehrere Änderungen bzw.
Umgestaltungen erschließen; für die Begrenzung des Hauptbeckens sind mindestens drei Nutzungsphasen zu unterscheiden670 671.
Soweit die erhaltene Substanz Schlüsse zuläßt, legen diese nahe, daß die Anbringung des Hermenzauns tatsächlich auf den Begrenzungsplatten
des Schöpfbeckens erfolgte, wie dies offenbar bereits H. Pellionis vermutete672. Zum einen weist die Oberseite der Platten fast durchgehend
in der Mitte eine mit Sicherheit erst sekundär eingearbeitete Nut mit einer Breite von 13 cm auf673. Dies entspricht exakt der Breite des
Falzes eines heute im Brunnenbecken gelagerten Hermenschaftes (Taf. 131, 3). In beiden Fällen dürfte es sich um die Einlassungsspuren der
steinernem Schrankengitter gehandelt haben, die offenbar in der Nähe des Brunnens gefunden und bereits von H. Pellionis dokumentiert
wurden (Taf. 132, 1-2). Es ist davon auszugehen, daß die Aufstellung des Hermenzaunes am östlichen Ende des Schöpfbeckens mit einer
Herme zur Verankerung des westlich anschließenden Schrankengitters begonnen wurde.
Zwei weitere Einarbeitungen geben Aufschluß über die Aufteilung der anderen Stücke: An Platte 6 und 8 ist jeweils die Nut zu einem
rechteckigen Bereich erweitert, der an der Ostseite Einarbeitungen für eine vertikale Klammer oder einen Kantendübel aufweist; an Platte 8
ist noch ein Eisenrest erhalten. Diese Art der Befestigung findet ihre Entsprechung in den erhaltenen bzw. dokumentierten Hermenschäften.
Auch die Schrankengitter wurden offenbar durch vertikale Klammern in ihrer Position gehalten, wie Einarbeitungen in den Platten 6 und 8
nahelegen. Die Hermen weisen darüber hinaus im Schulterbereich Klammerlöcher auf, die ebenfalls mit den Schranken verbunden waren
(Taf. 130, 2; 130, 4; 131, 1).
Aus den erhaltenen Resten lassen sich - vorausgesetzt, die Annahme von R. Hanslmayr bezüglich eines Programms bestehend aus sieben
Stücken trifft zu - die in Taf. 132, 2 angegebenen Positionen der Hermen rekonstruieren. Demnach waren die sieben Exemplare nicht
spiegelsymmetrisch mit gleichen Abständen von der Mittelachse ausgehend angeordnet, sondern wurden mit Bezug auf die Achsen der
Fassade verteilt. Somit kam es zu einer überzähligen Herme, die vielleicht an der westlichen Gebäudekante aufgestellt wurde. Die Oberseite
der entsprechenden Begrenzungsplatte ist abgebrochen, doch erscheint dies auf Grund des ansteigenden Straßenniveaus naheliegender als
eine Anbringung vor dem östlichen Seitenflügel, wo die Herme auf der Abdeckung des Abflusses gestanden wäre. Nach der Aufstellung
des Hermenzaunes konnte das Wasser nicht mehr aus dem vorderen Becken geschöpft werden674. Wahrscheinlich wurden deshalb die an
verschiedenen Stellen der Begrenzungsplatten vorhandenen „Überlaufrinnen“ angebracht, die - wie etwa an Platte 7 aus dem abgearbeiteten
Dübelloch ersichtlich - ebenfalls nicht Teil der ursprünglichen Konzeption sind675. Sie könnten durch Anbringung von Metalltüllen oder
Wasserspeiern zum Befüllen von darunter gestellten Gefäßen gedient haben. Für diese Annahme spricht nicht zuletzt, daß die angesprochenen
„Überläufe“, soweit dies die Verteilung der einzelnen Platten bzw. der sie verbindenden Klammem zuläßt, in relativ regelmäßigen Abständen
zwischen den rekonstruierten Positionen der einzelnen Hermenschäfte angebracht waren. Mit dieser Installation könnte auch die Absperrung
aus Ziegeln am Ostende des Schöpfbeckens in Zusammenhang stehen: Dadurch wurde der Wasserspiegel so weit gehoben, daß Wasser die
Überläufe an der Vorderseite erreichte. Erst ab dieser Höhe schwappte überschüssiges Wasser auch in den Bereich zum Abfluß über676.

670 Vgl.Kap. 3.14.
671 Vgl. Kap. 3.2.2 und 3.2.3 mit der Beschreibung zu Platte 10.
672 Alzinger, RE Suppl. 12, 1607: „Miltner weist diese [sc. Hermen, U.Q.] einer atti-
kaartigen Bekrönung der Schmuckfassade zu, doch dürften sie nach neueren Studien
von H. Pellionis (unpubl.) eher am Rand des schmalen Schöpfbeckens aufgestellt
gewesen sein.“
673 Die Tatsache, daß die Anathyrose erst sekundär eingearbeitet wurde, ergibt sich etwa
aus Dübellöchern an den Platten 5 und 7, die für die Nut großteils abgearbeitet wurden
und deren Gußkanal noch auf der höheren, originalen Oberfläche erkennbar ist. Vgl.
die Beschreibung in Kap. 3.2.2.

674 Auch andere spätantike Brunnenanlagen weisen bezüglich der Gestaltung des
Schöpfbeckens eine eingeschränkte Nutzbarkeit auf, so etwa die in ein Nymphäum
umgestaltete Celsus-Bibliothek, worauf Dorl-Klingenschmid zu Recht hingewiesen
hat, s. Dorl-Klingenschmid, Prunkbrunnen, 107 f.
675 Vgl. die Beschreibung der Platte in Kap. 3.2.2.
676 Vgl. dazu auch Kap. 8.3. Zur Bedeutung des Nymphaeum Traiani für die Wasserver-
sorgung von Ephesos in der Spätantike vgl. Kap. 11.2.

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