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Naturwissenschaftliche Untersuchungen
an antiken Gläsern aus Ephesos
K. Uhlir - M. Melcher - M. Schreiner
1. Einleitung
Die naturwissenschaftliche Analyse antiker Gläser ist ein Thema, das besonders in den letzten Jahrzehnten
immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Es konnten wichtige Fragen bezüglich der Technologie, Provenienz
und Verbreitung von Gläsern untersucht und dabei neue Erkenntnisse z. B. über die Herstellung oder über
Handelswege gewonnen werden506. Dies ist allerdings nur in enger Zusammenarbeit mit archäologischen
Forschungen und durch interdisziplinäre Diskussionen möglich. In der Vergangenheit wurden archäologische
Glasobjekte in der Regel durch Beifunde, wie Keramik, oder durch stilistische Vergleiche mit Exemplaren
anderer Fundorte datiert und eine Formtypologie für die Objekte festgelegt. Die Verbreitung verschiedener
Gefäßtypen läßt auf die Verbreitung der Technologien bzw. auf die Handelsrouten in der dem Gefäßtyp zu-
geordneten Epoche schließen. Auch geben Grabungsfunde von Glasöfen, Schmelztiegeln oder Werkzeugen,
wie z. B. Glasbläserpfeifen und Abfall Rückschlüsse auf Glasproduktionswerkstätten. Aber nicht jedes Glas,
welches die gleiche oder ähnliche Form hat, muß zwangsläufig in der gleichen Werkstätte oder mit Glas der
gleichen Zusammensetzung produziert worden sein. Genau hier sind die Grenzen einer rein geisteswissen-
schaftlich basierten Zuordnung, wo naturwissenschaftliche Untersuchungen wertvolle Hilfestellungen leisten
können. Bei der Auswertung derartiger Analysendaten können neben den archäologischen Erkenntnissen auch
technologische Fragen beantwortet werden. Aufgrund des heutigen Wissensstandes507 muß bei den Glaswerk-
stätten der Antike zwischen primären und sekundären Produktionsstätten unterschieden werden. In Primär-
werkstätten wurden die Rohbestandteile des Glases erschmolzen, aber nicht unbedingt zu fertigen Objekten
weiterverarbeitet, während in Sekundärwerkstätten dieses Rohglas, gehandelt in Form von Glasbrocken
(Chunks) und Glasbruch (Cullet), zu Endprodukten verarbeitet wurde. In bezug auf diese Trennung der
Glasproduktion muß somit klar zwischen Glasherstellung (in Primärwerkstätten) und Glasverarbeitung (in
Sekundärwerkstätten) unterschieden werden. Primärwerkstätten befanden sich dabei an Plätzen, an denen alle
Rohstoffe inklusive der Heizmaterialien leicht zugänglich waren. Da aber die Holzressourcen in der Nähe
einer Glaswerkstätte sehr schnell erschöpft waren, mußten die Glasmacher oft in andere Gegenden abwan-
dern.
Die Primärglasproduktion nahm im Laufe der Zeit sehr große Ausmaße an. Ein Beispiel dafür ist Bet Eli’ezer
(Hadera) in Israel508. Es konnte bisher eine Gruppe von 17 rechteckigen Glasöfen ergraben werden. Die Öfen
und Schmelztiegel werden aufgrund von Beifunden in das 6.-7. Jh. n. Chr. (byzantinische Periode) datiert.
Mit jedem dieser Öfen konnte eine Glascharge von bis zu neun Tonnen produziert werden. Weitere, in bezug
auf diese Arbeit interessante, Glaswerkstätten befanden sich z. B. in Apollonia-Arsuf, Dor und Jalame
(Israel)509 sowie in Ramla und Banias (Ägypten)510.
Ferner muß berücksichtigt werden, daß es sich bei Glas in der Antike und z. T. auch noch später um ein sehr
wertvolles Material gehandelt hat und daher auch schon zur damaligen Zeit (ca. ab dem letzten Viertel des
1. Jh. n. Chr.) das Recycling von Glasbruch aktuell war. Dadurch wird allerdings die Zuordnung von Glas
aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung zu den einzelnen Produktionswerkstätten weiter erschwert.

506 Freestone et al. 2002a, 167-174; Foy et al. 2001, 66-71; Gorin-Rosen 2000c, 49-64.
507 Freestone et al. 2002a, 167-174; Foy et al. 2001, 66-71; Freestone 2003, 257-272; Freestone et al. 2000, 65-83; Freestone
- Gorin-Rosen 1999, 105-116; Freestone et al. 2002b, 257-272.
508 Gorin-Rosen 2000c, 49-64.
509 Freestone et al. 2002a, 167-174; Foy et al. 2001, 66-71; Gorin-Rosen 2000c, 49-64; Freestone 2003, 257-272.
510 Freestone et al. 2000, 65-83.
 
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