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8. Wasserversorgung

8.1 Die Wasserleitung des Aristion
Wie die Inschrift am Architrav-Fries des Untergeschoßes aussagt, bildet das Nymphaeum Traiani den Endpunkt einer 210 Stadien langen
Wasserleitung, die ebenso wie die Brunnenanlage von Ti. Claudius Aristion und seiner Gattin lulia Lydia Laterane errichtet wurde627. Die
ephesischen Wasserleitungen sind derzeit Gegenstand von Untersuchungen durch G. Wiplinger628; der momentane Forschungsstand soll im
folgenden überblicksmäßig dargestellt werden.
Einzelne Abschnitte einer von Nordosten nach Ephesos führenden Wasserleitung konnten bereits von Ph. Forchheimer dokumentiert und
1923 veröffentlicht, aber noch nicht der von Aristion errichteten Anlage zugeschrieben werden629. Die Vermutung, es könnte sich um die
Zuleitung zum Nymphaeum Traiani handeln, wurde erstmals 1970 von W. Alzinger geäußert630. Neueste Forschungen - einerseits die
Auffindung eines Leitungsabschnitts in der cavea des Theaters631, andererseits die Forschungen von G. Wiplinger - ergeben folgendes
Bild632: Die Quelle des Aristion-Aquädukts befindet sich beim modernen Ort Büyükkale nordöstlich von Ephesos. Die Entfernung von der
Stadt korrespondiert gut mit den in der Inschrift genannten 210 Stadien633. Die Leitung verläuft an der Süd- bzw. später der Ostseite der
Kaystros-Ebene am Hang entlang, vorbei am Mausoleum von Belevi, über mehrere Aquädukt-Brücken (Taf. 124) bis in das Gemeindegebiet
des heutigen Seltjuk, von dort weiter nach Süden, um schließlich das Tal in West-Ost-Richtung zu queren. Die Leitung berührt das Stadtgebiet
von Ephesos zunächst beim sog. Magnesischen Tor und wird dann an der Ostseite des Panayirdag entlanggeführt, zunächst in das Meter-
Heiligtum, von dort am Stadion vorbei und zum Theater. Die weitere Trasse bis zum Nymphaeum Traiani ist nicht ausgegraben; der exakte
Verlauf und die eventuelle Versorgung anderer Bauwerke634 durch diese Leitung sind zwar nicht nachgewiesen, die Zusammengehörigkeit
von Brunnenanlage und Leitung steht aber außer Zweifel635.
Bezüglich der Konstruktionsweise handelt es sich beim Aristion-Aquädukt um eine Freispiegelleitung aus Bruchsteinmauerwerk, die einen
rechteckigen Querschnitt und eine überwölbte Abdeckung aufweist636.

8.2 Die Wasserführung innerhalb des Bauwerkes in ihrer ursprünglichen Konzeption

An der Rückseite des Nymphaeum Traiani ist der gemauerte Zufluß bis auf eine Länge von etwa 10 m ausgegraben; der Bereich nördlich
der Brunnenanlage ist durch spätantike Einbauten jedoch schwer faßbar637. Dieser letzte Leitungsabschnitt dürfte in der ersten Bauphase
der Konstruktion des übrigen Aquädukts entsprochen haben. Der Zufluß aus Bruchsteinmauerwerk mit rechteckigem Querschnitt
trifft in rechtem Winkel auf die Brunnenrückwand. Etwa 5,5 bis 6 m hinter der Rückwand knickt der Kanal nach Nordwesten um und
verschwindet unter der modernen Abdeckung eines von F. Miltner in diesem Bereich ausgegrabenen Gebäudes (Taf. 125, 1). Soweit im
vorderen Bereich des Zuflusses, bei der Einmündung in das Brunnenbecken sichtbar, besteht sein Boden aus Ziegeln, die von einer dicken
Schichte Ziegelsplittmörtel abgedeckt sind. Die Kanalwangen waren mit mindestens zwei unterschiedlichen, auch optisch voneinander
unterscheidbaren Lagen hydraulischen Mörtels abgedeckt, die höchstwahrscheinlich ebenfalls zwei unterschiedlichen Bau- bzw.

627 Zur Inschrift s. Kap. 5.1. Zuletzt über die schriftlichen Quellen zur ephesischen
Wasserversorgung Scherrer, Femwasserversorgung, 45-60.
628 s. dazu Wiplinger, Cura Aquarum, 23-40; Wiplinger, Wasserlabyrinth, 69-77.
629 Forchheimer, Wasserleitungen, 243-250. Die Leitung wird von ihm ebenda 243 als
„Kaja-bunar“ bezeichnet, dies entspricht der Namensgebung von Özi$ - Atalay,
Fernwasserleitungen, 409 f. als „Kayapinar“- oder Kaystros-Quellen.
630 Alzinger, RE Suppl. 12, 1605; Alzinger, Wasserversorgung, 180-184.
631 Krinzinger, Jahresbericht 2005, 331; Wiplinger, Frontinus-Tagung 2004, 34 f.
632 Zum Aristion-Aquädukt zuletzt Wiplinger, Cura Aquarum, 26-30; Wiplinger,
Frontinus-Tagung, 15-48; Wiplinger, Wasserlabyrinth, 74 f. Zu den schriftlichen
Quellen s. Scherrer, Femwasserversorgung, 53-55.
633 Es handelt sich - je nach zugrunde gelegtem Maß - um ca. 39 km. Eine so große
Länge ist für einen von einer Privatperson gestifteten Aquädukt - auf Grund der hohen
Kosten - eher ungewöhnlich, vgl. Kek, Aquädukt, 260.
634 Scherrer, Historical Topography, 75 denkt hier etwa an das Varius-Bad, was durch

zeitgleiche Errichtung und wahrscheinlich auch verwandtschaftliche Beziehungen
zwischen dem Erbauer der Thermenanlage und jenem der Wasserleitung naheliegend
erscheint. Vgl. dazu auch Scherrer, Femwasserversorgung, 55 mit Anm. 53. Den
Grabungen des Jahres 2005 im östlichen Bereich hinter der Rückwand der Fassade
zufolge erfüllte auch die Brunnenanlage selbst eine Art Verteilerfunktion für Wasser, s.
auch Kap. 8.2. Zu den Grabungsbefunden s. Quatember u.a., Grabung 2005,265-334.
635 Zuletzt bei Özi? - Atalay, Fernwasserleitungen, 409 f. geäußerte Unsicherheiten sind
durch die ausgegrabenen Abschnitte vor dem Stadion und im Theater geklärt.
636 s. dazu Skizze und Foto bei Wiplinger, Cura Aquarum, 28 Abb. 7 bzw. 29 Abb. 10.
Vgl. auch Forchheimer, Wasserleitungen, 245 f. Abb. 250; S. 248 f. Abb. 257.
637 s. dazu Miltner, Grabungsbericht 1958, 12.

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