10. Bautypologie und Vergleiche
10.1 Definition des Typus „Fassadennymphäum“
Eine bautypologische Analyse von Fassadennymphäen setzt zunächst eine Definition des Untersuchungsgegenstandes voraus. Innerhalb
der dadurch abgegrenzten Gruppe von Denkmälern können die einzelnen Monumente chronologisch geordnet und auf Gemeinsamkeiten,
Unterschiede und mögliche Entwicklungszusammenhänge hin geprüft werden. Die Definition des Typus „Fassadennymphäum“ erfolgte
bislang zumeist in Zusammenhang mit einer Unterteilung des Gesamtbestandes der öffentlichen Laufbrunnen aus einem bestimmten
geographischen Gebiet mit dem Ziel, diese im Rahmen einschlägiger archäologischer Publikationen geordnet vorzulegen* * * * 695. Wie im folgenden
zu zeigen sein wird, ist jedoch keine der bereits existierenden Definitionen geeignet, den Rahmen für eine baugeschichtliche Analyse des
Typus „Fassadennymphäum“ zu bilden. Demnach ist es notwendig, anhand eigener Parameter eine Beschreibung der zu untersuchenden
Monumente zu formulieren.
Zunächst sollen jedoch auf den methodischen Ansätzen von W. Y. und E. W. Adams696 aufbauend einige für die Erstellung von Typologien
wesentliche Grundprinzipien erläutert werden. Sie bilden die Basis für die Kritik an existierenden Typologien und die hier vorgestellte
Neudefinition.
Eine Typologie ist immer auf einen bestimmten Zweck hin ausgerichtet, der bereits im Rahmen der Erstellung explizit formuliert
werden sollte697. Im vorliegenden Fall etwa handelt es sich um eine deskriptive Typologie mit dem Ziel, eine bautypologische Analyse
durchzuführen. In diesem Rahmen sind architektonische Kriterien wesentlich, während etwa eine Differenzierung nach Art des
Leitungsanschlusses wenig sinnvoll wäre698.
Eine Typologie ist - zuminderst bis zu einem gewissen Grad - immer ein künstlich geschaffenes System; „natürliche“, den
Untersuchungsobjekten immanente Typen existieren nicht, zumal sich die entsprechende Typendefinition je nach Fragestellung oder
Standpunkt des Betrachters ändern kann699. Deshalb ist es auch nicht sinnvoll, im Rahmen einer Typologie antike Begriffe wie Kpqvq oder
uÖpCKÖoxiov zu verwenden und zu versuchen, für diese adäquate, antiken Denkkategorien entsprechende Definitionen zu finden. Unser
Kenntnisstand der Verwendung dieser Begriffe über die gesamte Antike, unterschiedliche geographische Regionen oder Personengruppen
hinweg ist zu gering, um sich diesem Thema anzunähern.
Nicht zuletzt ist auch die Eindeutigkeit einer Typologie ein wesentliches Kriterium für ihre Anwendbarkeit („mutual exclusiveness“)700.
Im Rahmen der angestrebten bautypologischen Analyse von Fassadennymphäen muß beispielsweise klar definiert sein, welche Bauten in
die Untersuchung einbezogen werden. Eine gewisse Beliebigkeit in der Zuordnung der Monumente könnte zu einer falschen Interpretation
der architektonischen Entwicklung führen.
Eine erste umfassende Typologie römischer Laufbrunnen und Nymphäen erstellte N. Neuerburg701. Seine Unterteilung beruht im wesentlichen
auf Grundrissen und architektonischen Charakteristika. Entwicklungsgeschichtlich sieht er die Herkunft der meisten Typen von der
Brunnengrotte. Eine Ausnahme stellen seiner Ansicht nach nur die Fassadennymphäen dar: „II tipo a facciata raramente si riferisce alla grotta
e abitualmente si sviluppa in ampiezze anziche in profonditä“ 702. Letztere Beschreibung des Verhältnisses zwischen Breite und Tiefe scheint
auch Neuerburgs - nur implizit formuliertes - Hauptdefinitionskriterium zu sein: Während er der Gruppe der Fassadennymphäen etwa das
Septizodium in Rom zurechnet, einen Bau mit reich ausgestalteter Tabernakelfassade703, gehören auch einfache Brunnen zu seiner Gruppe,
697 Zu einzelnen geographischen Regionen liegen Überblickswerke mit einem ent-
sprechenden Katalogteil vor. Vgl. zu den italischen Brunnenanlagen: Neuerburg,
Fontane e Ninfei; zum westlichen Teil des römischen Reiches: Letzner, Brunnen
und Nymphaea; zu Griechenland: Glaser, Antike Brunnenbauten; zu Kleinasien:
Dorl-Klingenschmid, Prunkbrunnen.
696 Vgl. Adams - Adams, Typology; zu einer Zusammenfassung der Grundprinzipien s.
auch die Rezension von D. K. Washburn, Antiquity 66, 1992, 248-250.
697 Adams-Adams, passim, bes. 157-168.
ft9S Daraus ließe sich eine funktionale Typologie erstellen, wie sie etwa für eine übergrei-
fende Analyse zur Nutzung von Brunnenbauten zweckmäßig wäre. Eine vergleichbare
Differenzierung privater Brunnenbauten - Tiefbrunnen, Zisternen und Laufbrunnen -
nimmt beispielsweise auch Schmölder-Veit, Brunnenbauten, passim, bes. 50-59 vor.
699 Adams - Adams, Typology, bes. 67 f.
700 Adams - Adams, Typology, bes. 77 f.
701 Neuerburg, Fontane e Ninfei, passim.
702 Neuerburg, Fontane e Ninfei, 29.
703 Neuerburg, Fontane e Ninfei, 73. 226 f. (Nr. 181). Jüngst dazu Gorrie, Septizodium,
653-670; Lusnia, Septizodium, 517-544.
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10.1 Definition des Typus „Fassadennymphäum“
Eine bautypologische Analyse von Fassadennymphäen setzt zunächst eine Definition des Untersuchungsgegenstandes voraus. Innerhalb
der dadurch abgegrenzten Gruppe von Denkmälern können die einzelnen Monumente chronologisch geordnet und auf Gemeinsamkeiten,
Unterschiede und mögliche Entwicklungszusammenhänge hin geprüft werden. Die Definition des Typus „Fassadennymphäum“ erfolgte
bislang zumeist in Zusammenhang mit einer Unterteilung des Gesamtbestandes der öffentlichen Laufbrunnen aus einem bestimmten
geographischen Gebiet mit dem Ziel, diese im Rahmen einschlägiger archäologischer Publikationen geordnet vorzulegen* * * * 695. Wie im folgenden
zu zeigen sein wird, ist jedoch keine der bereits existierenden Definitionen geeignet, den Rahmen für eine baugeschichtliche Analyse des
Typus „Fassadennymphäum“ zu bilden. Demnach ist es notwendig, anhand eigener Parameter eine Beschreibung der zu untersuchenden
Monumente zu formulieren.
Zunächst sollen jedoch auf den methodischen Ansätzen von W. Y. und E. W. Adams696 aufbauend einige für die Erstellung von Typologien
wesentliche Grundprinzipien erläutert werden. Sie bilden die Basis für die Kritik an existierenden Typologien und die hier vorgestellte
Neudefinition.
Eine Typologie ist immer auf einen bestimmten Zweck hin ausgerichtet, der bereits im Rahmen der Erstellung explizit formuliert
werden sollte697. Im vorliegenden Fall etwa handelt es sich um eine deskriptive Typologie mit dem Ziel, eine bautypologische Analyse
durchzuführen. In diesem Rahmen sind architektonische Kriterien wesentlich, während etwa eine Differenzierung nach Art des
Leitungsanschlusses wenig sinnvoll wäre698.
Eine Typologie ist - zuminderst bis zu einem gewissen Grad - immer ein künstlich geschaffenes System; „natürliche“, den
Untersuchungsobjekten immanente Typen existieren nicht, zumal sich die entsprechende Typendefinition je nach Fragestellung oder
Standpunkt des Betrachters ändern kann699. Deshalb ist es auch nicht sinnvoll, im Rahmen einer Typologie antike Begriffe wie Kpqvq oder
uÖpCKÖoxiov zu verwenden und zu versuchen, für diese adäquate, antiken Denkkategorien entsprechende Definitionen zu finden. Unser
Kenntnisstand der Verwendung dieser Begriffe über die gesamte Antike, unterschiedliche geographische Regionen oder Personengruppen
hinweg ist zu gering, um sich diesem Thema anzunähern.
Nicht zuletzt ist auch die Eindeutigkeit einer Typologie ein wesentliches Kriterium für ihre Anwendbarkeit („mutual exclusiveness“)700.
Im Rahmen der angestrebten bautypologischen Analyse von Fassadennymphäen muß beispielsweise klar definiert sein, welche Bauten in
die Untersuchung einbezogen werden. Eine gewisse Beliebigkeit in der Zuordnung der Monumente könnte zu einer falschen Interpretation
der architektonischen Entwicklung führen.
Eine erste umfassende Typologie römischer Laufbrunnen und Nymphäen erstellte N. Neuerburg701. Seine Unterteilung beruht im wesentlichen
auf Grundrissen und architektonischen Charakteristika. Entwicklungsgeschichtlich sieht er die Herkunft der meisten Typen von der
Brunnengrotte. Eine Ausnahme stellen seiner Ansicht nach nur die Fassadennymphäen dar: „II tipo a facciata raramente si riferisce alla grotta
e abitualmente si sviluppa in ampiezze anziche in profonditä“ 702. Letztere Beschreibung des Verhältnisses zwischen Breite und Tiefe scheint
auch Neuerburgs - nur implizit formuliertes - Hauptdefinitionskriterium zu sein: Während er der Gruppe der Fassadennymphäen etwa das
Septizodium in Rom zurechnet, einen Bau mit reich ausgestalteter Tabernakelfassade703, gehören auch einfache Brunnen zu seiner Gruppe,
697 Zu einzelnen geographischen Regionen liegen Überblickswerke mit einem ent-
sprechenden Katalogteil vor. Vgl. zu den italischen Brunnenanlagen: Neuerburg,
Fontane e Ninfei; zum westlichen Teil des römischen Reiches: Letzner, Brunnen
und Nymphaea; zu Griechenland: Glaser, Antike Brunnenbauten; zu Kleinasien:
Dorl-Klingenschmid, Prunkbrunnen.
696 Vgl. Adams - Adams, Typology; zu einer Zusammenfassung der Grundprinzipien s.
auch die Rezension von D. K. Washburn, Antiquity 66, 1992, 248-250.
697 Adams-Adams, passim, bes. 157-168.
ft9S Daraus ließe sich eine funktionale Typologie erstellen, wie sie etwa für eine übergrei-
fende Analyse zur Nutzung von Brunnenbauten zweckmäßig wäre. Eine vergleichbare
Differenzierung privater Brunnenbauten - Tiefbrunnen, Zisternen und Laufbrunnen -
nimmt beispielsweise auch Schmölder-Veit, Brunnenbauten, passim, bes. 50-59 vor.
699 Adams - Adams, Typology, bes. 67 f.
700 Adams - Adams, Typology, bes. 77 f.
701 Neuerburg, Fontane e Ninfei, passim.
702 Neuerburg, Fontane e Ninfei, 29.
703 Neuerburg, Fontane e Ninfei, 73. 226 f. (Nr. 181). Jüngst dazu Gorrie, Septizodium,
653-670; Lusnia, Septizodium, 517-544.
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